Missing Link: Das Konzept der Schwammstadt

Seite 2: "Ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft"

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Während Regenwasser also traditionellerweise über das Kanalsystem in Flüsse, Seen oder das Meer abgeleitet wird, soll es in einer Schwammstadt vor Ort gespeichert und bei Trockenheit wieder abgegeben werden, und zwar am besten dort, wo es benötigt wird, also in Grünflächen oder an Bäumen.

Die Kanäle sind nun aber einmal da und das System ist eingespielt, man kann es nicht von heute auf morgen umstellen. Außerdem: Was in der einen Stadt funktioniert, ist in einer anderen vielleicht gar nicht möglich, wegen des Untergrundes, weil es zu viele oder zu wenig Gewässer in der Stadt gibt, oder auch wegen der klimatischen Bedingungen.

Darum gibt es viele regionale Projekte zum Thema Schwammstadt. Das Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt Kommunen bei der Entwicklung und Erprobung von Projekten zum nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, insgesamt zwölf Projekte der Fördermaßnahme "Ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft" (RES:Z) befinden sich laut BMBF seit 2018 in der Forschungs- und Entwicklungsphase. "Mit dem Thema Schwammstadt befassen sich zentral die RES:Z-Projekte BlueGreenStreets, Leipziger BlauGrün und TransMiT. Weiterhin wird das Thema in Teilaspekten in den RES:Z-Projekten 'R2Q' und 'Straße der Zukunft behandelt'", so ein Sprecher des BMBF.

In über 20 Modellkommunen hat eine Umsetzungs- und Verstetigungsphase begonnen, in der die Ergebnisse pilothaft erprobt werden. Das Ganze wird einem wissenschaftlichen Querschnittsprojekt begleitet, das die inhaltliche Vernetzung, die Kommunikation nach außen und den Transfer in die kommunale Praxis unterstützen soll. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt befindet sich das Projekt 'Leipziger BlauGrün' noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase; eine weiterführende Umsetzungs- und Verstetigungsphase ab kommendem Jahr wird derzeit vorbereitet. Die Projekte 'BlueGreenStreets' und 'TransKOM' (Nachfolge 'TransMiT') befinden sich bereits in der Umsetzungs- und Verstetigungsphase", so der BMBF-Sprecher. "Die Fördersumme der drei Projekte, die im Rahmen der Fördermaßnahme RES:Z schwerpunktmäßig dem Thema Schwammstadt zugeordnet werden können, beträgt für beide Förderphasen etwa 11,5 Millionen Euro."

Berlin hat das Thema recht früh erkannt, kein Wunder: Ungefähr 66 Prozent der Niederschläge verdunsten, 22 Prozent versickern, 11 Prozent werden über die Kanalisation weggeführt. Außerdem ist es in Berlin besonders trocken; auch im Jahr 2021 war die Region mit rund 560 Litern Regen je Quadratmeter erneut die trockenste Region in Deutschland. Andererseits gibt es durch den Klimawandel immer mehr Starkregenereignisse – und Berlin ist, so der Tagesspiegel, dagegen besonders schlecht geschützt: von 2002 bis 2017 gab es bundesweit 8.411 Starkregenereignisse, davon 31 in Hamburg, 22 in Bremen und 27 in Berlin. Aber in Berlin war ein besonders hoher Anteil an Gebäuden betroffen: 131,2 von 1.000 Gebäuden, damit lag es bundesweit direkt hinter dem Flächenstaat Sachsen an zweiter Stelle, weit vor den anderen Stadtstaaten Hamburg (59,2/1.000) und Bremen (44,8/1.000).

Im Jahr 2018 haben das Land Berlin und die Berliner Wasserbetriebe die Berliner Regenwasseragentur gegründet. Sie ist bei den Wasserbetrieben angesiedelt. Die Agentur ist nicht sehr groß, Stephan Natz zählt zusammen: "Anfangs waren es vier Kolleginnen, jetzt sind sie zu acht, aber eine ist im Mutterschutz und einer ist Freiberufler." Das Budget? ...kommt teilweise vom Land Berlin und ist übersichtlich, einige 100.000 Euro", genau wisse er es nicht. "Die Agentur braucht aber auch kein riesiges Budget, sie ist eher ein Publikationsinstitut für die vielen Lösungen, die es schon gibt: Sie informiert und berät."

Dabei werde sie auch immer öfter bei Konflikten herangezogen, zum Beispiel, wenn ein Sachverhalt grundstücksübergreifend wirkt. Vor ein paar Wochen sei ein Investor vorstellig geworden, der in Berlin zwei Hochhäuser errichten wolle, "und daneben befindet sich ein Urban Gardening Projekt. Die würden gern das Regenwasser von den Hochhäusern bekommen." Außerdem berate die Agentur auch Architekten, Planungsbüros und bauende Behörden. Kurz: "Es gibt viel zu tun für die wenigen Leute. Sie werden ständig angefragt, aus Berlin und auch von außerhalb." Zwar kümmern sich inzwischen immer mehr Städte und Gebietskörperschaften um die Bewirtschaftung von Regenwasser, aber "so institutionalisiert wie hier in Berlin, eine Agentur als überbetriebliche Institution, meines Wissens gibt es das in Deutschland noch nirgendwo so", sagt Stephan Natz.

"Im Neubau sind wir ganz toll in Berlin." So habe das Land ein Dutzend Flächen als neue Stadtquartiere ausgewiesen, mit teils über 1.000 Wohnungen. Zum Beispiel die Urban Tech Republic, das Schumacher Quartier oder die Buckower Felder: "All diese neuen Quartiere werden von vornherein regenwasserabflusslos geplant und die Investoren, die großen Wohnungsbaugesellschaften, werden von der Agentur mit beraten." Nach vier Jahren Planungsvorlauf würden nun die ersten Dinge manifest, angefangen mit Tiefbau.

Seit fast einem Jahrzehnt sei der Politik das Thema "Umgang mit dem Regenwasser" bewusst, Natz nennt es einen "Paradigmenwechsel von der Ableitung zur dezentralen Nutzung vor Ort". Parallel zur Initiierung der Regenwasseragentur wurde auch in der Administration einiges umgestellt. Wer in Berlin einen Neubau errichten wolle, dürfe nur noch so viel Wasser abfließen lassen, wie auch natürlicherweise, ohne den Bau, abfließen würde, "also wie in der Steppe." Der Bauherr könne entscheiden, was ihm lieber sei: Grüne Lösungen auf Dächern, an Fassaden oder neben den Gebäuden, oder eine andere technische Lösung – nicht die Art der Technik, sondern das Ergebnis werde vorgeschrieben.