​Überlebenskampf im Boom​ des chinesischen Automarkts

Seite 2: Beben auf Chinas Automarkt

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Dieses Selbstbewusstsein zieht er aus den Geschäftszahlen des vergangenen Jahres. Zwar verkaufte die Marke lediglich 376.000 Autos (also weniger als die erwähnte Marke von einer halben Million Stück), doch waren das satte 182 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Ein Momentum, das Li gedenkt fortzuführen. "Unser Ziel ist es, im Jahr 2024 gemessen am Absatz die Nummer eins unter den Premiumautomarken in China zu werden." Dafür müsste die Marke in diesem Jahr das selbstgesteckte Ziel von 800.000 Auslieferungen erreichen. Li möchte BMW, Audi und Mercedes überholen.

Chinesen setzen die Größe eines Fahrzeugs mit Qualität gleich. Der L9 von Li Auto ist 5,2 Meter lang.

(Bild: Li Auto)

Ganz unrealistisch ist dieses Ziel nicht. Die bisherigen Zahlen erreichte Li Auto mit gerade einmal drei Modellen – L9, L8 (Nachfolger des One) und L7. Allesamt große SUV mit Elektroantrieb und Range Extender. Für 2024 sind zwei neue Modelle in der Pipeline. Zum einen der L6, der das Portfolio nach unten abrunden soll. Wobei das relativ ist. Mit über 4,90 Metern Länge ist das kürzeste SUV von Li Auto so lang wie ein BMW X5. Zum anderen mit dem Mega. Dabei handelt es sich um einen rein elektrischen Van, der das Flaggschiff der Marke werden soll. Kostenpunkt: etwa 80.000 Euro.

Volkswagen ist von den Umwälzungen auf Chinas Automarkt natürlich in allen Bereichen betroffen, schließlich bietet der Konzern (anders als Li Auto und Nio) sowohl Verbrenner als auch Elektroautos an, und das mit Erfolg. Die Wolfsburger haben im Jahr 2023 3,2 Millionen Autos verkauft, 200.000 davon waren Elektroautos. Im schrumpfenden Segment der Verbrenner konnte VW seinen Marktanteil sogar von 19 auf 20 Prozent erhöhen.

Die anstehende Transformation kann VW also (noch) aus einer Position der Stärke heraus angehen. Vom Sparpaket sind die chinesischen Niederlassungen nicht betroffen. Im Gegenteil. Der Konzern baut seinen Produktions-, Entwicklungs- und Innovations-Hub in Hefei massiv aus. Bis 2026 soll hier die Volkswagen China Technology Company (VCTC) eine Elektro-Plattform für das Einstiegssegment entwickeln. Ziel ist es, die Entwicklungszeit für neue Modelle auf 36 Monate zu verkürzen, um so schnell auf die Kundenwünsche in der Volksrepublik reagieren zu können. Die neue Elektroplattform soll dabei ähnlich flexibel sein, wie das bisherige System für Verbrenner.

Thomas Ulbrich hat die Aufgabe, das Potenzial, dass in den diversen Übernahmen und Beteiligungen steckt, endlich zu heben. VW möchte (und muss) fitter für die Zukunft werden.

(Bild: Volkswagen)

Volkswagen ist in China enorm breit aufgestellt und hat viel Geld in Zukunftsprojekte investiert. Neben den bekannten Joint Ventures (SAIC Volkswagen, FAW-Volkswagen und Volkswagen Anhui) gehören dazu auch die Softwareeinheit Cariad, der Batteriehersteller Gotion sowie Horizon Robotics (autonomes Fahren), ARK (User Experience) und Thundersoft (Infotainment). Schnelle Hilfe verspricht auch die VW-Beteiligung bei Xpeng. Für 700 Millionen Dollar hat VW 4,99 Prozent der Aktien gekauft und einen Sitz im Aufsichtsrat erhalten. Außerdem gibt es eine Vereinbarung, zwei neue Elektroautos für den chinesischen Markt gemeinsam zu entwickeln.

Um all diese Unternehmen unter einen Hut zu bringen, die Entwicklungen zu beschleunigen und Synergien zu nutzen, hat VW jüngst Thomas Ulbrich die Leitung der technischen Entwicklung in China übertragen und ihn zum CEO von VCTC gemacht. Am 1. April 2024 beginnt sein neuer Job. Ulbrich war vorher Vorstand "New Mobility" und gilt als Entwicklungs- und Softwareexperte mit Hausmacht. Die Prozesse und Geschwindigkeiten, die in China Innovationen erlauben, sollen auch als Blaupause dienen, um Europa voranzubringen.

(fpi)