Hintergrund: Die Woche der (Anti-)Piraten

Der Kampf der Musik- und der Softwareindustrie gegen Raubkopien geht weiter, wie diese Woche gezeigt hat. Eine Tauschbörse lässt sich davon nicht beirren und auch Musiker mischen sich auf ihre Weise ein.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 365 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Piraten sind die gemeinsamen Gegner der Software- und Musikindustrie, hieß es am 25. September auf einer Podiumsdiskussion in München. Das Problem betreffe die beiden Branchen gleichermaßen, meint der Chef von Microsoft Deutschland, Kurt Sibold. Und sie lassen gerne Zahlen sprechen: Die Business Software Alliance, die am Freitag eine Kampagne gegen Software-Klau in bayerischen Unternehmen einläutete, gibt für Deutschland eine Raubkopierrate von 34 Prozent an. Der Deutsche Multimedia Verband beziffert in einem gemeinsam mit dem Verband privater Rundfunk- und Telekommunikationsanbieter am 12. September vorgestellten Gutachten bei einer Raubkopierrate von 28 Prozent im Jahr 2000 den Schaden für die deutsche Software-Industrie auf 635 Millionen US-Dollar. Das Problem umspanne die ganze Welt. So sei etwa Windows XP in Kuala Lumpur für anderthalb US-Dollar zu haben.

Auch die US-amerikanische Musikindustrie versucht durch Zahlen zu beeindrucken. Sie beklagt 2,6 Milliarden "illegal getauschte Dateien" -- monatlich. Deshalb startete am vergangenen Freitag eine Werbekampagne gegen illegales Downloaden. Auf ganzseitigen Zeitungsseiten werden zum Beispiel Interpreten wie Anastacia und Lou Reed mit ihrer manchmal vollmundigen Meinung zur Musikpiraterie über das Internet zitiert. Rund 100 Musikschaffende stehen hinter der Kampagne.

Sharman Networks zeigt sich von Anfeindungen der Musiker und ihrer Firmen unbeeindruckt und veröffentlichte am Montag die zweite Version seiner beliebten Peer-to-Peer-Software "Kazaa Media Desktop". Da die Plattenindustrie bereits die bloße Existenz der Musiktauschbörsen wurmt, dürfte die Zornesröte der Produzenten nun noch mehr ins Dunkelrote changieren: Der Media Desktop verfügt neuerdings über ein "Integrity Rating" als Antwort des P2P-Anbieters auf die zunehmende Zahl von "Fakes" und verstümmelten Dateien im FastTrack-Netzwerk. Außerdem lassen sich jetzt Songs in Playlists zusammenzustellen, sodass ein Mausklick reicht, um die gesamte Kollektion vom Rechner des Tauschpartners herunterzuladen.

Doch nicht alle Musiker sehen im Internet einen Tummelplatz der Tauschpiraten. So ist zum Beispiel Peter Gabriel der virtuellen Welt schon länger zugeneigt. Sein neues Album bietet er außer auf CD seit Mittwoch auch im Internet an. Für einige allerdings mit Schönheitsfehlern: Der Download lässt sich nur auf maximal zwei CDs brennen. Zudem baut Gabriel auf die Unterstützung von Microsoft-Software und Digital Rights Management (DRM). Nun fragt sich, ob Fans und Interessierte eher wegen der Kopierbeschränkungen für die zusammen 10 US-Dollar kostenden zehn Songs irritiert sind oder weil der als Apple-Freund angesehene britische Musiker ausgerechnet auf Technik aus Redmond setzt. Tröstlich mag ihnen sein, dass es auf der Gabriel-Homepage immer noch lauter Quicktime-Videos gibt.

Ein anderer Veteran der Branche, ehemals und nach einer Unterbrechung nun wieder mit Namen Prince, dürfte ebenfalls die Fangemeinde spalten. Seine Produktionsfirma Paisley Park Enterprises hat einen Website-Betreiber aus Seattle wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt. Dort sollen angeblich Live-Mitschnitte der Xenophobia-Konzerte des US-Musikers zum Download angeboten worden sein. Der Betreiber der beanstandeten Website FreeMyHeart.com meint, er habe keine Dateien angeboten, sondern lediglich auf andere Seiten verlinkt. Beobachter rätseln, ob man vielleicht im Paisley Park "unprofessionell surft" und sich der Funktion von Verlinkungen im Internet nicht bewusst ist. Falls die Firma aber Recht bekommt, steht dennoch zur Diskussion, ob der US-Musiker seine seinerzeit deutlich zur Schau gestellte Toleranz gegenüber Downloads im Internet und seine Zuneigung für Napster verloren hat.

Von Napster selbst war in letzter Zeit nicht mehr viel zu hören, außer dass die Reste zur Versteigerung anstehen und ein Pornoanbieter interessiert ist. Dennoch hat die Musikindustrie nicht vergessen, wieviel Schaden die Tauschbörse ihr zugefügt haben mag. Laut Medienberichten überlegen mehrere US-amerikanische Plattenfirmen eine Klage gegen Bertelsmann. Aus Gerichtsdokumenten soll hervogehen, dass der Medienkonzern mehr Kontrolle über Napster gehabt haben als bisher angenommen.

Software- und Musikbranche kämpfen also an allen möglichen Fronten gegen die "Knabberei an ihren Pfründen". Das tun sie anscheinend unbeirrt, obwohl zumindest in den USA Verbraucherschützer, ein Industrieverband und Marktforscher heftig an ihren Argumenten rütteln, vor allem an denen der Musikindustrie. Ihre US-amerikanische Interessenvertretung Recording Industry Association of America will den Provider Verizon zur Herausgabe von Kundendaten zwingen, um einen Musiktauscher belangen zu können und wiegelt damit einen Teil der IT-Branche gegen sich auf. Aber auch die Front der Kopierschützer im US-amerikanischen Kongress bröckelt: An einer jüngst geänderten Gesetzesinitiative zum Urheberrechtsschutz stört sich der Senator George Allen, weil für das unbeabsichtigte, aber wissentliche "trafficking" unerlaubter Software oder anderer Dateien auch die Provider zur Rechenschaft gezogen würden.

Bei allem DRM und anderen Kopierschutzmaßnahmen -- sie nützen nichts, wenn die Softwareunternehmen aktive Mithilfe leisten. So hat sich herausgestellt, dass Microsoft in seiner Knowledge-Base einen Artikel zur Verfügung stellt, der präzise beschreibt, wie der Registrierschlüssel für Windows XP ausgetauscht werden kann, und darüber hinaus ein Skript enthält, das die Arbeit abnimmt -- auch den Raubkopierern. Denn wer bei der Installation von Windows XP einen geklauten Schlüssel verwendet hat, der bei Microsoft auf der schwarzen Liste steht, muss diesen vor dem Einspielen des Service Pack 1 erst einmal gegen einen nicht in der Liste enthaltenen Schlüssel austauschen. (anw)