Missing Link: Bewahrer der Reserven knapper IP-Adressen (Axel Pawlik)

Seite 6: Adressverwaltung weltweit

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heise online: Afrinic ist ja das jüngste NIC. Ist RIPE eigentlich die erste Regional Internet Registry?

Pawlik: Nein. Die Amerikaner waren zuerst da, in irgendeiner Aufstellung, also SRINIC. Dann kamen wir als RIR, dann kam APNIC für Asien und den pazifischen Raum und dann ARIN in der jetzigen Form. Dann kam lang nichts und dann kamen LACNIC und AfriNIC.

heise online: Afrika war früher vom RIPE mitbetreut, richtig?

Pawlik: Die obere Hälfte, und die untere Hälfte hat Arin gemacht, wie auch Latein- und Südamerika.

heise online: Wie wurde das gemacht, wie hat man entschieden, welches RIR welche Hälfte von Afrika macht?

Pawlik: Ganz einfach, man hat einen Strich auf der Landkarte gemacht (lacht). Also, ich war nicht dabei. Aber traditionell sahen Nordafrika und der Mittelmeerraum sich zu Europa zugehörig und Südafrika zu den USA, dorthin gingen auch die Leitungen.

heise online: Kommen wir kurz zum Verhältnis der RIRs zur ICANN. Zu den ICANN-Aufgaben gehört ja auch die Vergabe der IP-Blöcke an die RIRs. Da knirschte es zeitweilig so, dass die RIRs schon mal eine eigene Dachorganisation gründeten, die Number Resource Organisation, NRO, um den IP-Adresspart möglicherweise selbst zu übernehmen. Was hat die RIRs dazu gebracht?

Pawlik: Ich habe mich da immer sehr diplomatisch ausgedrückt und gesagt, die NRO wurde gegründet, um die globale Verteilung der IP-Adressen sicherzustellen. Das macht aktuell die IANA, und IANA macht das auch gut. Aber, wenn beim nächsten großen Erdbeben die IANA ins Meer gespült wird, muss das ja weitergehen. Natürlich hatten wir nicht nur ein natürliches Erdbeben im Kopf dabei, sondern auch geopolitische Verwerfungen oder Differenzen mit der ICANN; und indirekt war es schon auch die Ansage, dass wir uns vorstellen konnten, die globale IP-Adressverteilung selbst zu machen.

heise online: Was war der Anlass?

Pawlik: (lacht) Ich könnte mir vorstellen, der Anlass war, dass ein bestimmter IANA-Manager bei der ICANN, vor langer Zeit, extrem lang gebraucht hat, den RIRs weitere IPv6-Adressblöcke zuzuteilen. Das entsprach nicht unserer Interpretation der existierenden Prozesse, und das löste die Überlegung aus, wenn wir unseren Job nicht machen können, weil die ICANN – oder die von der ICANN betriebene IANA – ihren Job nicht macht, dann müssen wir reagieren. Unsere Einschätzung der Lage, dass die Operators und die Internet-Community weltweit uns vertrauen und wenn wir sagen, das sind die Adressen, dann glaubt man uns das. Das war die Zeit, in der wir uns mit der ICANN wirklich noch mehr gekeilt haben. Im Lauf der Jahre wurde es besser und wir positionierten uns klar als Betreiber der Adress Supporting Organisation (ASO) der ICANN, mit möglichst wenig Belastung durch sonstige ICANN-Bürokratie. Das wollen wir uns nicht leisten müssen und wir brauchen es nicht. Denn wir betreiben unsere Selbstverwaltungs- und Bottom-Up-Prozesse selbst. Die ICANN sollte Blitzableiter und Schirm sein. Im Lauf der Zeit hat sich das Verhältnis zwischen RIRs und ICANN dann verbessert, die ICANN war zufrieden, dass das mit der Adressvergabe problemlos – und ohne Anwälte – einfach lief.

heise online: Was unterscheidet denn nun die befürchtete RIPE-Bürokratie – du sagtest ja selbst, da gab es viel Misstrauen – von der befürchteten ICANN-Bürokratie?

Pawlik: ICANN ist schrecklich mutiert. Das war ja geplant als ICANN-P, Internet for Assigned Names, Numbers and Protocols.

heise online: Anfangs gab es in ICANN die Protocol Supporting Organization, mit IETF, ETSI und ITU.

Pawlik: Genau. Die waren dann ziemlich schnell weg. Dann waren noch Names und Numbers. Die Numbers, die waren doch eher pflegeleicht, die entsprechenden Policys werden in den RIR-Communitys gemacht, nicht bei ICANN. Also blieben die Names. Ich erinnere mich an die Diskussion der ersten Tranche neuer TLDs in Los Angeles und ich dachte: Warum braucht man .info, .biz, .aero? Das ist doch Geldschneiderei. Das sind Leute, die Anwälte bezahlen, oder Anwälte selbst. Nichts gegen Anwälte, aber vielleicht bin ich da zu sehr Traditionalist. Ich finde die Country Code Adressen (ccTLDs) gut, also .de oder .nl. Warum kann Mercedes-Benz nicht mercedesbenz.de haben? Brauchen wir .berlin oder .africa tatsächlich?