Seat Mii electric: Das günstigste Elektro-Kleinauto im Test

Mit dem Mii electric hat Seat einen kleinen Stromer im Programm, wie er für das urbane Umfeld am sinnvollsten ist. Der günstigste E-Kleinstwagen ist er auch.

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Test: Seat Mii electric

Elektrische Kleinstwagen sind zur Zeit rar - der Seat Mii electric ist momentan das günstigste vollwertige Elektroauto.

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Seit die Mehrzahl der Hersteller – getrieben von den Großbatterie-Autos von Tesla – auf Reichweite und damit große, schwere Autos setzen, befinden sich auf das für E-Autos sinnvollste Habitat „Stadt” zugeschnittene Modelle ein bisschen in der Defensive. Es gibt aber weiterhin urbane Nahverkehrs-Stromer, ganz neue sogar, wie den Smart EQ Forfour (ab Ende 2020 auch als Renault Twingo Z.E. erhältlich) mit 21,3 kWh oder den Honda e mit 35,5 kWh. Am günstigsten ist zur Zeit der Seat Mii electric, den wir uns genauer angeschaut haben.

Das Angebot aus dem Volkswagen-Konzern mit VW e-Up (Test), Skoda Citigo iV und Seat Mii electric zeigt durchaus bemerkenswerten technischen Fortschritt seit Erscheinen des ersten VW e-Up von 2013 mit lediglich 16,4 kWh netto. Die neue Generation, in der nun Citigo und Mii ebenfalls elektrifiziert wurden, profitiert bei gleichem Bauraum mal eben von einer knappen Verdopplung von Kapazität (auf 32,3 kWh netto) und Energiedichte des Akkus: Mit 248 kg wurde er nicht einmal zehn Prozent schwerer. Die neue technische Basis des Konzerns für seine ID.-Modelle hat dagegen minimal Golf-Format und reicht bis in Regionen eines Tesla Model 3 (Test). Das darf man schon als Richtungs-Ansage verstehen.

Seat Mii electric Test (34 Bilder)

Das Konzept eines günstigen, möglichst kompakten und leichten Stromers kann durchaus schlüssig sein.
(Bild: Florian Pillau)

Eigentümlich an der Geschichte der Small Family, zu der VW Up, Skoda Citigo und eben der Seat Mii gehören, ist, dass der Kleinstwagen noch bis 2007 als Hecktriebler angelegt war und erst spät auf front/quer umgestrickt wurde. Der später zum E-Mobil umgebauten Variante ist zwar nicht abträglich, dass der hintere Überhang kurz ist und keine lange Haube unnötig Platz vergeudet.

Für eine gleichzeitig entwickelte Version mit E-Antrieb wie bei Renault Twingo Z.E. oder Honda e hätte man es aber vielleicht bei einem Heckmotor belassen. Beide erreichen außer einer besseren Traktion und einer gefühlvolleren Lenkung einen Wendekreis von nur 8,90 (Honda e, Gesamtlänge 3,89 Meter) respektive 8,75 Metern (Twingo Z.E., Gesamtlänge 3,62 Meter) im Gegensatz zu den 9,80 Metern des um rund 30 Zentimeter kürzeren (respektive fast gleich kurzen) Seat Mii electric.

Die Batterie – jetzt mit Pouch- statt prismatischen Zellen – wird auch weiterhin ganz pragmatisch unter den Boden geschraubt und füllt geschickt den Raum unter den vorderen Sitzen, der Rückbank und im Tunnel. Festere Fahrwerksfedern halten den Mii auf dem Niveau der leichteren Versionen mit Verbrennungsmotor. E-Maschine und Leistungselektronik kauern mit der Klimaanlage unter der vorderen Haube und füllen den Platz schon ganz gut aus. Wesentlich kürzer hätte der Wagen vorn gar nicht sein können, allenfalls hätte bei einem dedizierten Elektroauto die Vorderachse noch wenige Zentimeter weiter vorn gelegen.

Der Seat Mii gehört wohl zu den wenigen konventionellen Autos, die durch ihre Umrüstung zum E-Mobil keine gravierenden Einbußen bei der Raumaufteilung erleiden. Das wäre allerdings auch schlimm bei einem Kleinstwagen, der nicht mehr als den nötigsten Platz für vier duldsame Erwachsene und zwei Aktentaschen bietet. Der Stauraum ist 251, mit umgeklappten Sitzen 923 Liter groß. Die Zuladung bleibt mit 370 kg nur etwas hinter der des thermodynamisch angetriebenen Mii zurück. Das entspricht vier Norm-Erwachsenen plus 70 kg Gepäck, was für ein kleines Nichtreiseauto völlig realistisch ist.

Bei der Anprobe überrascht der Mii zunächst mit einer entspannten Position auf erwachsenen Vordersitzen. Die Beinfreiheit genügt für mich als absolutem Durchschnittstypen gerade noch so, weil ich gern hoch sitze und beim Höherstellen der Sitz deutlich nach vorn wandert. Wenn ich dann das Lenkrad richtig einstelle, verdeckt jedoch der Lenkradkranz die Instrumente. Als Gegenprobe habe ich den Sitz mal ganz nach unten gestellt – leider mit demselben Ergebnis. Das Lenkrad bietet übrigens keine Einstellung der Griffweite, wie man es heute erwarten könnte. Die Haltung gerät dann doch noch zum Kompromiss. Schade. Immerhin ist die Übersicht besser als in vielen modernen Autos, da kann man auf eine Rückfahrkamera, wie sie der VW e-Up gegen Aufgeld bietet, verzichten. Der Seat kennt nur eine akustische Einparkhilfe hinten, aber auch die kostet extra.

Die Bedienung ist einfach und selbsterklärend. Die Idee, ein Smartphone mit einem passenden Anwendungsprogramm als Bediensystem zu benutzen, ist genial, allerdings muss damit getippt und gewischt werden. Es gibt prinzipiell deutlich sicherere Benutzeroberflächen. Gut, dass Heizung und Lautstärke noch physische Regler bieten, wie es leider nicht mehr immer der Fall ist. Eine Plastikblende quer über das Armaturenbrett versucht ein bisschen gegen den kargen Minimalauto-Charme anzustrahlen, hebt diesen aber umso stärker hervor.

Der Fahrer kann sich umso wärmer im Gefühl sonnen, keinen Cent zu viel für den Mii ausgegeben zu haben. In der Tat ist der Seat mit 20.650 Euro noch günstiger als sein Fließbandnachbar VW e-Up für mindestens 21.975 Euro. Sie werden mit dem Citigo iV im Skoda-Werk BAZ Devínska Nová Ves in der Slowakei gefertigt. Abzüglich Seats „eMobilitäts-Prämie” von 3570 und der staatlichen Förderung von 3000 Euro kostet der Seat dann 14.080 Euro. Zum technischen Fortschritt kommt nun also auch ein konkurrenzfähiger Preis.

Im Gegensatz zum VW e-Up gibt es dafür keine Rückfahrkamera, kein Multifunktionslenkrad, kein DAB-Radio und LED-Tagfahrlicht nur gegen Aufpreis. Wobei das die einzige Möglichkeit ist, den Mii mit LED-Lampen auszustatten, was heutzutage für ein E-Auto schon ungewöhnlich ist. Grundausstattung sind Halogen-Lampen für die Scheinwerfer und einfache Glühfadenlampen für Brems- und Blinkleuchten. Der Vorteil gegenüber LED-Lampen ist der einfachere, preisgünstigere Wechsel der Leuchtmittel im Falle eines Defekts, der Nachteil viel häufigere Wechselintervalle. Die Lichtausbeute genügt.