Missing Link: Bewahrer der Reserven knapper IP-Adressen (Axel Pawlik)

Seite 2: Zivildienst als Start in die Informatiker-Karriere

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heise online: Du hast Zivildienst im Gemeinschaftskrankenhaus in Herdecke gemacht – offenbar eine Gemeinsamkeit vieler UniDo-Informatiker.

Pawlik: Vielleicht weil es anders war. Es war ein anthroposophisches Krankenhaus mit eigener IT-Abteilung, in der es immer Plätze für angehende Informatiker gab. Zivildienst musste man ja irgendwo machen und als Nerd sah man sich eher nicht direkt in der Pflege. Weil sich fast eine Tradition von UniDo-Zivis entwickelte, konnte man die Kommilitonen fragen, wie es da so war. Weil die IT-Abteilung in meinem Jahrgang voll besetzt war, habe ich mich übrigens nach einigem Zögern letztlich doch für die Pflege entschieden. Den Platz in der IT-Abteilung hatte zu der Zeit übrigens Rüdiger Volk. Der verlor sein Notenblatt – er sang da im Chor – auf dem sein Name stand, vor unserem Schwesternzimmer… Ich bin Rüdiger dann später bei der Internet Rechner Betriebsgruppe (IRB) wieder begegnet; da saß er ein Zimmer weiter, und natürlich auch Daniel Karrenberg, der vor uns im Krankenhaus in Herdecke war. Daniel war es auch, der mir den Job bei der von Dr. Peter geleiteten IRB vermittelt hatte, und so trafen wir uns alle wieder.

heise online: Was war dein Job?

Pawlik: Ich hatte den Job des Postmasters angeboten bekommen und wusste nicht so recht, was das ist. Aber ich dachte, E-Mail ist international mit Leuten aus aller Welt kommunizieren, also Amateurfunk auf anders (lacht). Letztlich ging es um die Betreuung der 'Teilnehmer' und es war viel Learning by Doing dabei. Sehr gefürchtet war das Überspielen von UUCP, das passierte auf alten PDP 11-Computern im Keller. Wir haben die Software auf Bänder gespielt und dann verschickt, damit die Leute lokal ihre Systeme aufsetzen konnten. Oft durfte man den Überspielvorgang wiederholen, weil er abgebrochen war, und dann stand man da stundenlang im Keller.

heise online: UUCP-Konfigurationen wurden auf Bändern verschickt?

Pawlik: In großen wattierten Umschlägen. Auch Sendmail konfigurieren war so eine Aufgabe und auch das wurde da mitgeschickt. Daniel war zu der Zeit schon in Amsterdam; die neue Generation in Dortmund machte sich die Dinge zu eigen. So habe ich dann z.B. die Sendmail-Konfiguration komplett umgeschrieben — und, oh Wunder, es hat noch funktioniert. Außerdem haben wir das menschliche Networking vorangetrieben. Wir sind zu Treffen der German Unix User Group und der European Unix User Group gefahren. Dass wir das damals in der Form konnten, dass uns der Chef gelassen hat, dass wir das mit dem Geld, das Eunet abgeworfen hat, finanzieren durften, das war toll und alles andere als selbstverständlich.

Anfang 1989 ging an der Universität Dortmund einer der ersten deutschen Interanschlüsse in Betrieb. Die Datendosen waren bis 1990 das Tor in die digitale Welt.

(Bild: Monika Ermert / heise online)

heise online: Eunet, der spätere Internetprovider, den gab es damals schon Uni-intern, richtig?

Pawlik: Ja. Es hieß auch schon Eunet und lief als Drittmittel-Projekt. Unsere Freunde in den USA waren UUnet. EUnet hatte den Zentralknoten beim CWI in Amsterdam, den sich die vielen lokalen Eunets in den europäischen Ländern geteilt haben. Wir hatten Teilnehmer in Universitäten, Forschungsinstituten. Ein paar Firmen waren angeschlossen, das Zentrum für nosokomiale Infektionen der Charité. Der Schwerpunkt war allgemein akademische und eben Forschungseinrichtungen von Firmen wie Siemens oder Nixdorf.

heise online: Wann wurde die Ausgründung von Eunet unumgänglich?

Pawlik: Es wurde immer deutlicher, wir müssen etwas tun, wenn wir das richtig machen wollen. Das Projekt einfach weiterlaufen zu lassen an der Uni war wenig Erfolg versprechend. Denn als das Internet langsam abhob, waren unsere Standleitungen – wir sprechen hier von 9,6 oder 19,2 kbit/s-Leitungen – ewig voll. UUCP lief nachts, okay, das störte keinen. Mail ging auch immer irgendwie durch. Aber unsere Kundschaft wollte dann natürlich ins Internet und dafür brauchten sie einen einigermaßen performanten Service. Manche wurden böse, denn sie haben ja dafür bezahlt – und im Prinzip hatten wir das Geld, um eine doppelt so große, oder auch viermal so große Leitung einzukaufen. Weil das aber immer durch die Univerwaltung gehen musste, dauerte das jeweils so lang, dass die neuen Leitungen immer sofort vollliefen, wenn wir sie endlich hatten.

heise online: Es hat lange gebraucht, weil die Standleitungsverträge von der Uni abgesegnet werden mussten?

Pawlik: Genau. Die Uni-Verwaltung wusste im Prinzip nicht mehr, als dass da irgendwie Geld reinkommt und auch wieder rausgeht. Für einen normalen Verwaltungsmenschen an der Uni dürfte es recht riskant ausgesehen haben, einen Vertrag für eine teure Leitung bei der Bundespost zu unterschreiben. Denn letztlich musste der Betreffende darauf vertrauen, dass das Geld auch wirklich wieder reinkam und nicht womöglich noch aus dem normalen Unihaushalt bezahlt werden musste. So kam es, dass jede neue Leitung schon unterdimensioniert war, wenn wir sie endlich hatten. Das macht man ein paar mal mit. Dann weiß man, so geht es nicht weiter. Wir fingen also an, uns die Frage zu stellen, ob wir ein kommerzieller Dienst werden wollten. Ich hatte eigentlich auch viele andere Ideen, wie man das nicht-kommerziell aufsetzen könnte. Letztendlich haben wir aber beschlossen, eine GmbH zu gründen.