Schräge Ideen: Volvo XC40 Recharge PHEV im Test

Bei den meisten Plug-in-Hybriden lohnt es sich nicht, den Stecker überhaupt zu benutzen. Doch die Zeiten ändern sich. Der XC40 PHEV in Zeiten der CO2-Steuer.

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Volvo XC40

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Das "Plug-in Hybrid Electric Vehicle" (PHEV) wurde und wird zu Recht kritisiert dafür, dass es nur für Politik und Prüfstand existiert. Es gab schlicht zu wenige Anreize dafür, Strom zu laden, statt Sprit zu tanken: so geringe Reichweiten, dass man ständig das Kabel anstecken musste, gepaart mit Stromverbräuchen, bei denen das lästige Gestecke obendrein teurer war als Tanken – vor allem bei Kälte. Selbst die wenigen am elektrisch fahren interessierten Privatkäufer gerieten da gelegentlich ans Ende ihres guten Willens. Doch die Rahmenbedingungen haben sich geändert, und Volvo hat zudem ein vergleichsweise stromsparendes Angebot, den PHEV XC40 Recharge (nicht zu verwechseln mit dem voll elektrischen XC40 Recharge Pure Electric). Wir testeten die Variante "T4" mit reinem Frontantrieb.

Volvo XC40 Recharge PHEV außen (12 Bilder)

Damit keine "Offroad"-Gedanken aufkommen: Der XC40 T4 im Test hat Frontantrieb. Die Wiese im Bild ist zwar steil, aber gefroren. Da könnte man auch Porsche fahren.
(Bild: Clemens Gleich)

Neue Rahmenbedingungen: 2021 ist das erste Jahr mit einem CO2-Aufschlag auf fossilen Treibstoff, der bis 2025 steigen soll. Der deutsche Durchschnitts-Benzinpreis lag laut ADAC im Januar bei 1,35 Euro/Liter. Mein Winterverbrauch bei Schneefall und Kurzstrecke lag im XC40 bei 32,5 kWh/100 km brutto inklusive Ladeverlusten (9,75 Euro pro 100 km bei 30 Cent/kWh). Mein Benzinverbrauch auf Mittelstrecke (rund 100 km) lag bei 130 km/h Vmax bei 7,2 Liter (9,72 Euro pro 100 km beim ADAC-Durchscnitt). Das ist in etwa ein Break-Even-Point. Bei mir kostet das Benzin jetzt im Februar bereits über 1,40 Euro, während der Strompreis gleich blieb. Man kann diesen Volvo also jetzt selbst im Winter günstiger mit Strom betreiben, denn sehen wir den Tatsachen ins Gesicht: Der Benzinpreis wird stärker steigen als der Haushaltsstrompreis.

Bei den meisten von einer Verbrennerplattform abgeleiteten PHEV-Variante sitzt der E-Motor zwischen Kurbelwelle und Getriebe. Das hat den Vorteil, dass der E-Motor das Getriebe verwenden kann. Das hat den Nachteil, dass der E-Motor meistens vor einem Automatikgetriebe hängt, gegen dessen auf Kurzstrecken kaltes Öl er arbeitet, was vor allem im Winter die Effizienz weiter senkt. Volvo begegnet diesem Problem mit einer sehr eigenwilligen Idee und verbindet den E-Motor FEST mit der Getriebeeingangswelle des Doppelkupplungsgetriebes auf der Seite der geraden Gänge (R-2-4-6). Damit ist der E-Motor wie bei einem Einganggetriebe immer mechanisch mit den Rädern verbunden (der Leerlauf liegt auf der Kupplung der ungeraden Gänge), wenn auch nicht immer im selben Gang wie der Verbrenner. In vielen Geschwindigkeitsbereichen fährt man also in zwei Gängen gleichzeitig. Wie gesagt: eigenwillig.

Elektrisch fährt der XC40 rückwärts und im zweiten oder vierten Gang vorwärts. Bei 125 km/h ist Schluss mit rein elektrisch, daher habe ich keine Messung mit 130 km/h rein elektrisch vorgenommen – verschmerzbar bei der 10,7 kWh kleinen Batterie, bei der man Autobahnetappen sowieso mit Verbrenner fahren würde. Überland ist bei Kälte nach rund 30 Kilometern Fahrt Schluss mit Elektro. Kurz vor 100 km/h schaltet das Getriebe den E-Motor von Gang 2 auf Gang 4. Da es den E-Motor nicht auskuppeln kann, entlastet die Steuerung das Getriebe, indem es im Zugbetrieb kurz die Leistung wegnimmt. Motorradfahrer kennen das vom Schalten ohne Kupplung per Gashand. Es dauert nur viel länger, etwa eine Sekunde. Über 125 km/h läuft stets der Verbrenner. Das Getriebe schaltet den E-Motor dennoch irgendwann in den sechsten Gang. Dort oben schiebt er nicht mehr mit an, rekuperiert aber noch. Bei 180 km/h Höchstgeschwindigkeit regelt Volvo ab.

Mit dieser interessanten Konstellation schafft Volvo überraschend gute Verbräuche. Selbst im Ultrakurzstreckenbetrieb unter 5 km pro Fahrt auf geschlossener Schneedecke lag der Verbrauch bei vergleichsweise guten 35,2 kWh/100 km brutto. Besonders bemerkenswert ist das, weil aus dem Haus Volvo mit dem Polestar 2 und dem technisch fast gleichen XC40 Pure Electric ein sehr stromschluckender Antrieb stammt. Beim Ultrakurzstreckenbetrieb mit sehr ähnlichen Bedingungen rüsselte sich der Polestar 2 fast 50 kWh/100 km brutto durchs Kabel.

Der T4 kommt damit im Winter elektrisch um die 30 km weit. Wer das Auto sinnvoll elektrisch nutzen will, braucht deshalb einen Stellplatz mit Stromanschluss. Volvo legt serienmäßig ein schön schlankes, effizientes Ladesicherungsgerät für den Schuko-Stecker bei. Es leistet 2,4 kW (10 A @ 230 V einphasig). Maximal nimmt das Onboard-Ladegerät 16 A einphasig an (bei 230 V als 3,7 kW), üblicherweise also aus einer Ladestation oder Wallbox. Aufgrund der kleinen Batterie (10,7 kWh) lohnt sich eine Wallbox für dieses Auto selten. Wer die volle Ladeleistung will, kann sich mit dem Elektriker beraten, was eine einfache Wallbox unterhalb der KfW-Förderungsvorgaben kostet oder ein Drittanbieter-Ladeziegel mit 16 A an einem CEE-Stecker.

Eine KfW-förderfähige Wallbox dagegen empfiehlt sich meistens eher, wenn künftig ein Auto mit größerer Batterie geplant ist. Grund: Fast immer muss doch einiges verlegt und verändert werden, sodass die 900 Euro der KfW in günstigen Fällen die Hälfte der Kosten decken. Persönliche Empfehlung: serienmäßig an Schuko reicht für diesen Volvo vollkommen aus. Elektroinstallation auf 10 A Dauerlast prüfen in der Garage ist ohnehin eine gute Idee, weil Stromanschlüsse in Garagen gern gepfuscht werden.

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Doch auch der 1,5-Liter-Turbo-Dreizylinder-Benziner verbraucht weniger Energie als vorher vermutet. 7,2 Liter sind als Winter-Wert ganz okay für das Profil mit 130 km/h Autobahn inklusive etwas stauartiger Standzeit, in der die Heizung die Batterie leerzog. Schade, dass Volvo nach jedem Start zurück in den Modus "Hybrid" schaltet, statt im Elektromodus zu bleiben. Doch auch im Hybridmodus fährt das Auto bevorzugt und bei jedem Wetter elektrisch und zeigt per Power-Anzeige und haptischem Pedalfeedback gut an, wo die Grenzen des 60-kW-Elektroantriebs liegen. Wer wie viele Deutsche einen Großteil von Strecken mit unter 30 Kilometern Länge fährt, kann den XC40 in Betracht ziehen, wenn es ein PHEV sein soll.

Ein Teil der Sparsamkeit liegt auch im Kontext, den Volvo setzt: Die Auslegung erstickt jeden aufkommenden Fahrspaß sofort. Der XC40 macht sehr deutlich klar, dass er die ruhige Tour will, von A nach B, ohne Nervereien, aber auch ohne besondere Freude für den Fahrer. Das kennen Volvo-Kunden, und diese entspannte Art würde auch vielen Audi-Fahrern ("Wo ist die SPORCHT-Taste!?") vielleicht zu etwas weniger stark herausstehenden Schlagadern verhelfen. Wer dagegen Autofahren mag, sollte lieber auf den XC40 Recharge Pure Electric warten, denn das Fahrwerk des eng verwandten Polestar 2 verspricht hier viel.

Volvo XC40 T4 Recharge PHEV innen (12 Bilder)

Komfortable Sitze für langes Sitzen. Seitenhalt gibt es, doch den braucht man im Volvo selten.
(Bild: Clemens Gleich)

Wie im Polestar auch sitzt der Fahrer bemerkenswert ungenervt im Volvo. Autos aus Asien oder Deutschland haben uns weisgemacht, dass sichere Fahrzeugkonzepte mit Herumgepiepe nerven müssen. Volvo zeigt, dass diese Erzählung nicht stimmt. Der XC40 piept im Alltag sehr selten, und im Kontrast zu den meisten anderen Autos ist eine Fahrt darin schon allein deshalb weniger stressig. Vielleicht weiß Volvo etwas, das die Anderen vernachlässigen: Gestresste Fahrer crashen schneller.