Test Volvo V60 Recharge T6: Ausladender Eindruck

Seite 2: Antrieb und Fahrwerk

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Ein klarer Pluspunkt des V60 T6 Twin Engine im Vergleich zu den Plug-in-Hybriden der Konkurrenz ist sein Nutzwert. Der Volvo überzeugt mit einer dem hohen Klassenniveau entsprechend bequemen Rückbank und einem Kofferraumvolumen von 529 bis 1441 Litern. Das klingt zwar nur klassenüblich, doch der Volvo ist ja ein Plug-in-Hybrid. Während bei BMW und Mercedes die Plug-in-Hybrid-Kombis nachträglich umkonfigurierte Nischenmodelle sind, waren sie bei Volvo baureihenübergreifend als Topmodelle von Anfang an vorgesehen.

Volvo entschied sich früh dafür, keine größeren Motoren als Vierzylinder mehr einzusetzen und die weggefallenen Fünf-, Sechs- und Achtzylindertopmotorisierungen durch Plug-in-Hybride zu ersetzen. Batterie und E-Maschine sind im Volvo ohne Einschränkungen für den Kofferraum integriert. Beim Mercedes C 300e verkleinert dagegen eine hässliche Stufe den Kofferraum auf 315 Liter. Der praktische Nutzwert des V60 T6 Twin Engine ist also ein Indiz dafür, dass Volvo die Integration teilelektrischer Antriebsarchitektur schon deutlich früher eingeleitet hat als die süddeutsche Konkurrenz.

Beim Fahren erfreut der Volvo mit einer unspektakulären Stimmigkeit seiner im Vergleich zu den Deutschen eher weichen Federung. Der Abrollkomfort ist in der C-Klasse einen Tick besser. Während der Mercedes die Kante wegzaubert, federt der Volvo mit viel Watte drüber. Ein BMW 3er bügelt sie dynamisch glatt.

Volvo V60 T6 Twin Engine AWD (21 Bilder)

Der Volvo V60 ist eine wuchtige Erscheinung, aber nur sechs Zentimeter länger und vier Zentimeter breiter als ein C-Klasse T-Modell von Mercedes.
(Bild: Christian Lorenz
)

Der Volvo wirkt lässig bequem ohne fahrdynamische Einbußen. Wer im Volvo schnell ist, ist es unangestrengt. Er ist damit dem Mercedes-Komfort ähnlicher als der BMW-Dynamik. Es entsteht ein eigenständiges erhabenes Volvo-Fahrgefühl, mit dem man nicht nur skandinavische Fernen entspannt durchmessen kann. Sein Fahrverhalten macht den V60 zum sympathischen und gelungenen Charakterkopf in der Mittelklasse.

Dazu passt auch der so gut wie vibrationsfreie, kaum hörbare Vierzylindermotor. Der Testwagen war mit Akustikglas für 990 Euro Aufpreis ausgerüstet und bemerkenswert leise. Es steht immer genug Leistung zur Verfügung, bei gleichzeitig weitgehender Abwesenheit von Motorgeräuschen. Diese Antriebscharakteristik passt hervorragend zum Stil des Fahrwerks. Der Volvo gehört zu den Fahrzeugen, die sich „rund“ anfühlen. Das Ganze ist hier mehr als die Summe seiner Einzelteile.

Das sprichwörtliche Volvo-Sicherheitsniveau verstärkt die Annehmlichkeiten. Unser Testwagen war einer der letzten, die noch nicht bei 180 km/h abgeregelt sind. Diese Begrenzung gilt für die gesamte Volvo-Produktion ab Mai 2020. Man kann zu diesem Marketingstreich stehen, wie man will. Zweifel, ob ein Unfall bei 180 km/h glimpflich ausgeht, sind ja durchaus angebracht. Man muss Volvo aber zugestehen, dass es ein medienwirksames Zeichen ist, beim "Wettrüsten" nicht mehr mitzumachen. Das kann man durchaus sympathisch finden.

Auch die Armada der sogenannten Assistenzsysteme trägt zur Sicherheit im V60 bei. Wobei auch hier Fehlfunktionen direkt proportional zum Automatisierungsgrad ansteigen. Auch andere erfinden Geschwindigkeitsbegrenzungen von 30 km/h auf Autobahnen oder gaukeln in einer 30er-Zone vor, 100 sei erlaubt. Auch in anderen Autos greift gelegentlich der Spurhalteassistent zur Unzeit ein. In einem BMW, Mercedes oder Audi sind Fehlleistungen vielleicht etwas seltener. Dramatisch besser sind die Systeme aber bei den Deutschen nicht.

Bei der Effizienz könnten die drei deutschen Premiummarken aber am Volvo vorbeiziehen. Denn besonders sparsam ist der T6 Twin Engine nicht. Martin, bei uns zuständig für Minimalverbräuche, konnte den V60 nicht unter 7,2 Liter drücken. Im Test kamen wir auf 9,3 Liter auf 100 km. Das ist höchstens klassendurchschnittlich, aber nicht sparsam. Ab Werk gibt Volvo für den Plug-in-Hybrid 1,9 Liter pro 100 km an. Rein elektrisch kamen wir bei 20 °C Außentemperatur 42 km weit. Dabei wurde maximales Augenmerk auf sparsame Fahrweise und Verzicht auf stromfressende Verbraucher gelegt. Anschließend konnten 11 kWh nachgeladen werden. Das korrespondiert gut mit der Werksangabe von 13 kWh Batteriekapazität. 11 kWh auf 42 km bedeuten 26,2 kWh/100 km – besonders sparsam ist der schwere „Sportkombi“ also auch im E-Modus nicht.

Der V60 T6 AWD ist auch im Vergleich mit der deutschen Konkurrenz ein sehr teures Auto. Er startet erst bei 56.350 Euro, wobei die Serienausstattung schon recht umfangreich ist. Der fürstlich ausgestattete Testwagen kommt auf etwa 75.000 Euro. Für deutlich weniger als 63.000 Euro Listenpreis wird ein V60 T6 AWD sein ganzes Wohlfühlaroma kaum verbreiten können. Ein Mercedes C 300e T-Modell kostet laut Liste in Grundausstattung vergleichsweise wohlfeile 49.000 Euro. Bei ähnlich guter Ausstattung schrumpft der Preisvorteil des Mercedes aber schnell. Vergleichbar ausgestattet ist der Mercedes über 70.000 Euro teuer. So bleibt die Wahl am Ende eine Frage des Geschmacks. Wer einen bequemen Kombi mit Stil möchte und mit ein paar Schwächen im Infotainment leben kann, wird mit dem Volvo glücklich werden.

Der Volvo ist gut und teuer. Er macht ein paar kleine Schwächen beim Fahrwerk und große Schwächen beim Infotainment durch seinen vergleichsweise hohen Nutzwert, die hervorragende Verarbeitung und den souveränen Antrieb wett. Sparsam ist er nicht, wie andere Modelle bezieht er seinen Reiz aus gewaltigen monetären Vorteilen bei der Dienstwagenbesteuerung und der Möglichkeit, das elektrische Fahren auszuprobieren. Wie bei anderen Herstellern ist auch hier die Chance groß, dem E-Charme zu erliegen. Der Abschied von diesem Volvo-Kombi nach Testende fiel schwer. Er machte viel Freude. Wer braucht schon einen Sportkombi?

Volvo hat die Kosten für die Überführung übernommen, der Autor jene für Kraftstoff und Strom.