Missing Link: Das Konzept der Schwammstadt

Seite 3: Regenwasser vor Ort aufangen

Inhaltsverzeichnis

Mehrere Ingenieure arbeiten allerdings schon länger mit dem Konzept der Schwammstadt. Unter den Ersten war das Büro bgmr Landschaftsarchitekten in Berlin. Einer der Gründer und Geschäftsführer, Carlo Becker, sagt, sie hätten "Schwammstadt" als Wortmarke beim Patentamt eintragen lassen, als es noch nicht im allgemeinen Sprachgebrauch verankert gewesen sei. "Es ging uns nicht darum, das Wort zu schützen, um dann damit Geld zu verdienen – man soll es gern nutzen – sondern es geht um die Botschaft, den Inhalt." Der soll wohl nicht, nun ja, "verwässert" werden.

Im Jahr 2013 habe sein Büro an einem Projekt zur Regionalentwicklung in Nordrhein-Westfalen teilgenommen und die Leitideen entwickelt. "Auch in England und Amerika sind damals solche Konzepte entstanden, dort heißt das eben 'Sponge City'." Vor zehn Jahren sei es um Strategien gegangen, seit drei Jahren sieht Becker eine gewisse Euphorie. Inzwischen hätten etwa 30 Prozent ihres Aufgabenbereiches mit dem Konzept Schwammstadt zu tun: "Es zieht sich durch alle Projekte hindurch. Beim Wohnungsbau, bei Freianlagen: Immer geht es auch um das Versickern und das Zurückhalten von Wasser und die Bewässerung von Bäumen."

Professor Dr.-Ing. Heiko Sieker, Geschäftsführer einer Ingenieurgesellschaft und Honorarprofessor an der TU Berlin, befasst sich noch länger mit dem Thema der Regenwasserbewirtschaftung: "Schwammstadt ist seit 30, 35 Jahren Thema in der Fachwelt, es wurde viel geredet, aber bis etwas geschieht, dauert es lange", sagt er. Er habe das Thema von seinem Vater sozusagen "geerbt" – Friedhelm Sieker lehrte in den 1980er-Jahren an der Universität Hannover als Professor am Institut für Hydrologie und Wasserwirtschaft –, denn "das Konzept gibt es in ganz Deutschland, besonders in Berlin, schon lange. Wir als Büro machen das seit 25 Jahren."

Dass der Klimawandel kommen würde, weiß man schon lange, und gerade Berlin und überhaupt der Osten der Republik leiden besonders unter Wassermangel, wie der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums zeigt. Das merken Privatpersonen, Medien und Behörden.

"Ich musste am Wochenende einen Baum fällen, die oberen fünf Zentimeter an Boden waren feucht, und darunter war es knochentrocken", sagt Heiko Sieker, "das derzeitige Defizit im Berliner Osten entspricht einem Defizit von einem ganzen Jahresniederschlag. Wir sind jetzt im neunten Jahr der Trockenheit hier, seit 2014, vor allem im Osten. Brandenburg ist sowieso sehr trocken: In Deutschland fallen im Durchschnitt 800 Millimeter, in Berlin weniger als 600 Millimeter Niederschlag pro Jahr. Die Dürre ist sichtbar, erstens in den Gärten, und zweitens in Kleingewässern."

Berlin habe mehr als 500 Kleingewässer, und deren Wasserspiegel sinke. Sieker zählt einige Projekte auf, mit denen er befasst ist: die Panke etwa sei in diesem Sommer komplett ausgetrocknet gewesen, ebenso Tümpel wie etwa die Höhnower Weiherkette bei Berlin-Hellersdorf. "Die Weiherkette ist nicht nur Lebensraum für Amphibien, sondern auch Naherholungsgebiet. Wenn sie austrocknet, ist das gerade für Menschen aus der Plattenbausiedlung besonders kritisch." Inzwischen stünde in den lokalen Medien "eigentlich an jedem dritten Tag" etwas über Trockenheit, "sogar Bürgerinitiativen haben sich gebildet, etwa zum Straussee in Brandenburg, und sie machen Druck, dass da was passiert."

Seine eigene Branche, die Bauingenieure, hätten jahrzehntelang nur Entwässerungssysteme gebaut, Abläufe an Straßen, Gullys, Kanäle: "Dann ist das Wasser weg! Innerhalb weniger Tage ist es in der Nordsee und steht für die nächste Trockenheit nicht zur Verfügung." Besser sei es, Niederschläge vor Ort zu speichern, wo Gebäude stünden, in Gründächern oder Retentionsdächern, und im Freien in Zisternen, etwa in Regentonnen."