Missing Link: Das Konzept der Schwammstadt

Seite 7: Neubau vs. Bestandsbau

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Zum Thema Neubauten haben viele Städte und Länder bereits Vorschriften erlassen. Aber die Leute wohnen nun einmal in Häusern und Wohnungen, die es schon gibt, und die müssten eigentlich umgerüstet werden. Eigentlich. Stephan Natz: "Für den großen Bestand fehlt der entscheidende Wurf und Mut. Da tun sich alle noch etwas schwer." Das liege nicht nur an mangelnden Möglichkeiten: "Es gibt noch viel Unsicherheit bei der Verwaltung, was etwa die Umsetzung vieler Regelungen betrifft." Der Klimawandel sei schneller gekommen als gedacht, "man sollte jetzt, statt Pilotprojekte durchzuführen, in Serie gehen. Es muss was passieren, was den Umbau im Bestand voranschiebt."

Das sei auch bei Berliner Altbauten möglich: "Zum Beispiel weniger Versiegelung und mehr Grün, und für die Versickerung kann man zum Beispiel Regenrinnen woandershin leiten und nicht mehr in die Kanalisation. Das kostet zwar erst was, auf Dauer spart man aber Gebühren, weil es im Ergebnis eine Abkopplung oder Teilentsiegelung ist." Die Niederschlagswassergebühr berechnet sich nicht nach der Menge, sondern nach den Quadratmetern versiegelter und in die Kanalisation einleitender Fläche.

Da könnten einige Berliner demnächst eine Überraschung erleben. Die Wasserbetriebe haben nämlich im Jahr 2021 ihre fast 300.000 Kunden angeschrieben und nach dem jeweiligen Umgang mit dem Regenwasser gefragt. Alle paar Jahre macht das Unternehmen eine Flächenanalyse, befliegt die Stadt und gleicht die neuen Luftbilder mit vorhandenen Daten ab. Dann sieht man, ob die versiegelten Flächen korrekt angegeben sind oder nicht. Für die Gebührengerechtigkeit.

Es gibt eine ganze Reihe Pilotprojekte, aber in den Tiefen mancher Behörden scheint die Dringlichkeit des Themas noch nicht angekommen zu sein. Stephan Natz: "Viele Leute in Ämtern glauben, dass Normen rechtsverbindlich seien." Das kann kontraproduktiv sein. Was lange galt, muss nicht immer mehr die beste Lösung sein. Wenn etwa eine Straße und ein Gehweg gebaut wurden, war bislang die Norm, dass der Gehweg ein Gefälle Richtung Bordstein hatte, wohin das Wasser abfloss und bei stärkerem Regen zu einem Gully abgeleitet wurde.

Wenn so ein Gehweg nun repariert oder um einen Radweg erweitert werden soll, ließe sich dies Gefälle zwar gegen die alten Normen aber ohne Aufwand zur anderen Seite kontern, falls dort ein Park oder eine Wiese liegen, oder man leitet das Wasser zu einer Baumscheibe. Stephan Natz: "Normen sind Hinweise, keine Gesetze. Im Zweifel berät die Regenwasseragentur."

Das Thema Schwammstadt verspricht Geld – und das wollen viele haben. Manche bereichern sich an Programmen und Förderungen, manche betrügen einfach so. Schon bei Mulden-Rigolen-Systemen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Martin Drost: "Es kommt leider immer wieder auch zu Baumängeln, aber es gibt durchaus auch betrügerische Unternehmen, die aufbereiteten Recyclingboden als natürlichen Boden verkaufen, das gab es und gibt es immer wieder." Und wenn das Bauunternehmen die Teile nicht richtig oder auch nur zum falschen Zeitpunkt einbaut, funktioniert das System auch nicht mehr richtig.

Ein Transportbetonmischer kann auf den Rasen anstatt auf einem Gully spritzen. Es kann zu Verschmutzungen der Versickerungsanlagen infolge des Baugeschehens oder zur Verdichtung des Untergrunds oder Mutterbodens infolge des Baugeschehens kommen. Verdichtung und mangelnde Durchwurzelung führen zur Verschlämmung des Bodens und verschlechtern die natürliche Bodendurchlässigkeit. Zu schwere Baugeräte werden zu lange geparkt und verdichten den Boden und die obersten Bodenschichten können nicht mehr durchwurzelt werden. Dann verstopfen die Poren.