Seat Mii electric: Das günstigste Elektro-Kleinauto im Test

Seite 2: Souveränes Fahrwerk

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Das Fahrgefühl verstärkt den Eindruck, einen deutlich größeren Wagen zu lenken. Mir ist kein Kleinstwagen bekannt, der derart souverän komfortabel federt und dabei dennoch so präzis auf Lenkeingaben reagiert. Selbst manch deutlich größerem und teurerem Auto ist er darin überlegen. Die einzigen E-Autos ähnlicher Dimension, deren Lenkgefühl noch etwas besser ist, sind die bereits erwähnten Konkurrenzprodukte von Renault und Honda.

Leider ärgerte mich der serienmäßige Spurhalteassistent zweimal mit völlig unerklärlichen, selbsttätigen Spurwechseln. Ich habe ihn daraufhin abgeschaltet. Es wird Zeit, dass der Unfug mit nicht fertig entwickelten Assistenten endlich von allerhöchster Stelle unterbunden wird. Doch leider sitzen genau dort lobbygesteuerte Bürokraten, die so etwas auch noch fördern. Nicht falsch verstehen, bitte, Sicherheitsverbesserungen wie Gurt, ABS und ESP finde ich vollkommen sinnvoll. Nur mit dem vorgeschobenen Argument „Sicherheit” teure Zusatzfunktionen subventionieren zu lassen, die dann auch noch nicht richtig funktionieren – das geht zu weit. Ginge es ihnen wirklich um die Sicherheit, würde als erstes die gefährliche Wisch-Tipp-Bedienung abgeschafft.

Beim Wechsel der Fahrtrichtung von vorwärts nach retour muss man aufpassen, den Wählhebel nicht zu weit nach vorn zu schieben. Von keiner Vorrichtung gehindert rutscht er sonst in die Stellung „Parksperre”, selbst, wenn sich der Wagen dabei bewegt. Als mir das einmal weit unterhalb Schrittgeschwindigkeit passierte musste ich meine erschrockene Tochter und dann gleich den Mii um Verzeihung bitten.

Der Antrieb arbeitet lautlos und fühlt sich durch die fast direkte Anbindung des Motors an den Hilfsrahmen auch besser dosierbar an als der Verbrennungsmotor, der zumal als Dreizylinder grundsätzlich eine weiche Aufhängung benötigt. Der Antrieb arbeitet so leise, dass einem das typische Knacken beim ersten Bremsen entgegen der vorher gewählten Fahrtrichtung ungebührlich laut vorkommt. Jenseits urbaner Tempi rauschen Wind und Räder (je nach Untergrund) etwa gleich laut, was an den saisonal korrekt montierten Winterreifen gelegen haben mag.

Es ist zwar typisch für den E-Antrieb, aber selbst bei der vergleichsweise bescheiden klingenden Leistungsangabe von 61 kW kann man an Ampeln so gut wie alle herkömmlichen Autos mühelos hinter sich lassen. Das Drehmoment von 212 Nm ist vergleichsweise hoch und trägt zum unbeschwerten Sprintgefühl bei. Im Gegensatz zu einem der viel kräftigeren Großbatterieautos spürt man allerdings deutlicher den Unterschied bei der Beschleunigung zwischen keinem und drei Passagieren. Ganz besonders gut in die Stadt oder auf gebirgige Strecken passt die hohe Rekuperationsstufe, die ermöglicht, mit dem Fahrpedal zu bremsen. Wer es nicht übertreibt mit dem Herumflitzen, muss fast nur noch reibungsbremsen, wenn mal eine Ampel unerwartet früh „Halt” signalisiert.

Wer angesichts der gebotenen Beschleunigung zum Übermaß neigt, kann sich in der Stellung „Eco” eine zivilere Fahrweise auferlegen lassen – mit gleichzeitigem Stromspareffekt. „Eco Plus” deaktiviert zusätzlich Heizung und Klimatisierung, um die Reichweite zu verbessern. Wir kamen bei Temperaturen um die null Grad trotz elektrischer Heizung, Klimatisierung und Scheibenenteisung auf eine Reichweite von 200 Kilometern. Auf den letzten 25 allerdings kroch langsam die Kälte die Beine hinauf, da der Wagen dann automatisch in „Eco Plus” fährt und die Heizung abschaltet.

Für die urbane Nutzung kann ein E-Auto nicht nur viel kleiner ausfallen, es benötigt für viele Szenarien nicht einmal eine Schnellladefunktion. Obwohl der Seat Mii eine solche bietet, ist sie mangels Batterieklimatisierung eine der langsameren. Vom Konzept eines günstigen, möglichst kompakten und leichten Stromers her gedacht ist das aber immer noch schlüssig. Eine heiz- und kühlbare Batterie hätte den Rahmen der Platznutzung und den des angestrebten Verkaufspreises gesprengt. Konsequenterweise braucht man die CCS-Ladefähigkeit nicht zu kaufen – sie erweitert die Nutzungsmöglichkeiten nur auf Wunsch. Die 40 kW-Option kostet bei Seat 600 Euro (25 Euro günstiger als beim baugleichen VW e-Up), und auch ein Netzkabel für Haushaltssteckdose muss mit 175 Euro bezahlt werden.

An der Schnellladesäule benötigte die betriebswarme Batterie bei vier Grad Außentemperatur und einer Restreichweite von 28 Kilometern eine Stunde Ladedauer für 200 weitere. Nur noch rund 15 Prozent laut Anzeige füllten sich jedoch in der folgenden halben Stunde. Bei einem SOC von 91 Prozent habe ich das Experiment unterbrochen, weil die Ladestation abgesperrt wurde. Es hat aber deutlich gezeigt, dass auch eine Batterie ohne aktive Temperierung im interessanten Bereich bis 80 Prozent SOC recht zügig schnellladbar ist und die Ladegeschwindigkeit erst darüber stark verlangsamt werden muss. Für ein vorwiegend kurzstreckengeeignetes Auto geht das angesichts des Preises für Auto und Schnellladefunktion in Ordnung.

Der Seat Mii kann mit der vergrößerten Reichweite für bestimmte Nutzer ein zeitgemäßer Elektro-Kleinstwagen sein, trotz seiner langen Bauzeit und einer nicht für die E-Mobilität geplanten, technischen Basis. Mit 14.080 Euro bietet er einen runderen Kompromiss aus Preis und Leistung als die teureren Renault Twingo Z.E. oder Honda e.

Ein wirkliches Ende der Elektro-Kleinstwagen scheint sich aber gar nicht abzuzeichnen. Die Pläne bei Volkswagen sehen laut unbestätigten Presseberichten vielmehr eine Ablösung von VW e-Up, Seat Mii electric und Skoda Citigo e iV frühestens Ende 2022 durch ein rund 3,8 Meter kurzes Elektroauto auf einer neuen Plattform vor, das bei Volkswagen VW ID.1 heißen dürfte. Der bekannte MEB sei zu groß im Radstand und einer Mindest-Batteriegröße von 48 kWh. Der geplante ID.1 soll lediglich 24 und 36 kWh für eine Reichweite von knapp 200 bis fast 300 Kilometer erhalten.

Die Kosten für die Überführung hat der Hersteller übernommen, jene für Energie der Autor.