H2-Strategie: Das Wasserstoff-Auto Toyota Mirai und Deutschlands Planlosigkeit

Der Mirai ist in Japan ein Symbol für die Zukunft im Rahmen eines nationalen H2-Konzepts. Hierzulande scheitert die Klimawende an beispielloser Planlosigkeit.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 932 Kommentare lesen

Staaten mit Wasserstoffstrategie wie Japan oder Korea machen rasche Fortschritte bei Brennstoffzellenautos. Der Toyota Mirai beweist es.

(Bild: Toyota)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

Dieser Artikel ist Teil einer Serie, in der es um spannende automobile Vorkämpfer geht, die drohen in Vergessenheit zu geraten. Denn meist war ihr Mut nicht von Erfolg gekrönt.

Teil 1: Der Blitz, den niemand wollte: Audi duo, erster Hybrid auf dem Markt

Teil 2: Nichts war Roger: General Motors erstes Elektroauto EV1

Teil 3: Das Gegenteil von Diesel: Volvo V60 Diesel-Plug-In-Hybrid

Teil 4: Applaus den Gründervätern: Mitsubishi i-MiEV, Peugeot iOn & Citroën C-Zero

Teil 5: Bastlerhit für Liebhaber: Tesla Roadster

Teil 6: Vergaloppiert: BMW Hydrogen 7

Teil 7: Das Blatt, das wendet: Nissan Leaf

Teil 8: Noch eine Premiere: Peugeot 3008 HYbrid4

Die zweite Generation des Toyota Mirai wird hierzulande ab März 2021 zu haben sein. Reichweite und Leistung stiegen um den gleichen Wert, um den der Preis sinkt. Nämlich rund 18 Prozent. So leistet der Elektromotor zukünftig 128 statt 114 kW, die 5,6 Kilogramm Wasserstoff, die mitgeführt werden können, reichen für 650 Kilometer und zu haben ist das Paket für 63.900 statt 78.600 Euro.

Der Toyota Mirai (Test) ist damit immer noch kein Schnäppchen und wegen fehlender Tankstellen hierzulande immer noch nicht für jeden Alltag geeignet. Aber welches Fahrzeug mit Verbrennungsmotor hat zuletzt so einen großen Schritt auf den Kunden zugemacht? Genau. Keines. Niemals.

In Deutschland wird sich das Fahrzeug nicht durchsetzen. Es wird eine Randnotiz bleiben. Nicht, weil das Auto schlecht ist, sondern weil die Bundesrepublik der Technik um zehn Jahre hinterherhinkt. Den Mirai in Deutschland zu verkaufen ist, als würde jemand einem gläubigen Amish – die aus religiösen Gründen auf technischen Fortschritt verzichten – ein Smartphone schenken. Nett. Aber wen soll er anrufen und wie soll er es laden, wenn er mit Candycrush den Akku leergefummelt hat?

Wasserstoff gilt vielen als Schlüsseltechnologie für die Zukunft. Gerade im Hinblick auf die gesetzten CO2-Ziele. Manche Experten verorten den Wasserstoff mehr, manche weniger in der Mobilität, weil batterieelektrische Autos aktuell die Nase vorne haben. Für die Industrie ist das Thema allerdings enorm wichtig. Wasserstoff kann dort als Speichermedium für Energie oder direkt als Brennstoff dienen. Seitdem das klar ist, hat die Bundesregierung kaum eine Chance verstreichen lassen, um ihre komplette Ideen- und Planlosigkeit bei diesem Thema zur Schau zu stellen.

Der Knackpunkt ist, dass die Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse sehr viel Strom verbraucht. Doch in Deutschland belasten Kohlekraftwerke die Energiebilanz. Es bräuchte also eine Energiewende. Unionspolitiker pflegen sich an dieser Stelle gern zuzuzwinkern. Denn 2012 wurde durch eine Kürzung der Energieumlage die dezentrale Solarenergiegewinnung torpediert, anschließend gab es eine Änderung bei den Genehmigungen von Windkraftanlagen, was diese ebenfalls zur sterbenden Technologie machte.

Toyota Mirai (4 Bilder)

Japan möchte in einem möglichen Zeitalter des Wasserstoffs eine Führungsrolle einnehmen. Der Toyota Mirai ist sowas wie ein Schaulaufen.
(Bild: Toyota)

Die Lösung von Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, sieht so aus, dass ab dem Jahr 2030 genau zwanzig Prozent des benötigten Wasserstoffs mit Energie aus Wind- und Solarkraft produziert werden. Ein Ziel, das nicht mehr erreicht werden kann. Das weiß auch Altmaier und verkündet, dass es "Energiepartnerschaften" mit entsprechenden Erzeugerländern geben werde. Es ist die gleiche Idee, die schon hinter dem krachend gescheiterten Desertec-Projekt steckte – dem geplanten Solarpark in Afrika. Bei dem stellte sich raus, dass afrikanische Länder gar keine Lust haben, ihren nachhaltig produzierten Strom nach Deutschland zu schicken. Konnte vorher scheinbar keiner ahnen.

Bei der eigenen Energiewende verlässt sich das Hochtechnologieland Deutschland also darauf, dass irgendein anderer Staat bei dieser Entwicklung deutlich weiter ist und ausreichend nachhaltig hergestellten Wasserstoff zum Exportieren produziert. Infrastruktur für den Transport inklusive. Die Entscheidung darüber, ob das ein Armutszeugnis ist, sei jedem Wähler selbst überlassen.

Damit ist aber die Brücke nach Japan geschlagen. Dort sieht die Situation anders aus. Ministerpräsident Shinzo Abe ließ verlauten: „Japan wird die Führung in epochalen Innovationen wie der Verwirklichung der Wasserstoffgesellschaft übernehmen, indem wir einen positiven Kreislauf aus Umweltschutz und Wachstum schaffen.“

Wasserstoff soll Autos antreiben, Häuser heizen, die Industrie befeuern. Die Energiebilanz spricht auch in Japan noch gegen den Wasserstoff. Ein Viertel des benötigten Stroms kommt aus erneuerbaren Energien. Die Steigerung dieses Anteils ist aber Teil der nationalen Wasserstoffstrategie. Im Jahr 2030 sollen 800.000 Autos und 1200 öffentliche Busse mit Wasserstoff angetrieben und 5,3 Millionen Eigenheime mit Strom versorgt werden. Die Neuanschaffung eines Mirai fördert die Regierung mit umgerechnet 14.000 Euro.

Ob Deutschland und seine Autotester den Toyota Mirai (Test) und dessen Antriebskonzept nun mögen oder nicht, spielt daher keine Rolle. Nicht hier, nicht in Japan. So wie es Samsung nicht interessiert, was Amish von ihren Smartphones halten. Die Wasserstoffentwicklung wird weitergehen. Mit oder ohne die deutsche Industrie. Ein Szenario, das frappant den Anfängen in der Elektromobilität ähnelt. Auch Elektroautos waren nicht alltagstauglich, zu teuer und hatten eine schlechte Energiebilanz. Ein paar Gesetzesänderungen in China später brach Hektik aus.

(fpi)