Test Elektroauto BMW iX xDrive50: Für Schwelger, nicht für Sparer

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Auch beim Rangieren zeigt sich der iX gelegentlich wettereingeschränkt. Die 360°-Kamera etwa zeigt nachts im Wintersiff oft kaum noch entzifferbare Feeds (siehe Bilder). Vor allem die hintere Kamera verschmutzt bei Nässe sofort. Statt Kamera-Klappsystem setzt BMW auf eine automatische Waschdüse, die hinter dem Weißblauteil des Firmenlogos ausfährt. Die Systemkomplexität scheint mir nicht geringer als bei versenkter Kamera, die Wirkung dagegen deutlich schlechter. Oft ist die Kamera wie ein Haushund im Winter: zu verdreckt, wäscht sich nicht selbst, und bis du durch Befehlen für Gehorsam gesorgt hast, bist du längst ausgestiegen und hast selbst sauber gemacht. Ich versteige mich zur These: Die versenkbare Kamera mit Wischlippen ist das überlegene System für hinten, fertig. Selbst in der Kostenstruktur eines VW Golf ist sie offensichtlich möglich.

Was BMW richtig gut gelang: die Kabine. Mit den Alcantara-Bezügen (500 Euro Aufpreis) sitzt es sich rutscharm, warm, superbequem und der Raum wirkt loungig-modern. Die Erwartungen an Kabinen hat BMW selber mit dem innen immer noch modern aussehenden i3 hoch geschürt. Der iX erfüllt sie. An einigen Optionen übererfüllt er gar. Es gibt zum Beispiel für über 1000 Euro die Option auf Bedienelemente aus geschliffenem Kristallglas. Fettes Like von Harald Glöckler. Konservativere BMW-Kunden schauen sich das jedoch lieber vor dem Kauf live beim Händler an, denn es gehört zu den Dingen, die man nur lieben oder hassen kann. Zu den Details der rundum gelungenen Kabine darf ich Sie wie immer auf die Fotostrecke verweisen, die weitere Informationen enthält.

BMW iX xDrive50 innen (23 Bilder)

Die Kunststoff-Alcantara-Bezüge der Sitze fühlen sich wärmer an als Leder und rutschen weniger.
(Bild: Clemens Gleich)

BMW setzt einen Tacho-Bildschirm und einen Mittelkonsolen-Touchscreen hinter eine geschwungene Glasscheibe, die hinter dem Lenkrad hervorragt. Obwohl andere Hersteller größere Bildschirme anbieten, sieht dieses Arrangement schick aus und funktioniert dank schlauer Nutzerführung gut. Ehrlicherweise gefällt mir der kleinere Bildschirm mit durchdachterer Benutzerführung besser als viele Systeme mit großer Fläche, aber kleinerem UX-Budget, weil BMW sich viel Mühe gab, den jeweils aktuellen Kontext zu berücksichtigen, um die wahrscheinlich wichtigen Bedienelemente nach vorne zu holen. Eine ausführliche Diskussion des neuen BMW OS8 im iX finden Sie in einem separaten Artikel.

Der iX soll mit bis zu 195 kW laden. Diesen Wert erreichte ich bei Temperaturen im einstelligen Plus-Bereich nie, und wer ihn im Winter erreichen will, muss wie bei vergleichbaren Autos den Ladeplaner im Navi verwenden. Der temperiert die Batterie vor, um die Wartezeit zu verkürzen (ja, das kostet Strom/Geld) und weiß um den optimalen Ladepunkt nach SoC und Routenbedingungen. Einfach so herausfahren an die DC-Schnellladesäule wie zum Tanken funktioniert im Winter schlecht, heißt: mit eher enttäuschender Ladeleistung. Für die Langstrecke sollte daher immer eine Zielführung aktiv sein.

Gute Erfahrungen machte ich mit der adaptiven Rekuperation, die abhängig von Fahrzeug- und Routenparametern eine stets optimale elektrische Bremsleistung zu errechnen versucht. Das passt meist ganz gut, und wenn es nicht passt, reicht ein Gaspedal-Stupser, um die Bremsung bis zur nächsten Zustandsänderung aufzuheben. Das Auto segelt das Zwischenstück dann.

Für den Alltag, die Pendelstrecke brauchen Garagenlader bei 105 kWh netto Energiegehalt keine öffentliche Lade-Infrastruktur. Zu Hause anstecken, gut ist. Der iX lädt AC serienmäßig mit 11 kW. Die Option auf 22 kW ist leider noch nicht fertig. Sie wäre dann sehr interessant, wenn es auf dem städtischen Tiefgaragen-Stellplatz schlicht keinen Strom gibt (ein häufiges Problem). Mit 22 kW AC-Ladeleistung könnte der iX jedoch beim Einkaufen oder sonstigen Erledigungen in der Stadt genug Energie nachladen, dass es ohne Strom am Stellplatz ginge. Geduld, gerade dauert alles länger von Chips bis Holz.

Was hat mir in BMWs E-SUV gefehlt, wenn ich mich in die Wünsche des SUV-Kunden hineinversetze? Ein besseres Kamerasystem, am besten mit Infrarotlampen, unbedingt mit sauber gehaltenen Linsen. Ein Luftfilter wie im EQS (oder auch hier: im VW Golf), der mir den winterlichen Geruch kalten Dieselabgases von der Nase hält. Etwas mehr Hardware-Leistung der Onboard-Rechner. Der Rest entspricht dem Wunschprofil, indem er dessen Erwartungen (oft erfreulich-überraschend) übertrifft. Ich hätte angesichts des Ergebnisses wirklich gern gesehen, was BMW in diesem Segment auf der LiveDrive-Plattform (i3) alles hätte anstellen können. Tja, hätte, hätte, Fahrradkette ...

BMW hat die Kosten für die Überführung übernommen, der Autor jene für den Fahrstrom.