Missing Link: Bewahrer der Reserven knapper IP-Adressen (Axel Pawlik)

Seite 9: Adressentzug dank Sanktionspolitik

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heise online: Zurück vom individuellen Umgang zu einem heiklen politischen Thema. Wie kann das RIPE mit Sanktionen umgehen?

Pawlik: Was wir sehen, ist eine weitere Wahrnehmung dessen, was wir tun. In den frühen Jahren kannte uns außerhalb der RIPE Community doch kaum jemand. Inzwischen besuchen uns Staatspräsidentinnen und Regierungschefs. Heute wird die Community gesehen und es gibt Leute, die sagen, warum geben die ISIS Nummern? Warum dürfen Firmen aus dem Iran euch Geld schicken? Da gibt es doch Sanktionen. Aus unserer Sicht geht es um Kommunikation und Telefonnummern gibt es ja auch. Wir haben uns immer auf den Standpunkt gestellt, was wir tun, fällt nicht unter Sanktionen. Wir mussten ganz praktisch überlegen, sollen wir den Kollegen aus dem Iran empfehlen, Säcke voller Geld mit zum Treffen nach Amsterdam zu bringen oder sollen wir deren Beiträge für die Mitgliedschaft auf Jahre hinaus stunden.

heise online: Iran gehört zu eurem Versorgungsgebiet als RIR.

Pawlik: Genau. Wir wollen denen unsere Services bieten, und wenn sie das Geld nicht schicken können, können sie es nicht schicken. Da können die ja nichts dafür. Wir haben versucht, generell Ausnahmen von EU- oder holländischen Sanktionen zu bekommen. Wenn Firmen selbst auf der Sanktionsliste stehen, müssen wir uns aber dran halten.

heise online: Ruft ihr dann vergebene Adressen zurück?

Pawlik: Ja. Die Betroffenen gehen dann zu einem Upstream-Provider und holen sich lokale IP-Adressen. Viel mehr iranische Operatoren sind aber eben vom Problem betroffen, dass ihre Banken von der Sanktionspolitik erfasst sind. Wenn holländische Banken die Mitgliedsbeiträge nicht mehr annehmen, kommt das Stunden von Beiträgen ins Spiel.

heise online: Dieses Problem bleibt Euch erhalten, auch Afghanistan und die Taliban sind nun Gegenstand von Sanktionen.

Pawlik: Genau. Damit muss sich allerdings APNIC herumschlagen, Iran ist unseres, Irak auch, aber Afghanistan ist APNIC. Was es auch nicht besser macht.

heise online: Bräuchten die RIR ein Status als spezielle Organisation, die nicht von Sanktionen betroffen sind?

Pawlik: Es wäre schön, wenn man so einen special Status bekommen könnte. Unsere Rechts- und Kommunikationsleute haben daran gearbeitet. Aber da ist man noch nicht. Vielleicht sollten wir uns ja doch einen großen Dampfer kaufen und in internationalen Gewässern rumschippern (lacht).

heise online: Was hat das RIPE mehr verändert, die zunehmende Politisierung des Internet -Governance-Prozesses oder der enorme Mitgliederzuwachs, den die Knappheit und das Auslaufen von IPv4-Adressen Euch beschert hat?

Pawlik: Der Mitgliederzuwachs ist mir eigentlich wurst. Denn viele von den neuen Mitgliedern waren Pseudomitgliedern. Neu ist, dass man auf Teufel komm raus die Policys auszureizen versucht, also wenn ich keine Adressen bekommen kann, dann mach ich drei neue Firmen mit meinen Cousins auf, ist doch egal, nur gib mir Adressen. Das hat das Klima rauer gemacht. Es gibt viel mehr Eigennutz, den es in Zeiten des Überflusses nicht gegeben hat. Die Adressen hatten früher eigentlich keinen Wert. Heute, au weia. Heute sind die rar und wenn die Leute Geld bezahlen, da kann ich wenig dagegen tun. Möglicherweise hat das das Potential, dass noch mehr politische Aufmerksamkeit geweckt wird.

heise online: Irgendwann sollten die Preise ja purzeln, wie lange dauert das noch?

Pawlik: Frag mal Geoff Huston, aber nimm ein Taschentuch mit. Der hat immer diese dystopischen Prognosen. Aber wir hoffen, dass die Preise für IPv4 dann purzeln, klar.

heise online: IPv6 kommt ja schon sehr lang ...

Pawlik: In meinem Einstellungsgespräch wurde mir mitgeteilt, dass eine Herausforderung des Jobs sein wird, dass wir nun auch IPv6 vergeben müssen. Das haben wir dann auch gemacht. Hat aber nicht geholfen.