Harley-Davidson Breakout im Fahrbericht: Schwerkraftrad

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Ein weiterer positiver Aspekt der Breakout: Die Fahrt wird nicht zum Ritt auf dem Presslufthammer. Ich habe früher Tests mit Harley-Davidsons erlebt, bei denen mir der V2 die Plomben aus den Zähnen geschüttelt hat. Der Milwaukee-Eight-117 ist dagegen ein Musterknabe. Er verfügt pro Zylinder nicht nur über vier Ventile und Doppelzündung, sondern auch über zwei Ausgleichswellen und zeigt erfreulich gute Manieren, obwohl er starr im Rahmen eingebettet ist. Er mag es allerdings nicht, im sechsten Gang mit Tempo 50 zu cruisen, denn alles oberhalb der vierten Gangstufe quittiert der gigantische V2 im Stadtverkehr mit unwilligem Schütteln.

Ansonsten ist der Milwaukee-Eight-117 ein Quell der Freude. Er leistet 103 PS bei 5000/min, aber in den Drehzahlbereich verirrt sich der Fahrer sehr selten, denn der V2 schiebt mit heftigen 168 Nm bei 3500/min an. Deshalb interessiert es den Motor auch nicht, dass die Breakout gewichtige 310 kg auf die Waage bringt. Ich biege ab auf die Landstraße und treibe das Motorrad auf 100 km/h, was bei ihr nur einen Wimpernschlag dauert und die Drehzahl im höchsten Gang bei lässigen 2300/min liegt. Eine Harley-Davidson ist dafür gedacht, auf schnurgeraden amerikanischen Highways mit 55 Meilen pro Stunde (88 km/h) komfortabel geradeaus zu rollen. In der Disziplin macht ihr niemand was vor. Auf deutschen Landstraßen herrschen allerdings andere Bedingungen.

Harley-Davidson Breakout (8 Bilder)

Die Breakout kann 2023 nicht nur mit dem Milwaukee-Eight-117-Motor aufwarten, sondern auch mit einem größeren Tank, neuen Rädern und viel Chrom.
(Bild: Ingo Gach)

In Anbetracht der Reifengrößen von 130/60-21 vorne und 240/40-18 hinten, hatte ich Schlimmes auf kurvigen Strecken befürchtet, doch zu meiner Überraschung fährt sich die Breakout handlicher als gedacht. Sie will natürlich mit deutlichem Lenkimpuls in Schräglage gebracht werden und in Kurven braucht sie wegen des langen Radstands von 1695 mm und einem Nachlauf von 145  mm große Radien. Wenn der Fahrer das aber einkalkuliert, geht es erstaunlich geschmeidig durch die Kurven. Zumindest bis 26,8 Grad Schräglage erreicht werden, dann setzen die Fußrasten mit einem hässlichen Kratzen auf. Das ist zum Glück nicht gefährlich, denn die Rasten klappen nach oben und nach einer Weile gewöhnt man sich sogar daran. Ganz enge Kurven und das Rangieren im Stand erleichtert der große Lenkeinschlag.

Die Breakout ist straff gefedert, was für einen Cruiser eher ungewöhnlich ist. Zwar kann das hintere Federbein mit 86 mm Federweg per Handrad hydraulisch vorgespannt werden, aber selbst in der softesten Einstellung reagiert es immer noch mit Härte. An der Telegabel mit 130 mm Federweg lässt sich hingegen nichts einstellen, wobei sie fühlbar weicher abgestimmt ist. Am Vorderrad verzögert eine einzelne, schwimmend gelagerte Bremsscheibe mit einem Vierkolben-Bremssattel, am Hinterrad unterstützt von einer Doppelkolbenbremse. Das sieht an dem Koloss zwar etwas unterdimensioniert aus, funktioniert aber recht gut, wenn auch nicht gerade auf Top-Niveau.

Es beruhigt auf jeden Fall, denn die Breakout rennt 190 km/h Höchstgeschwindigkeit. Das ist allerdings aufgrund der Sitzhaltung und bar jeglichen Windschutzes alles andere als angenehm. Hingegen erweist sich die Autobahnrichtgeschwindigkeit noch als absolut verträglich und der V2 dreht bei 130 km/h nur lässige 2900/min. Ein Tempomat ist serienmäßig und gegen Aufpreis bietet Harley-Davidson eine Schlupfregelung an, die aber an unserem Testbike nicht verbaut war. In Anbetracht der gewaltigen Kräfte macht sie absolut Sinn.

Der Aufkleber "Made in Thailand" am rechten vorderen Rahmenrohr wird bei einigen Harley-Fans Stirnrunzeln auslösen. Tatsächlich stammen inzwischen alle Harley-Davidson-Modelle, die für den europäischen Markt bestimmt sind, aus Thailand. So umgeht Harley-Davidson die immens hohen Zölle, die in der EU seit dem Zollkrieg von Ex-Präsident Donald Trump auf Motorräder aus den USA erhoben werden. Doch heute ist es sicher kein Makel mehr, wenn die amerikanischen Eisen in Asien gebaut werden, die Qualität ist um keinen Deut schlechter als die aus US-Produktion. Überhaupt hat sich die Zuverlässigkeit von Harley-Davidson erfreulich gesteigert, wie diverse Langzeittests in einschlägigen Fachzeitschriften bestätigt haben.

Dennoch gibt es einige Details, die mich an der Breakout gestört haben. Sie hat zwei Blinkertasten, eine rechts und eine links am Lenker, was an für sich schon überflüssig ist. Die Tasten müssen sehr fest gedrückt werden, was dazu führte, dass ich einige Male nach dem Abbiegen noch eine Weile blinkend weiterfuhr, weil der Druck nicht ausreichend hoch war. Ein absolutes no-go ist der nicht abschließbare Tankdeckel. Vor allem aber sollte beim Parken mit größter Sorgfalt darauf geachtet werden, dass der Seitenständer wirklich vollständig ausgeklappt ist. Wenn die Breakout auch nur um ein Grad nach links geneigt ist, kratzt der Seitenständer früh auf dem Boden und klemmt sich dann fest, obwohl er noch nicht am Anschlag ist. Wer jetzt unbedacht absteigt, dem kippt der 310-Kilo-Koloss unweigerlich um.

Die Breakout kostet in der Lackierung Vivid Black 28.195 Euro, für die Farben Baja Orange, Black Denim und Atlas Silver Metallic werden zusätzliche 540 Euro fällig, unterm Strich sind es für unser Testexemplar also 28.735 Euro. Für die meisten Käufer ist das natürlich nur der Anfang, denn das Zubehörangebot ist genauso riesig wie der Motor und kein Harley-Besitzer, der etwas auf sich hält, möchte ein Standard-Modell fahren. In der Preiskategorie, in der sich die Breakout befindet, spielen die Kosten für den Harley-Fan meist nur noch eine untergeordnete Rolle.

Die Breakout gehört nicht zufällig zu den erfolgreichsten Harley-Davidson-Modellen in Deutschland, denn ihre Optik im Dragster-Stil fällt auf. Für 2023 bekommt sie den größten Motor, den die Marke im Programm hat, einen vergrößerten Tank, neue Räder und noch mehr Chrom. Mit den Zutaten wird sie auch weiterhin ganz oben in der Beliebtheitsskala der Harley-Davidson-Kunden bleiben.