Missing Link: Bewahrer der Reserven knapper IP-Adressen (Axel Pawlik)

Seite 10: Die Nummernvergabe könnte jeder machen

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heise online: Wie stark ist eine Selbstverwaltung wie RIPE, die mal als nicht-kommerzielles Community Projekt gestartet ist, heute marktgetrieben?

Pawlik: Meine Haltung dazu war bei meinen Mitarbeitern nicht beliebt, aber ich habe immer gesagt, wenn wir es nicht gut machen, mögen uns die Leute nicht. Wenn sie uns nicht mögen, gründen sie eine andere Veranstaltung, und wir können einpacken. Und so sollte es auch sein. Wenn die Mitglieder meinen, jemand anderer kann den Job viel besser machen, müssen wir uns fügen. Wir sollten im eigenen Interesse versuchen, einen vernünftigen Dienst zu vernünftigen Preisen zu erbringen. Natürlich sind wir ein Monopol, da wirtschaftet es sich einfacher. Trotzdem, als die Internetblase platzte, habe ich den RIPE NCC-Mitarbeitern gesagt, dass wir die Gehälter nicht einfach jedes Jahr um 5 Prozent erhöhen können, wenn die Mitglieder da draußen ihre Kollegen entlassen müssen. Wenn wir darstellen können, dass es für das Geld einen vernünftigen Gegenwert gibt, dann geben uns die Mitglieder, was sie können. Die Debatte über die Mitgliederbeiträge ist übrigens gerade Thema einer neuen Taskforce beim RIPE, weil manche vom einheitlichen Mitgliedsbeitrag weg wollen.

heise online: Wie gut schneidet denn die Selbstverwaltung gegenüber einer Regulierungsbehörde ab? Könnte beispielsweise eine Bundesnetzagentur die Nummernvergabe machen?

Pawlik: Interessante Frage. Also die Nummernvergabe kann jeder machen, das ist einfach. Es wäre vermutlich teurer, wenn es die öffentliche Hand machen würde. Schwieriger wird es beim Betrieb der Netzwerke, der Root Server. Da bräuchte man eben auch entsprechend qualifizierte – und bezahlte – Mitarbeiter. Warum sollte das eine Behörde machen? Der Vorteil der Selbstverwaltung ist meiner Meinung nach, dass sie etwas versteht von den Nöten und Bedürfnissen Ihrer Mitglieder. Wir sind nicht irgendeine namenlose oder gesichtslose Bürokratie, zumindest nicht für die, die aktiv sind in der Community. Wer weit draußen sitzt und kein Interesse an der Selbstverwaltung hat, für den sind wir lästige Bürokraten. Der will nur Adressen. Andere Leute bekommen ihre Probleme gelöst. In dieser Abteilung ist die Selbstverwaltung besser, auch weil die Mitglieder einen stärkeren Zugriff auf die Organisation haben.

heise online: Könnte denn umgekehrt die Selbstverwaltung ein Modell für die Vergabe von Frequenzen, etwa 5G-Frequenzen, sein?

Pawlik: Klar.

heise online: Und wäre das billiger?

Pawlik: Vermutlich. Ja, warum nicht. Wir sind als Internet zu einer Zeit gekommen und auf eine Art und Weise aufgetaucht, die es uns ermöglicht hat, diese seltsamen Organisationsformen zu wählen. Kurze Wege, direkte Basisdemokratie, oder nein, das ist es nicht, sondern Industrieselbstverwaltung. Bei den Frequenzen hat es das nicht gegeben, da waren es eben internationale Verträge, ITU und eher Top-Down-Verfahren.

heise online: Wie siehst du die Zukunft des Internets?

Pawlik: Also, das Internet hat eine Zukunft. Ob die schönen Modelle, die wir im Moment haben, langfristig, was immer das ist, bestehen, das kann ich nicht sagen. Seit 20 Jahren gibt es Begehrlichkeiten. Ob man diesen widerstehen und welche internationale Koalition man finden kann, um das zu stabilisieren, das ist nicht meine Wissenschaft.

heise online: Da sind wir bei der aktuellen Debatte, soll die EU nun Root Server der NIS-Richtlinie regulieren?

Pawlik: Genau. Manchmal finden wir Gehör dort und die RIRs und das RIPE Team mit Leuten haben einiges erreicht. Denken wir an die IANA Herauslösung aus der US-Aufsicht. Das war denkbar knapp. Auch der Blick auf Europa macht mich zuweilen etwas depressiv. Das betrifft nun nicht so sehr das Internet als die politische Entwicklung insgesamt.

(tiw)