Fahrbericht Opel Astra Electric: Teures Elektroauto, konventionell verpackt
Opel stellt den Astra als Elektroauto nicht auf eine eigene Plattform. Was bedeutet das für die Kunden im Alltag? Eine erste Proberunde​.
- Joaquim Oliveira
- Martin Franz
(This article is also available in English)
Viele Hersteller trennen neue und alte Welt strikt auf. Konzerne wie Hyundai oder auch Volkswagen stellen Elektroautos inzwischen auf eigene Plattformen. BMW und Opel gehen einen anderen Weg. Hier gibt es alle angebotenen Antriebe unter einer Hülle. Das spart Kosten, weil der Hersteller nicht zwei parallele Strukturen pflegen muss. Andererseits nimmt es ihnen die Freiheit in der Gestaltung, die sich mit der Umstellung auf den batterieelektrischen Antrieb eröffnen. Das wird auch im Astra Electric deutlich, der uns für eine erste Probefahrt zur Verfügung stand.
Knappes Platzangebot
Der Astra ist mit 4,37 m rund 11 cm länger als ein VW ID.3, doch das Platzangebot ist spürbar kleiner. Gerade auf der Rückbank ist die Beinfreiheit geringer. Als Verbrenner bietet der Astra 422 Liter Kofferraum, im Elektroauto sind es nur 352 Liter. Höhere Ansprüche soll der Kombi erfüllen, der im Herbst nachgereicht wird. Der Astra Electric gleicht den Modellen mit Verbrennungsmotor nicht nur äußerlich, sondern auch im Innenraum. Das ist eine gute Nachricht, denn wie gewohnt ist er ordentlich verarbeitet und mutet seinen Benutzern keine Sonderlocken bei der Bedienung zu. Alles, was man im Alltag öfter mal braucht, ist entweder direkt zu erreichen oder lässt sich im Infotainmentsystem nah an die Oberfläche ziehen – ein Modell, das Schule machen sollte. Wenn Opel weiter an der Sprachsteuerung arbeitet, gibt es hier wenig zu meckern.
Fahrwerk: Ein gelungener Kompromiss
Der Astra Electric ist mit 1679 knapp 140 kg leichter als ein VW ID.3 mit 58-kWh-Batterie. Das mag dazu beitragen, dass er unterwegs ziemlich agil wirkt, ohne sich beim Komfort zu verstolpern. Opel hat einen gelungenen Kompromiss zwischen Fahrstabilität und Filterung von Unebenheiten gefunden. Auch bei schnellen Lastwechseln wirkt er sehr stabil. Obwohl sich die Lenkung im Normal-Modus eher leicht anfühlt, hat der Fahrer eine gute und direkte Rückmeldung von der Fahrbahn. Im Astra mit Plug-in-Hybrid hatten wir das Ansprechverhalten der Bremse kritisiert. Auch das ist im Elektroauto besser, der Übergang zwischen Rekuperation und Betriebsbremse ist sanft. Die Rekuperation ist in zwei Stufen einstellbar: Normalerweise wird mit bis zu 15 kW verzögert, im B-Modus sind es maximal 45 kW. Was fehlt, ist ein Gleitmodus ohne Rekuperation.
Opel Astra Electric (5 Bilder)
(Bild: Opel)
Niedriger Verbrauch
Opel nennt im WLTP, der die Ladeverluste einschließt, Werte zwischen 14,8 und 15,5 kWh/100 km. Das scheint durchaus erreichbar, zumindest zeigte der Bordcomputer, der die Ladeverluste nicht berücksichtigt, bei unserer mit gemäßigtem Tempo absolvierten Ausfahrt Werte von knapp unter 13 kWh/100 km an. Das ist mehr als respektabel, der Corsa-e liegt unter ähnlichen Bedingungen nicht wesentlich darunter. Über das Jahr gemittelt wird der Astra Electric wohl deutlich über den bei dieser Ausfahrt abgelesenen Werten liegen.
DC-Ladeleistung und Batterie
Die Batteriekapazität ist mit 54 kWh angegeben, was im WLTP für eine Reichweite zwischen 398 und 418 km langen soll. Auf der Autobahn dürften es eher 300 km sein. Ein ideales Reiseauto für lange Strecken ist der Astra aber ohnehin nicht. Maximal 100 kW DC-Ladeleistung nennt Opel. In dieser Hinsicht hat sich bei Update des elektrischen Antriebsstrangs im vergangenen Jahr nichts getan. Für das Nachfüllen der 60  Prozent zwischen 20 und 80 Prozent Ladestand gibt Opel eine Dauer von 26 Minuten an. In einem Interview mit der Autobild deutet Opel-CEO Florian Huettl Fortschritte bei diesem Thema an, ohne freilich konkret zu werden. Langfristig wird Stellantis auch nichts anderes übrig bleiben, denn mit einer Ladeleistung von 100 kW liegt der Astra schon heute am unteren Ende dessen, was normal geworden ist. Immerhin: Das Ladegerät für Wechselstrom ist im Astra serienmäßig dreiphasig. Im Corsa kostet diese Beschleunigung über 1000 Euro Aufpreis. Von einer AC-Ladung mit 22 kW oder bidirektionalem Laden ist bei Stellantis derzeit keine Rede.
Vergleichsweise zurückhaltend bleibt Opel auch bei der Motorleistung. 115 kW sind es im Astra Electric. Der ganz große Schub, mit dem einige E-Autos antreten, bleibt hier aus, doch flott ist der Kompakte natürlich trotzdem. Er tritt jederzeit verzögerungsfrei an und wirkt damit angenehm agil. Auf der Autobahn sollen bis zu 170 km/h möglich sein. Festhalten lässt sich, dass der Astra bei rund 130 km/h sehr leise ist.
Astra Electric: Kein Schnäppchen
Zum Start gibt es den Astra Electric nur in der sportiven GS-Ausstattung. Inklusive sind hier unter anderem die bequemen beheizbaren Sportsitze, eine Einparkhilfe samt 360-Grad-Rundumblick, 18-Zoll-Alus und die Wärmepumpe. Für Dinge wie Navigationssystem, Matrix-Licht oder diverse Assistenten will Opel zusätzliches Geld haben. Dabei spricht schon der Basispreis von 45.060 Euro für ein mutiges Selbstvertrauen. Der Astra ist fraglos gut gedämmt, ordentlich verarbeitet, geschickt abgestimmt, mehr als nur ausreichend flott und problemlos zu bedienen – alles in allem ein Auto, was man gern fährt. Doch bei Ladeleistung und Energiegehalt in der Batterie spielt er nicht vorn mit. Opel wird hier nachlegen müssen oder erleben, wie der Markt den realen Preis nachreguliert.
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(mfz)