Missing Link: Bewahrer der Reserven knapper IP-Adressen (Axel Pawlik)

Seite 8: Ausgleich der Interessen ist Herausforderung des Jahrzehnts

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heise online: Du sprichst hier natürlich von den Strafverfolgern.

Pawlik: Zum Beispiel. Da hat sich die Umgebung verändert. Diese Veränderung muss man auch den langjährigen Mitgliedern nahebringen. Denn wenn wir nicht anerkennen, dass auch Strafverfolger, Polizeibeamte und ähnliche ein legitimes Interesse hat, bekommen wir ein Problem. Es wäre schön, wenn sich auch in Fragen wie Whois-Zugriff die Beteiligten in einem ordentlichen Policy Process auf einen Kompromiss einigen könnten: Wem darf man unter welchen Umständen Zugriff gewähren? Da finde ich so Initiativen wie das Internet Jurisdiction Project ganz hilfreich. Das hat versucht, Common Joint Practices zu entwickeln. Wer die Voraussetzungen erfüllt, sich zu akkreditieren – und ein nicht rechtsstaatlich agierendes Land fällt da durch –, hat automatisch mehr Zugriffsmöglichkeiten. Die Community ändert sich, sie wird diverser und der Ausgleich der Interessen ist die Herausforderung des Jahrzehnts.

heise online: Bei Diversity denkt man an die Debatten zum Thema Nerds, Frauen, Transgender ...

Pawlik: Ja. Die MeToo-PlusPlus-Debatte wird geführt, das ist klasse und hat auch mich extrem sensibilisiert. Diversität und institutionelle Diversität sind wichtig. Es ist eben so, dass Polizei und Staat lange nicht als Teil der Community verstanden wurden.

heise online: Wie gut hat man sich denn da arrangiert? Und muss man den Regierungsvertretern und Strafverfolgern wirklich die Extrawurst der geschlossenen Roundtables braten, obwohl es extra eine Arbeitsgruppe für Fragen der Zusammenarbeit von öffentlichen Stellen und RIPE-Mitgliedern gibt?

Pawlik: Du spielst auf die secret, secret WGs an (lacht). Ja, es ist etwas heikel, das zu machen, wo beim RIPE doch normalerweise alles offen ist. Aber in den offenen Runden wollten sich die Regierungsvertreter oft nicht äußern. Es war natürlich für uns auch nicht angenehm, nach Brüssel bestellt zu werden und uns die Frage anhören zu müssen, warum die Vertreterin von Europol beim RIPE Meeting dumm angemacht wurde.

heise online: Ging es da um die fehlgeschlagenen Versuche von Europol, eigene Policy Vorschläge einzubringen?

Pawlik: Es ging um diese Treffen und wir haben natürlich vertreten, dass Policy Proposals nicht zwangsläufig immer von einer Mehrheit akzeptiert werden. Damit müssen alle rechnen. Aber wenn die vorschlagende Beamtin sich dann sagen lassen muss, sie sei doch verrückt und das sei alles Banane, wird es schon schwieriger.

heise online: Ist das so ungewöhnlich, ähnlich harte Auseinandersetzung gibt es ja durchaus innerhalb der Community?

Pawlik: Ja, und auch da ist es nicht ok. Daher hat sich das RIPE ja auch einen Code of Conduct für den respektvollen Umgang gegeben. Nur weil da eine Vertreterin von Europol auf der Bühne steht, kann man sie nicht so abbügeln, ohne dass der Sitzungsleiter eingreift. Vielleicht konnte die Betreffende selbst sogar damit umgehen, denn es war nicht ihr erstes RIPE-Meeting. Aber ihre Vorgesetzten, die das vielleicht im Stream verfolgt haben, sehen das eben anders. Ich finde den Code of Conduct gut, auch wenn etwa jemand wie unser Gründungsvorsitzender Rob Blokzijl das immer unnötig fand. Er meinte, es reicht zu sagen, benehmt Euch doch bitte. Aber ich musste mir als RIPE-NCC-Chef durchaus Klagen anhören, dass die RIPE-Dinner solange Spaß machen, bis immer der gleiche Typ ankommt und einen befummeln will.