Test Volvo V60 Recharge T6: Ausladender Eindruck

Der V60 Recharge T6 ist ein Plug-in-Hybrid-Kombi der luxuriösen Mittelklasse und prädestiniert sich als Dienstwagen. Wie fährt sich die Schwedensänfte?

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Volvo V60 Recharge T6

(Bild: Volvo)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Manchmal muss man sich wundern, in welcher Welt die Marketingmenschen der Automobilindustrie leben. Volvo bezeichnet den V60 als "Sportkombi". Wir haben zwar von unserem Test eines V60 mit 150 PS-Diesel einen charaktervollen, stimmigen C-Klasse-Konkurrenten in Erinnerung. Aber er repräsentierte gerade einen Gegenentwurf zu allem, was der Begriff "Sportkombi" suggerieren könnte. Volvo geht es um das Lässige, Bequeme und Souveräne der Fortbewegung. Wenn quasi unbewusst noch eine gewisse Flottheit dazukommt, macht das aber nichts.

In dieser Hinsicht prädestiniert sich der V60 als Firmenwagen, zumal er auch optisch Gutsituiertheit und Zurückhaltung verbindet: "Wir haben Geld, aber reiten nicht darauf herum." Da ein Dienstwagenbesteller wegen des “Scheuer-lichen” Plug-in-Hybrid-Sponsorings wahrscheinlich zum T6 Twin Engine mit 186 kW-Systemleistung greifen würde, sehen wir uns dieses Modell genauer an. Es ist die schwächste von drei Plug-in-Hybrid-Versionen im V60. Der 65 kW starke Elektromotor an der Hinterachse macht den V60 T6 zum Allradfahrzeug. Da er nicht im Getriebe sitzt, kann er ohne zusätzliche mechanische Widerstände arbeiten.

Schon das ausladende Äußere macht Eindruck. Tatsächlich wirkt das zeitgenössische Volvo-Design wuchtiger als es ist. Der V60 ist in Wahrheit nur 6 cm länger und 4 cm breiter als sein charakterlich ähnlichster Konkurrent – das C-Klasse-T-Modell von Mercedes.

Dass den China-Schweden trotz des selbstbewussten Auftritts mehr Bescheidenheit umweht, mag das Ergebnis eines genialen Firmenimages sein. Da waren die Marketingleute hellwach und hochprofessionell. Der gelungene Auftritt liegt aber auch an den fließenden Linien. Anders als bei manchen Premiumkonkurrenten wirkt hier nichts aufgesetzt, übertrieben, verkrampft und neureich. Diese gelungene Kombination aus hoher Qualität und geschmackvoll-zurückhaltender Formensprache setzt sich im Interieur fort.

Bei den großen Deutschen Audi, BMW und Mercedes mussten zuletzt öfter Detailmängel in der Verarbeitung festgestellt werden, die weder zu Preis noch Anspruch passen. Hier setzt sich Volvo wohltuend ab.

Volvo V60 T6 Twin Engine AWD (21 Bilder)

Der Volvo V60 ist eine wuchtige Erscheinung, aber nur sechs Zentimeter länger und vier Zentimeter breiter als ein C-Klasse T-Modell von Mercedes.
(Bild: Christian Lorenz
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Sehr positiv fallen die Sitze auf. Sie sind bequem und halten einen wie ein zurückhaltender Helfer unmerklich aber effektiv in der Kurve fest. Ihr ungewöhnlich weiter Verstellbereich dürfte Fahrern aller Staturen eine nahezu perfekte Position ermöglichen. Leider folgt dann der Blick auf die Achillesferse der aktuellen Volvo-Generation – die Bedienung, insbesondere des Infotainmentsystems. Die einen sagen, mit der verschachtelten Menüstruktur, eingeschränkten Anzeigemöglichkeiten und logischen Fouls kommen sie nach etwas Gewöhnung schon zurecht, die anderen sagen, dieses Infotainment sei ein klares Kaufhindernis. Unzweifelhaft ist aber, dass die Bediensysteme der deutschen Konkurrenz deutlich besser gelungen sind. Dabei soll keineswegs verschwiegen werden, dass auch die Systeme von BMW, Mercedes und besonders Audi ihre Schwächen haben.

Bei Volvo haben sie das Problem erkannt. Für die Luxuselektro-Submarke Polestar wurde ein völlig neues Bediensystem auf Android-Basis entwickelt, das auch in der nächsten Volvo-Generation Einzug halten soll. Darauf setzen wir große Hoffnung. Bis dahin müssen Volvo-Fahrer noch mit einer Vielzahl von Eigenheiten leben, die manchen in den Wahnsinn treiben können. Da gibt es kleine Details, die einen immer wieder ärgern. So füllt die 3D-Ansicht der Navigationsansicht den Bildschirm zur Hälfte mit Himmel. Die kleinen Bedienkacheln ziehen Fehlbedienungen magisch an und zwingen während der Fahrt zu gefährlichen Blindflügen. Das lässt sich erstens nicht mit Volvos Sicherheitsprimat vereinbaren und ist zweitens völlig unnötig, da der Bildschirm für größere Kacheln locker Platz bieten würde.

Hinzu kommen Schwächen, die in dieser Klasse einfach unakzeptabel sind. So wird der große Zentraltouchscreen bei Sonneneinstrahlung komplett unlesbar. Das heißt, bei bestimmten Sonnenständen und sommerlichen Witterungsverhältnissen sind sehr viele Funktionen gar nicht zu bedienen. Auch das Kombiinstrument lässt zu wünschen übrig. Es stellt sich die Frage nach dem Sinn eines Bildschirms, wenn die einzige Konfigurationsmöglichkeit die Farbe der Ringe um die virtuellen Rundinstrumente ist. Auch, warum nur eine Zeile des Bordcomputers dauerhaft eingeblendet werden kann, erregt bestenfalls Unverständnis.

Musikfreunde wird besonders ärgern, dass Volvos Bediensystem weder Ordnerstrukturen noch mit dem Microsoft Mediaplayer erstellte Playlisten auf USB-Sticks erkennt. Die einzige Lösung ist, Playlisten mit dem Programm MP3tag zu erstellen. Traumhaft ist dagegen der Sound, wenn man bereit war, maximal 3300 Euro für das Soundsystem von Bowers & Wilkins auszugeben. HiFi-Freunden, die sich an satten Bässen und klaren Höhen auch beim Autofahren erfreuen wollen, sei dieses Extra wärmstens ans Herz gelegt. Es klingt besser als teils deutlich teurere Systeme anderer Marken. Wenn man voll aufdreht, vibrieren die Außenspiegel. Man sollte das als Warnung fürs Gehör verstehen.