LKW-Maut: Platz im Boot

Bei den "Spitzengespräche" um die Zukunft der deutschen LKW-Maut will der Verkehrsminister die von Toll Collect vorgeschlagenen risikofreien Bedingungen für inakzeptabel erklären -- und neue Beteiligte vorschlagen.

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Von
  • Detlef Borchers

Am heutigen Freitagnachmittag und am Wochenende finden die "Spitzengespräche" zwischen dem Verkehrsministerium und dem Toll-Collect-Konsortium um die Zukunft der deutschen LKW-Maut statt. Bei diesen Gesprächen will Verkehrsminister Stolpe klarstellen, dass die von Toll Collect vorgeschlagenen risikofreien Bedingungen inakzeptabel sind und die zweistufige Maut problematisch ist. Zuvor hatte Stolpe bereits am Dienstag vom Haushaltsausschuss des Bundestages das einstimmige Votum erhalten, die Verträge mit Toll Collect kündigen zu können. Zwar geht es vordringlich darum, die Finanz- und Haftungsfragen zu klären, doch will Stolpe darauf drängen, weitere Betreiber, "die die Sache können" (Stolpe), mit ins Boot zu nehmen. Der Grund für dieses Ansinnen, das Stolpe vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages erläuterte, ist nicht allein der Wunsch nach einem schnellen Ende des Maut-Fiaskos. Eine regelrechte Kündigung des Maut-Vertrages hätte eine neue Ausschreibung zur Folge, die mindestens zwei Jahre bis zur Auftragsvergabe benötigt.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Frage, welche Technik am besten in das Boot passt, das bei Toll Collect gezimmert wird und seinen eigentlichen Stapellauf noch vor sich hat. Als Anbieter stehen das österreichische Europass-System respektive die italienische Autostrada und das neu gezimmerte Konsortium der schweizerischen Fela und der französischen Thales zur Verfügung. Die Autostrada hatte Anfang Januar bekannt gegeben, ihr eigenes Mautsystem, das auf billigen Transpondern und Mautbrücken an allen Auf- und Abfahrten beruht, bis zum Herbst 2004 installieren zu können. Von Fela/Thales ist zu hören, dass man 18 Monate brauche, in Deutschland die Maut einzuführen. Der Haken an der Vorstellung, gemeinsam ein Boot zu besetzen: Alle Parteien haben bereits bekannt gegeben, nicht nur einen Baustein liefern zu wollen, sondern am Gesamtsystem inklusive der Abrechnungstechnik beteiligt werden zu wollen. "Wir lehnen es ab, mit einer einzigen Komponente ins System einzusteigen", erklärte etwa Peter Kirchmeier, Sprecher des Fela-Managements für Maut-Projekte in Deutschland. gegenüber heise online.

Unter technischen Gesichtspunkten ist gerade das Mautsystem von Fela in Verbindung mit der Fela-OBU Tripon-EU dem geplanten System von Toll Collect nah verwandt. Ursprünglich sollte nämlich das Fela-System wie Toll Collect zur Positionsbestimmung der LKW das GPS-Signal auswerten. In Versuchsreihen, die mit dem eidgenössischen Prüfzentrum Biel unternommen wurden, fand man heraus, dass das GPS-Signal im Schweizer Raum zu unzuverlässig im Empfang war, um sichere Daten zu erzeugen, die auch vor Gericht bestehen konnten. Aus der "bitteren Erfahrung" (Kirchensteiner) heraus konstruierte man ein Hybridsystem, das den Tachometer abfragt und nur dann, wenn der GPS-Empfang hervorragend ist, so genannte Meilensteine als Prüfparameter mitspeichert. Allerdings kommt diesem System entgegen, dass in der Schweiz alle Straßen mautpflichtig sind, nicht nur die Autobahnen.

Wenn im Verein mit Thales diese Technik nach Deutschland kommen sollte, ist die Rolle interessant, die der Thales-Konzern (ehemals Thomson-Konzern) dabei spielt. Anteilsmäßig ist Thales einer der wichtigsten Betreiber des kommenden europäischen Satellitensystems Galileo und hat aus dieser Perspektive heraus ein großes Interesse an Toll Collect. Im Januar gewann Thales die Ausschreibung zur Sicherung der neuen digitalen LKW-Fahrtenschreiber, die bald europaweit eingeführt werden sollen. Als größter französischer Produzent von Anlagen zur Videoüberwachung und Lieferant der französischen Variante der "Homeland Security" erhielt Thales für sein "Lebenswerk" erst in der letzten Woche den Grand Prix Spécial der französischen Variante des Big Brother Award. Besonders wurde dabei die perfekte Überwachung des Weltsozialforums in Porto Alegre gewürdigt, für die Thales technisch verantwortlich zeichnete.

Zu den Hintergründen der Mauteinführung in Deutschland, ihrer technischen Umsetzung und möglichen Datenschutzproblemen siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)