Elektroauto Volvo XC40 Recharge Twin mit kräftigem Doppelherz im Test

Volvo versieht das E-SUV mit 300 kW aus zwei Motoren und Android Automotive. Wie attraktiv ist diese Kombination? Ein Test

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Volvo XC40 Recharge Twin

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Gabe der Vorhersehung beanspruchten in der Geschichte der Menschheit schon so einige. Ich bin diesbezüglich sehr zurückhaltend, doch während einer Ausfahrt im Volvo XC40 Recharge Twin gab es einen Moment, in dem ich mir vorstellen konnte, wie der Abend für einen Verkehrsteilnehmer verlaufen würde. Gute 15 km war mir der graue Skoda Octavia RS (Test) auf der Landstraße gewissermaßen auf dem Fuße gefolgt. Vorbeifahren konnte oder wollte er nicht, stattdessen sucht er intensiv die Nähe der hinteren Stoßstange des Testwagens. Nach der Auffahrt auf eine Autobahn verlor sich der Kontakt für eine gewisse Zeit. Ich könnte mir vorstellen, dass der hartnäckige Verfolger noch am selben Abend auf der Webseite von Volvo nachgeschaut hat, was genau ihm da den Eindruck vermittelte, er wäre auf die Bremse gelatscht.

Dabei animiert der XC40 Recharge Twin dazu eigentlich in keiner Weise. Er ist ein komfortabel abgestimmtes SUV, dessen Reiz sicher nicht darin zu suchen ist, mit Lust um Ecken zu pfeifen. Fahrwerk und Lenkung sind darauf ausgerichtet, den Fahrer nicht mit Informationen zu behelligen, die in diesem Segment ohnehin nur eine Minderheit zu finden hofft. Das gelingt recht gut: Weder stören Antriebseinflüsse noch Untergrundinfos der Straße die Reise, vielmehr filtert der Volvo alles bis auf ein angenehmes Maß heraus. Wer eine präzise Lenkung und viel Rückmeldung von der Straße für wichtig erachtet, muss sich anderswo umschauen. Diese Auslegung mag nicht jedem behagen, ich finde sie aber für dieses Fahrzeugformat passend.

Wohl auch deshalb stellt sich rasch der Eindruck ein, dass Volvo es bei der Leistung wirklich überreichlich gut gemeint hat. 150 kW an jeder Achse befähigen das SUV zu einer Beschleunigung, die kaum einer dem XC40 zutraut. Mit Macht und Schwung rennt das E-SUV in den 180-km/h-Begrenzer. Bei alltäglichen Geschwindigkeiten, die bei den meisten wohl deutlich darunter liegen, tritt dieser XC40 zwar jederzeit gut dosierbar, im Bedarfsfall aber sehr wuchtig an, und das, typisch E-Auto, ohne jede Verzögerung. Braucht es das in diesem Umfang? Auf keinen Fall. Macht das Freude? Definitiv.

Volvo XC40 Recharge Technik (7 Bilder)

Im Menü lässt sich fein regeln, wie mit welcher Stromstärke geladen werden soll. Die Angabe bezieht sich auf die elektrische Stromstärke pro Phase.
(Bild: Florian Pillau)

Schon mit der Hälfte der Motorleistung wäre das SUV fraglos wirklich weit mehr als nur solide ausgestattet. Wohl auch deshalb stellten einige Testfahrer die Frage, warum Volvo nicht eine Maschine optional weglässt. Offenbar hat man darüber auch beim Hersteller nachgedacht. Seit kurzem ist der XC40 Recharge auch mit nur einem E-Motor zu haben, der dann 170 kW leistet und an der Vorderachse installiert ist. In dieser Version ist auch der Energiegehalt der Batterie mit 67 kWh (netto) etwas geringer.

Im Testwagen dagegen war die Version mit zweimal 150 kW eingebaut. Volkswagen macht zwischen Vorder- und Hinterachse einen Unterschied bei der Art der Motoren: Der Hauptantrieb hinten ist ein Synchronmotor, der vordere wird nur bei entsprechender Leistungsanforderung hinzugeholt und ist deshalb ein Asynchronmotor. Diese Auslegung hat einen technischen Hintergrund: Ein permanent erregter Synchronmotor, also der, der bei Volvo wie auch bei Volkswagen die Hauptarbeit übernimmt, hat einen höheren Wirkungsgrad und ist kompakter, allerdings auch etwas teurer als ein Asynchronmotor. Letzterer wiederum ist kurzzeitig hoch belastbar und kann, wenn er nicht gebraucht wird, stromlos mitlaufen.

Volvo verbaut zwei Synchronmotoren, was für den Verbrauch potenziell nachteilig ist, weil der vordere Motor so nicht einfach ohne Strom mitlaufen kann. Im Test kamen wir auf Werte zwischen 17,5 und 28 kWh/100 km, wobei weniger als 19 kWh schon eine erhebliche Zurückhaltung erfordern. Dabei herrschten im Testzeitraum Ende August Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad, die Klimatisierung hatte also weder nach oben noch nach unten viel zu tun. Die Batterie lässt sich mit bis zu 22 kW an Wechselstrom und 150 kW an Gleichstrom laden. Das sind praxisgerechte Werte, mit denen sich die netto 75 kWh große Batterie vergleichsweise rasch befüllen lässt.

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Im Testwagen übernahm ein Teil der Klimatisierung der Insassen ein großes Glasschiebedach, dessen vorderer Abschnitt sich öffnen lässt. Die Luke ist so geschickt dimensioniert, dass weder Lärm noch Zugluft nerven. Schön wäre allerdings, wenn die vordere Kante der Öffnung etwas näher in Richtung Windschutzscheibe läge. Dennoch: Das Glasdach hat mir im nachfolgenden Testwagen sehr gefehlt. Erst da wurde mir bewusst, wie oft ich es im Volvo offen hatte.

Volvo XC40 Recharge Twin Innenraum (20 Bilder)

Auf den ersten Blick ist der XC40 ganz im typischen Volvo-Stil eingerichtet. Allerdings gab es gerade ein Upgrade ...
(Bild: Florian Pillau)

Den XC40 Recharge vermisste ich auch an anderer Stelle rasch. Volvo hat entschieden, sich im Bereich Infotainment in die Hände von Google zu begeben. Trotz mancher Schwäche ist die Entscheidung für Android Automotive eine gute. Die nahezu perfekte Sprachsteuerung und vor allem die Navigation via Google Maps inklusive der Online-Verkehrsmeldungen sind spitze. Sie lassen vieles, was Konkurrenten mit ihren selbst entwickelten Lösungen anbieten, geradezu amateurhaft wirken. Volvo hat sich damit aus dem Nirgendwo des eigenen Systems in die Topliga katapultiert. Wobei man sich immer vor Augen führen sollte, dass dieses Betriebssystem noch ziemlich am Anfang seines Entwicklungsstandes sein dürfte, wenngleich schon der beeindruckend ist.