FAQ zu LFP-Zellen in Elektroautos: Zukunft Eisenzeit?

Der Anteil der E-Autos mit LFP-Zellen in der Batterie steigt. Sie sind gĂĽnstig und robust. Doch wie sieht es mit Reichweite, Ladeleistung und SOC-Prognose aus?

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Smart #1

Die Basisversion des Smart #1 gehört zu den wenigen Elektroautos, die eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie haben. Doch die LFP-Zelle hat gute Chancen, ihren Marktanteil in den kommenden Jahren erheblich zu steigern.

(Bild: Smart)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

In China sind LFP-Zellen für Elektroautos längst der Favorit: LFP steht für Lithium-Ferro-Phosphat, hierzulande meist als "Lithium-Eisenphosphat" bezeichnet. Diese Zellchemie ist die einzige massenrelevante Alternative zu NMC. Das wiederum ist die Abkürzung für die Kathodenmischung aus den Materialien Nickel, Mangan und Kobalt. Was aber macht Traktionsbatterien mit LFP-Zellen so attraktiv – und wo liegen die Schwächen? Eine Übersicht ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Den Anfang hat Tesla mit den inzwischen namenlosen Basisversionen (früher SR+) von Model 3 und Model Y gemacht. Wer heute bestellt, bekommt LFP-Zellen, die meistens von BYD aus China zugeliefert werden. BYD produziert ausschließlich LFP-Zellen und setzt sie auch in den eigenen Fahrzeugen ein. Relevant ist bei BYD im Moment das kompakte SUV Atto 3; in Kürze folgen die Limousine Seal und der Golf-artige Dolphin.

Den preisgünstigen Einstieg machen Elektroautos mit LFP-Zellen außerdem beim MG4 aus dem SAIC-Konzern sowie bei Volvo EX30, Smart #1 und Zeekr X, die auf der Plattform SEA (Sustainable Experience Architecture) von Geely basieren. Mit Ausnahme des Tesla Model Y werden diese Elektroautos in China produziert. Das erste Elektroauto mit LFP-Zellen, dessen Wertschöpfung weitgehend in Europa stattfindet, ist der Citroën ë-C3 auf Basis der Plattform CMP Smart Car des Stellantis Konzerns. Sechs Derivate folgen dem ë-C3; den Anfang macht der verlängerte ë-C3 Aircross zum Jahresende. Zulieferer für die LFP-Zellen bei Stellantis ist SVOLT, ein chinesisches Unternehmen mit Produktionsstandorten in Europa.

Der Unterschied bei der Reichweite als Folge der reduzierten Energiedichte lässt sich durch einen Vergleich der Elektroautos mit LFP- oder NMC-Zellen zeigen. Beispiel Tesla Model Y: Mit LFP-Zellen hat es 455 km Normreichweite aus 60 kWh Energieinhalt, mit NMC-Zellen ergeben sich aus 77 kWh 533 km. Aus einem Plus von 28 Prozent beim Energieinhalt resultieren 24 Prozent mehr Reichweite. – das Model Y Dual Drive ist offenbar weniger effizient. [Korrektur: An dieser Stelle ist uns ein Fehler beim Vergleich unterlaufen, den wir korrigiert haben]

Die Basisversionen von Tesla Model Y und Model 3 haben den Anfang gemacht: Anders als in der Branche ĂĽblich sind sie nicht mit NMC-, sondern mit LFP-Zellen ausgerĂĽstet.

(Bild: Tesla)

Zwar lässt sich aus diesem Unterschied in den Batteriesystemen nicht exakt auf die Differenz in der Energiedichte der einzelnen Zelle schließen. Schließlich geht es immer auch um die Kosten; die Hersteller nutzen nicht zwangsläufig den maximalen Bauraum aus. Ein Trend ist trotzdem ablesbar: Im Volvo EX30 kommt die Version mit NMC-Zellen immerhin 38 Prozent weiter (475 zu 344 km), und im MG4 sind es 28 Prozent (450 statt 350 km).

Das kommt aufs Batteriesystem an. LFP-Zellen haben eine erheblich höhere Idealtemperatur als NMC-Zellen. Am besten sind etwa 40 Grad. Voraussetzung für eine schadenfreie Schnellladung im Winter ist also eine Vorkonditionierung der LFP-Zellen. Dieses gezielte Heizen hat Tesla perfektioniert: Wir konnten im Dezember 2023 bei einem Model Y reproduzierbar knapp 20 Minuten für den Ladehub von zehn auf 80 Prozent feststellen.

Lesen Sie einen Test des Tesla Model Y

Das entspricht ziemlich genau der C-Rate von 2,2, die das Portal CNEV Post als Standard für aktuelle LFP-Zellen von CATL reklamiert. Die von Tesla eingesetzten BYD-Zellen kommen vermutlich in ähnlicher oder identischer Form im BYD Atto 3 vor, wo die Werksangabe für den Ladehub von zehn auf 80 Prozent bei 44 Minuten liegt. Hier zeigt sich deutlich das umfangreiche Wissen, das Tesla beim Batteriemanagement angehäuft hat.

LFP-Zellen sind kälteempfindlich und darum auf ein Batteriesystem mit leistungsstarker Heizung angewiesen. Bei Tesla funktioniert das wunderbar. Wir konnten eine Ladezeit von knapp 20 Minuten für den Hub von zehn auf 80 Prozent feststellen. Dass es in diesem konkreten Fall (siehe Ladekurve) nicht ganz geklappt hat, lag an der auf 150 kW Leistung begrenzten Säule. Leider ist Tesla zurzeit eine Ausnahme bei der Steuerung der LFP-Zellen. A

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Eine hohe Ladeleistung ist folglich nicht nur eine Frage der Zellchemie, sondern auch des Heiz- und Kühlsystems sowie der Softwaresteuerung. CATL hat unterdessen mit der Produktion der Shenxing Superfast Charging LFP Battery begonnen: Die C-Rate beträgt 3,6. Diesen Wert rundet CATL in der Außendarstellung zu 4C auf. In der Praxis dauert ein Ladestopp also eine runde Viertelstunde oder weniger.

Jein. Zwar ist das Spannungsfenster bei LFP-Zellen formal ähnlich groß wie bei NMC-Zellen. Aber: "Die Spannungskurve von LFP-Zellen hat ein sehr langes Lade- und Entladeplateau", erklärt Anna Weichert, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Fachgruppe Zelldesign an der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB in Münster. Bei NMC-Zellen dagegen sei der Verlauf linear, was die SOC-Prognose (für State of Charge) erheblich verbessere. In der Lebenswirklichkeit funktioniert das bei Tesla sehr gut. Bei anderen Elektroautos mit LFP-Zellen wie etwa dem BYD Atto 3 oder dem Smart #1 haben Nutzer aber feststellen müssen, dass die Restreichweite bei einem niedrigen SOC plötzlich einbricht. Warum passiert das bei Tesla nicht?

Der Citroën ë-C3 hat als einziges Elektroauto mit LFP-Zellen eine durchgehend europäische Wertschöpfung (Tesla importiert BYD-Zellen). Auf Basis der CMP Small Car des Stellantis-Konzerns folgen sechs weitere Derivate. Die Kernfrage ist, ob das Batteriesystem dieser Plattform eine leistungsstarke Heizung hat.

(Bild: Citroën)

Dafür gibt es mutmaßlich zwei Gründe: Zum einen hat Tesla wahrscheinlich einen größeren Puffer am unteren Ende des Ladestands gelassen, also gewissermaßen weniger Netto vom Brutto genommen. Zum anderen, und das ist mindestens genauso wichtig, kann der tatsächliche Ladestand über die Berechnung statt über die Messung ermittelt werden. Dieses Verfahren dürfte auch der eigentliche Grund sein, aus dem Model Y und Model 3 die Fahrer auffordern, einmal pro Woche auf 100 Prozent zu laden – daraus ergibt sich nämlich die präzisere Rechenbasis.

Anders als beim Schichtoxid der Mischung aus Nickel, Mangan und Kobalt wird mit dem Kathodenmaterial Eisenphosphat kein Sauerstoff frei, wenn es zu einem Brand kommt. Das Risiko des thermischen Durchgehens ist dadurch äußerst gering. Die Autoindustrie kann bei der Steuerung der Batteriesysteme mit LFP-Zellen mehr ins Risiko gehen. Die grundsätzlich höhere Zyklenfestigkeit ist ein weiterer Grund, der es ermöglicht, die LFP-Zellen tendenziell stärker belasten zu können.

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Ja. Das liegt an den Materialien: Eisen und Phosphat kosten weniger als Nickel und Kobalt. Allerdings ist die Zellchemie immer eine Mischung aus vielen Werkstoffen, und die Handelspreise zum Beispiel von Lithiumhydroxid sind in den letzten Jahren sehr volatil gewesen. Das Portal CNEV Post nennt umgerechnet rund 52 Euro pro Kilowattstunde. Das gilt wohlgemerkt für die einzelne LFP-Zelle, nicht fürs komplette Batteriesystem, und die Kosten beim Autohersteller sind etwas anderes als der Preis beim Kunden. Eine üppige Traktionsbatterie mit 100 kWh Energieinhalt würde bei den Zellkosten demnach nur gut 5200 Euro verursachen.

Typisch für die derzeitige Strategie vieler Hersteller ist Volvo: Die Basisversion des EX30 kommt mit LFP-Zellen, alle anderen bauen auf NMC-Zellen. Die Reichweite mit LFP ist geringer. Im Gegenzug ist die Zyklenfestigkeit höher, und es gibt faktisch kein Risiko des thermischen Durchgehens.

(Bild: Volvo)

Dass der Anteil von Elektroautos mit LFP-Zellen in Deutschland kontinuierlich steigen wird, hat zwei wesentliche Gründe: Es ist die Kombination aus niedrigen Kosten und der Marktmacht chinesischer Batterieproduzenten, die LFP-Zellen in diesem Jahrzehnt immer erfolgreicher machen wird. Die Robustheit bei gleichzeitiger Angstfreiheit vorm Thermal Runaway machen LFP-Zellen zur idealen Anwendung in mobilen und auch stationären Anwendungen. Der erwartbare Abstrich kommt von der Autoindustrie selbst: Wenn ein Hersteller etwa auf ein leistungsstarkes Heiz- und Kühlsystem verzichtet, um im Niedrigpreissegment Kosten zu sparen, wird er spätestens im ersten Winter die Fahrer verärgern.

(mfz)