LKW-Maut: Start ohne Risiko
Der Verkehrsminister akzeptiert das neue Angebot des LKW-Maut-Konsortiums. Während manche bereits von Instrumenten zur Steuerung des PKW-Verkehrs mit tageszeit- und wegabhängigen Gebühren schwärmen, kritisiert der ADAC die Einigung scharf.
Keine Vertragskündigung: Verkehrsminister Manfred Stolpe akzeptiert das neue Angebot des LKW-Maut-Konsortiums. Toll Collect hatte Stolpe einen neuen Zeit- und Finanzplan vorgelegt: Danach startet die einfache, abgespeckte Variante der LKW-Maut Silvester 2004, die nur den Upload der Positionsangaben beherrscht. Das gesamte System mit Upload- wie Download-Funktion folgt ein Jahr später. Im Unterschied zu den Anforderungen des Bundesverkehrsministerium will Toll Collect für die Maut nur 500.000 statt der einstmals festgesetzten 800.000 On-Board-Units (OBU) liefern. Beim Verpassen der selbst gesetzten Termine will man zunächst 40 Millionen Euro pro Monat zahlen, ab 2006 70 Millionen Euro. Maximal will Toll Collect jedoch nur 500 Millionen Euro bezahlen. Zum Vergleich: seit dem vermasselten Mautstart im August 2003 sind 800 Millionen Euro projektierte Maut-Einnahmen nicht geflossen.
Trotz der erheblich unter den ursprünglichen Vorgaben liegenden Vorstellungen von Toll Collect hat der Verkehrsminister das Angebot akzeptiert und die Drohungen zurückgezogen, den Vertrag zu kündigen. Ob der Maut-Vertrag zu den neuen Eckwerten erneuert wird, darüber soll am Wochenende entschieden werden. Eine Prüfung, ob das Maut-Konsortium bei Abschluss des ursprünglichen Maut-Vertrages wissentlich falsche Angaben zu Terminen und Stückzahlen machte, soll nicht stattfinden.
Unter dem Eindruck, dass Alternativen zum System Toll Collect noch länger benötigten, bis sie starten können, gibt es Zustimmung zum Angebot von Toll Collect. Alternativ-Angebote wie das der italienischen Autostrada werden nicht diskutiert. Auf dem Pressekolloquium der Deutschen Telekom sprach Telekom-Chef-Ricke überzeugt davon, dass die innovative deutsche Maut ein Vorbild für andere Länder sein werde. Ähnlich zukunftsgestimmt kommentiert die taz das einstige rotgrüne Paradeprojekt: "Wenn die satellitengestützte Maut erst funktioniert, erhalten die Verkehrspolitiker ein Instrument, mit dem sie auch den PKW-Verkehr geschickt steuern können -- mit tageszeit- und wegabhängigen Gebühren."
Einspruch erhebt dagegen der ADAC, der das Schadensersatzangebot von Toll Collect für inakzeptabel hält. Außerdem warnt der Verkehrsclub vor der Situation an den Buchungsterminals, die in der ersten Stufe mangels ausreichend produzierter OBUs eine größere Rolle spielen werden. "Die Einbuchung an Selbstbedienungsterminals stellt für den Großteil der Fahrer, der im Umgang mit Computern nicht sonderlich geübt ist, eine nur schwer zu lösende Herausforderung dar, von Bedienungsfehlern ganz zu schweigen."
Zu den Hintergründen der Mauteinführung in Deutschland, ihrer technischen Umsetzung und möglichen Datenschutzproblemen siehe auch:
- Verursacherbedingt verspätet -- Das "fortschrittlichste Mautsystem der Welt" und die Realität, c't 22/2003, S. 92, verfügbar im heise online-Kiosk
- Ausgebremste Automatik -- Das Kreuz mit der satellitengestützten Lkw-Maut, c't 21/2002, S. 60
- LKW-Maut oder Maut für alle
- Frischer Wind nach Kanzlerwort?
- Annäherung vor düsterer Kulisse
- Europpass lockt mit Go-Box für Deutschland
- Mautsystem in Österreich lief ohne Probleme an
- Aus eins mach drei
- Maut-Verzug -- Siemens und IBM werden nicht fertig
- Stolpe prüft Klage gegen Toll Collect
- Toll Collect rechnet mit Kündigung
- Noch eine Frist
- Die europäische Perspektive
- Die Woche der Wahrheit
- Keine Einigung bei LKW-Maut
- Strafanzeige gegen österreichische Mautfirma
- Telekom: Toll Collect wird Probleme lösen
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(Detlef Borchers) / (jk)