Missing Link: Bewahrer der Reserven knapper IP-Adressen (Axel Pawlik)

Seite 3: Das Internet hat sich verselbstständigt

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heise online: Welche Alternativen hätte es damals gegeben?

Pawlik: Ich hatte ein paar exotischere Ideen. Zum Beispiel, warum nicht einen Verein, etwas Gemeinnütziges, eine Genossenschaft? Da hatte ich den Amateurfunk im Hinterkopf. Mittlerweile hat sich das Internet, gerade in den USA, verselbständigt. Die Uni war uninteressiert. Letztendlich ist es bei der einfachen GmbH geblieben. Ich fand es fair, die hart arbeitenden Kollegen zu befragen, ob sie sich beteiligen wollten, stieß aber auf wenig Interesse; von unserem Uni-Team waren es dann nur Mark Sheldon, Andreas Schachtner und ich, die das Risiko eingehen wollten. Das ausgegründete Eunet lief dann gut, bis meine Sparkasse auf uns zukam und sagte, Herr Pawlik, Herr Schachtner, wir verstehen nicht so recht, was Sie machen mit diesem I-Dings und wir wollen der Sache auch nicht nähertreten. Also mussten wir uns überlegen, was wir tun. Denn natürlich hatten wir immer mehr Angestellte und immer teurere Standleitungen, Rechnerinfrastruktur — und dann hatte die Uni weiterhin für die von uns noch genutzte Datex-P-Leitung bezahlt, ohne uns die Rechnung zu schicken. Das musste auch bereinigt werden.

heise online: Habt ihr auch noch Uniräume genutzt?

Pawlik: Da kommt Harald Summa, der heutige DE-CIX-Geschäftsführer, ins Spiel. Dr. Peter hatte mir in der Ausgründungsphase geraten, mich in der Raumfrage an Summa zu wenden. Der hatte gerade das Software Industry Support Zentrum gegründet und dafür im Technologiezentrum einen Flur angemietet. Da mieteten wir uns ein und brachten ihm gleich noch das Internet nahe. Wir wuchsen zwar weiter, aber die Sorgen, wie ich die Gehälter bezahlen soll, wuchsen auch. Wir beschlossen, dass wir das nicht alleine stemmen können. Die Bank wollte nicht mitspielen. Wir waren einfach sechs, sieben Jahre vor der Internetblase. Nach langen Diskussionen und einigem Hin-und-Her, haben wir letztlich Siemens, RWE und die Deutsche Bank als SNI-Konsortium mit ins Boot genommen.

heise online: Wie viel haben sie investiert?

Pawlik: Das weiß ich nicht mehr. Eine Zeit lang haben die relativ zufrieden mit gemacht. Aber durch die neuen Gesellschafter ergeben sich gleich andere Realitäten und Prioritäten. Es zählte weniger, dass man am Ende des Monats die Gehälter zahlen kann, als dass die Vertriebspläne eingehalten werden. Es fing dann an intern zu knistern. Das ist unangenehm, selbst in einem kleinen Team.

heise online: Du hast dich auskaufen lassen. Bist du zu früh raus?

Pawlik: Später habe ich mir tatsächlich gesagt, hättest du mal gewartet, dann wärst du jetzt reich. Aber der nächste Gedanke war, ich wäre jetzt steinreich, hätte aber meine dritte Familie. Es war einfach nicht mehr mein Eunet. Das war anders als in der Zeit, in der sich die nationalen Eunets noch darum gestritten haben, wer mehr bezahlen durfte für den Betrieb des zentralen Knotens in Amsterdam und die Interkontinental-Leitung (lacht).

heise online: Da gab es Auktionen?

Pawlik: Ja. Das hat mir sehr gut gefallen. Weil wir in Deutschland gut ausgestattet waren und die Uni auch nicht so genau drauf schaute, konnten wir mehr einzahlen. Das hat die Franzosen dann veranlasst, auch mehr bezahlen wollten, und die Engländer und so weiter. Wenn wir den anderen helfen müssen, dann müssen wir den anderen helfen, etwa mit Software. Das wurde später auch eine Grundphilosophie beim RIPE. Das hat Spaß gemacht.

heise online: Wäre heute eine Entwicklung, wie Eunet sie genommen hat, noch möglich an einer deutschen Uni?

Pawlik: Ich glaube, ja. Heute gibt es die ganzen Breeder Labs und Start-up-Zentren. Vielleicht geht das heute sogar besser. Denn in den späten 80ern und 90ern war die Uni noch Universität – da wollte man von dem kommerziellen Zeug nichts wissen. Sicher ist, ohne jemanden wie Dr. Peter wäre die Internetentwicklung in Dortmund so nicht passiert. Er ist der Held, der das alles ermöglicht hat.