Bundestagswahl 2021: Was bei Überwachung und Sicherheit passieren soll

Seite 2: Die Grünen

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"Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die Rechtsgüter vor realen Beeinträchtigungen schützt, konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt sowie eine verhältnismäßige Strafverfolgung gewährleistet", erklären die Grünen. Die Bevölkerung soll nicht "mit pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht" gestellt werden. "Sicherheitsgesetze müssen auf den Prüfstand, zukünftig auf valider Empirie beruhen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit regelmäßig unabhängig evaluiert werden." Die Partei will dazu eine Überwachungsgesamtrechnung aufstellen und laufend aktualisieren.

Überschneidungen mit CDU und CSU gibt es in diesem Teil des Programms der Grünen bei konkreten Instrumenten so gut wie keine: Den Einsatz biometrischer Identifizierung im öffentlichen Raum, wie etwa Gesichtserkennung, lehnen die Grünen ebenso wie "die undifferenzierte Ausweitung der Videoüberwachung, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung" und "generelle Hintertüren in digitalen Geräten und Anwendungen".

Auch das "Infiltrieren von technischen Geräten" etwa für Online-Durchsuchungen oder die Quellen-TKÜ soll es nicht geben. Der Parteivorstand hatte sich zunächst für eine Lizenz für Staatstrojaner im Bereich Strafverfolgung ausgesprochen, die Basis war aber dagegen. Es soll vielmehr eine Pflicht eingeführt werden, "Sicherheitslücken zu melden und aktiv auf ihre Behebung hinzuwirken". Unternehmen dürften nicht dazu verpflichtet werden, die IT-Sicherheit und Netzintegrität auf Kosten der Allgemeinheit zu gefährden.

Für ihre Aufgaben wie Prävention, Aufklärung und Strafverfolgung und den Schutz der Grundrechte wollen die Grünen aber generell die Polizei stärken und zwar "in der Stadt und auf dem Land, analog und digital". Sichere und leistungsfähige Datenverarbeitung, kombiniert mit mobiler IT und klar geregelten Kompetenzen, sei dafür eine Grundvoraussetzung. Freiheits- und Bürgerrechte will die Partei "nicht als Streichposten der Innenpolitik" behandeln, "sondern als ihre zentralen Schutzgüter".

"Wir werden die Kontrollbefugnisse der Bundespolizei so ausgestalten, dass sie nicht mehr zu Racial Profiling führen, und die Einführung sogenannter Ticketsysteme erproben, um Gründe für polizeiliche Kontrollen für die Betroffenen transparent zu machen", kündigen die Grünen an. Um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz zu verbessern, soll etwa Europol zu einem "Europäischen Kriminalamt" ausgebaut werden. Wegen der zunehmenden Vernetzung europäischer Informationssysteme "sind hohe Datenschutzstandards und eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes unabdingbar".

Den Verfassungsschutz werden die Grünen dem Plan nach "strukturell neu aufstellen": Der Inlandsgeheimdienst soll umgewandelt werden in ein "unabhängiges, wissenschaftlich aus öffentlichen Quellen arbeitendes Institut zum Schutz der Verfassung". Dazu kommen soll ein verkleinerte "Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr", das "mit rechtsstaatskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen Aufgaben arbeitet". Hier brauche es auch eine engere und effektivere parlamentarische Kontrolle.

Terror will die Partei entschieden bekämpfen – "durch effektive intersektional ausgerichtete Präventionsarbeit, bessere Vernetzung der Sicherheitsbehörden und eine konsequente Überwachung" sogenannter Gefährder. Dieser Begriff müsse aber erst europäisch abgestimmt definiert und mit rechtlich überprüfbaren Ein- und Ausstufungskriterien ergänzt werden.

Gute IT-Sicherheit ist für die Grünen ein wichtiger Standortfaktor. Durchgehende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützt ihnen zufolge Grundrechte, schafft Vertrauen in digitale Anwendungen und muss so zum Standard bei allen staatlichen IT-Vorhaben werden: "Wir fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation, stellen uns der Schwächung von Verschlüsselungstechnologien und -standards entgegen."

Gerade kritische Infrastruktur wie Stromnetze "muss besonders geschützt werden", unterstreichen die Grünen. Beim Ausbau von Netzen wie 5G will sie deren Integrität, die digitale Souveränität Europas und die Einhaltung der Menschenrechte sicherstellen. Nicht vertrauenswürdige Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten, dürften nicht beteiligt werden. Nötig sei ein Verbot für die Ausfuhr, den Verkauf und die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime.

Zudem wollen die Grünen die Entwicklung sicherer Hardware fördern: "Im Sinne der Nachhaltigkeit digitaler Produkte führen wir eine Verpflichtung zu einer angemessenen, risikoorientierten und benutzerfreundlichen Bereitstellung von Sicherheitsupdates ein."