Querlenker: Porsche Taycan mit Heckantrieb

Seite 2: Driften in Zeitlupe

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Nun gibt es ja das Mem, dass Autoschreibern egal ist, was mit Testwagen passiert. Ich kann nicht für alle sprechen, aber ich spreche sicherlich mit der Mehrheitsstimme, wenn ich sage: Nein, es ist uns nicht egal, im Gegenteil. Ich würde einem Testwagen nie zumuten, was unsere Privatfahrzeuge ertragen müssen. Ich esse nicht einmal in Testwagen. Deshalb war ich hocherfreut, als zum Testzeitpunkt der Winter in voller Kraft im Schwarzwald hereinbrach.

Ein Drift auf Asphalt braucht hohe Energien und so schnelle Lenkbewegungen wie sonst nichts im Autofahrerleben. Er ist gefährlich und geht aufs Material. Ein Drift auf Schnee dagegen kann dasselbe in gefahrloser Zeitlupe bei 30 km/h. Deshalb driftete ich den Taycan meine Duke-Hausstrecke über den Ruhestein an Allerheiligen vorbei nach Oppenau hinunter und wieder hinauf. Es lag geschlossen Schnee, frisch gepresst und geschoben vom Straßendienst, und ich hatte die Strecke allein für mich.

Porsche Taycan Details (9 Bilder)

Beschauliche 50 km/h auf den Geraden, alle Fahrhilfen außer ABS aus, große Entspannung. Rechts im Bild erkennbar: Der Schnee setzte schon von sich aus einige Assistenten Schachmatt. (Bild: Clemens Gleich)

Es war herrlich. Die hohe Masse des Fahrzeugs sorgt für Stabilisierung, das hohe Drehmoment lässt die Hinterräder bei Bedarf sofort in Gleitreibung übergehen und der sehr fein dosierbare E-Motor hilft enorm, die Querfahrt konstant zu halten. Ich bin über den Tag gute 300 km gefahren. Die Hinterräder fuhren dabei bestimmt deutlich über 400 km. Tragik weht mich an, wenn ich an Autos wie den Polestar 2 denke, dessen Fahrhilfen einem solche Erfahrungen grundsätzlich missgönnen, obwohl das Fahrwerk lockt.

Man muss Porsche die Abschaltmöglichkeit besonders hoch anrechnen, weil sich die Firma jederzeit darauf berufen könnte, dass "eingeschränkte Fahrassistenz" (Knopf kurz drücken) auf Sport Plus bereits ein bisschen Driftwinkel erlaubt. Auf Schnee reicht das aber nicht. Da muss die TK komplett ausgeschaltet werden (Knopf noch einmal drücken und halten bis zur Meldung "Fahrassistenz aus"). Erinnern Sie sich, wie Sie als junger Mensch auf verschneiten Parkplätzen spielten? Deshalb.

Im Kontrast zum Schnee hatten die nassen, gestreuten Straßen eine Menge Grip. Dort fährt der Taycan ähnlich ausgewogen wie die Allrad-Modelle, solange die Fahrhilfen noch an sind. Dieses massige Viech durchs Geschlängel zu scheuchen hat seinen ganz eigenen Reiz, wenn es auch etwas wehmütig macht, dass es auf absehbare Zeit keine leichten Elektro-Sportwagen geben wird, weil die Kombination "geringes Gewicht – geringe Reichweite" niemand kaufen würde. Wie schon auf meiner langen Tour fiel auch diesmal wieder auf, wie gut der Taycan den Winter meistert: trotz stundenlangen Herumalberns im Schnee um die 27 kWh netto laut Anzeige. Gute Dämmung, gepaart mit gutem Wärme-Management machen den Taycan im Winter zur Freude.

An Tacho und Infotainment hat sich nichts geändert. Das System funktioniert, wenn auch ruckeliger als bei Tesla oder Polestar. Die dynamische Ladeplanung plant gut genug, dass ich sie auch diesmal vertrauensvoll konsultierte, auch wenn ich abweichend des Plans meine Mittagspause an einem alten 50-kW-Nichtsoschnelllader in Freudenstadt verbrachte statt an der Autobahn. Das Tool können auch Laien zur Planung verwenden, meine ich.

Überhaupt gehört der Taycan zu den besten Reise-Porsches. In der zweiten Reihe bleibt selbst bei einem 2 Meter langen Fahrer noch genügend Beinfreiheit in der "Fußgarage" der Batterie. Die Schalldämmung ist gut zum Musikhören. Nur der Fahrersitz passt mir auf Dauer schlicht nicht (ausprobieren). Trotzdem: Wenn ich nach Gibraltar fahren und zwischen Panamera (Test) und Taycan wählen müsste, dann nähme ich stets den Taycan – schon aus optischen Gründen. Und das Interessante in diesem hochpreisigen Segment ist: Der Taycan kostet weniger. Es gibt ihn ab 83.520 Euro mit der 79,2-kWh Batterie und ab 89.244 Euro mit der 93,4-kWh-Batterie.