LKW-Maut: Tollchecker braucht das Land

Obwohl die Bundesregierung den Maut-Vertrag gekündigt hat, baut Toll Collect weiterhin seine Mautbrücken auf -- offensichtlich ein Indiz, dass Toll Collect mit Nachbesserung doch noch Betreiber des Systems zu werden hofft.

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Von
  • Detlef Borchers

Obwohl die Bundesregierung den Maut-Vertrag mit Toll Collect gekündigt hat, baut das Konsortium weiterhin seine Tollchecker-Mautbrücken auf. Derzeit sind die Bautrupps in Schleswig-Holstein unterwegs; sie werden weiter arbeiten, da keine Order ergangen ist, die Installation einzustellen. Datenschützer und Bürgerinitiativen hatten unlängst genau das Gegenteil gefordert. Allgemein wird der Bau der Anlagen für das so genannte Maut-Enforcement als Indiz dafür gewertet, dass Toll Collect hofft, mit einer Nachbesserung in den Finanzierungsdetails doch noch der Betreiber eines Systems zu werden. Schließlich hat die Bundesregierung -- nach dem alten Mautvertrag -- einen Gesamtgewinn von 7,5 Milliarden Euro vertraglich garantiert.

Sollte die Kündigung schlussendlich wirksam werden, müssen die Mautbrücken abgebaut werden, so der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar in einer Pressemeldung. Schaar kann auf langjährige Erfahrungen mit der Maut zurückblicken: Bereits bei den ersten Versuchen vor 10 Jahren war er als Datenschutz-Gutachter mit von der Partie. Ohne eine Gesetzesänderung, betont Schaar, ist eine andere Nutzung der Brücken, etwa zur Verkehrsüberwachung und zur Erstellung von Bewegungsprofilen, unzulässig. Dem juristisch argumentierenden Schaar steht freilich das bereits dokumentierte Interesse der Polizeibehörden an einer zivilen Nutzung der Brücken entgegen.

Ob die Kündigung des Vertrags mit Toll Collect durchgeht, hängt von den neue Angeboten des Konsortiums ab. Derzeit ist bei Toll Collect eine neue Haftungsobergrenze von 1 Milliarde Euro (statt bislang vorgeschlagenen 500 Millionen) und eine monatliche Strafzahlung von 80 Millionen (statt 40 Millionen) im Gespräch. Auch diese Summen liegen erheblich unter den ursprünglich vereinbarten Sätzen, werden aber vom Ministerium als "Bewegung in der Sache" kommentiert. Härter kommentiert es die Presse, etwa die Wochenzeitung Freitag: "So wie wir dieses Land kennen, zeugt die Vorstellung, ein Unternehmen werde sich seiner Verantwortung stellen, von einem gestörten Wahrnehmungsvermögen."

Abseits der Finanzfragen beginnt derzeit das Hauen und Stechen unter den an der Maut-Realisierung beteiligten Firmen. So wies SAP eine Anschuldigung des Maut-Konsortiums zurück und bezeichnete sich als einfacher Sublieferant ohne jegliche Einflussmöglichkeit. Umgekehrt bauen Zeitungsberichte Siemens als Retter in der Not auf, obwohl diese Firma mit der Lieferung von defekten OBUs einen der dicksten Problem-Brocken in das hastig zusammengestrickte Maut-Konzept getrümmert hatte.

Zu den Verwicklungen um die Mauteinführung in Deutschland, zur eigentlich geplanten technischen Umsetzung der LKW-Maut und möglichen Datenschutzproblemen siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)