SCO vs. Linux: Der Kapitalismus als gefährdete Art [Update]

SCO droht im Streit um angeblich geklauten Unix-Code im Linux-Kernel Firmen, die Linux einsetzen, mit verschärftem Vorgehen. Zudem versucht SCO angeblich, massiven Einfluss auf US-Politiker zu nehmen.

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Von
  • Detlef Borchers

Während die zweite Anhörung vor Gericht im Verfahren SCO gegen IBM vom 23. Januar auf den 6. Februar verschoben wurde, entwickelt die SCO Group eine hektische Betriebsamkeit. In der Auseinandersetzung um angeblich von Unix System V geklauten Code im Linux-Kernel verschickt SCO allem Anschein nach wieder einmal Briefe an Firmen, die Linux einsetzen und reklamiert in ihnen den gesamten ABI-Code zur Ausführung von Programmen als Eigentum der SCO Group.

Im Unterschied zur ersten Aussendung hat sich der Ton in den Briefen, die bislang nur in den USA und in Ungarn aufgetaucht sind, wesentlich verschärft. So droht die Lizenzabteilung von SCO mit der Einleitung eines Verfahrens: "Falls Sie es unterlassen, unseren Anstrengungen zum Abschluss eines Lizenzvertrages nachzukommen, werden wir Ihren Namen unserem Rechtsbeistand übergeben, der rechtliche Schritte einleiten mag." Obwohl nicht vollends geklärt ist, ob die massiven Drohungen wirklich von SCO stammen, haben bereits angeschriebene Firmen reagiert und die SCO Group aufgefordert, erst einmal detailliert mit entsprechenden Beweisen vorzutragen, welcher Linux-Code die Ansprüche von SCO verletze.

Auch Novell hat auf SCO und die frisch eingereichte Klage reagiert, die Novell der Verleumdung und der unrechtmäßigen Aneignung von Titeln bezichtigt. Auf der Linuxworld erklärte Novell-Chef Jack Messmann: "Diese Klage zeigt, dass SCOs Kampagne gegen den Einsatz von Linux in Firmen fehlschlägt. Es sieht so aus, dass Rechtsstreits der wichtigste Geschäftszweig von SCO geworden sind. Die Firma steckt zumindest tief im Sumpf juristischer Auseinandersetzungen. Das Ergebnis der letzten Aktionen von SCO ist, dass sich Novell nun in guter Gesellschaft mit IBM und Red Hat befindet, die ebenfalls im Streit mit SCO liegen. Das hindert uns nicht, unsere Linux-Aktivitäten weiter zu verfolgen."

Flankierend zum Drohbrief soll die SCO Group nach Angaben der Open Source and Industry Alliance (OSAIA) eine PR-Kampagne an der politischen Front eröffnet haben, die den beginnenden amerikanischen Wahlkampf anheizen soll. Die Organisation gibt an, einen Brief von SCO-Chef Darl McBride gefunden zu haben, den dieser an amerikanische Kongressabgeordnete und Senatoren verschickt haben soll. Auch hier bestanden Zweifel an der Authentizität des Briefes, da McBride zu einem Rundumschlag ausholt, der in den anstehenden Gerichtsverhandlungen eher die gegnerische Seite munitioniert -- allerdings hat SCO-Sprecher Blake Stowell die Echtheit des Briefs gegenüber dem Branchendienst eWeek mittlerweile bestätigt. McBride erklärt in seinem Apell an die Führer der Nation, dass quelloffene Software die größte Bedrohung des kapitalistischen Systems darstelle und Länder wie Nordkorea, Libyen oder Iran überhaupt erst in die Lage versetze Supercomputer zu bauen.

Das düstere Szenario des Untergangs der freien Welt, das in McBrides Appell entwickelt wird, erinnert an die berühmte Klage des Ökonomen Frédéric Bastiat, in der dieser die Forderung begründet, die Sonne zu verbieten. Die Bedrohung der nationalen Sicherheit und Souveranität der USA, mit der im Brief argumentiert wird, ist vor dem Hintergrund unverständlich, dass die SCO Group unter dem früheren Namen Caldera selbst quelloffene Software vertrieb. Dass zudem McBride in dem Brief Klage über US-Firmen führt, die in Indien Software entwickeln lassen und damit die USA schwächen, dürfte vielen Beobachtern nicht ganz schlüssig erscheinen: SCO selbst sucht für seine indische Niederlassung kundige Linux-Programmierer.

Zu den Entwicklungen im Streit zwischen SCO, IBM und der Open-Source-Gemeinde siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)