Test Genesis G80: Konservative Revolution

Mit der Oberklasselimousine G80 wagt sich die Nobelmarke von Hyundai erstmals auf den deutschen Markt. Bekommen die Deutschen nun ernsthafte Konkurrenz?

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Genesis G80

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Mit der Limousine Genesis G80 und ihrer technisch weitgehend baugleichen SUV-Version GV80 will Hyundai hierzulande erstmals gegen die etablierte Oberklasse antreten. Ziel ist es, ähnlich wie es Toyota mit Lexus vorgemacht hat, eine neue Luxusmarke und ein Prestige zu schaffen, das die Volumenmarken Hyundai und Kia aufwertet. Richtig Geld verdienen kann in Europa selbst die erfolgreichste asiatische Nobelausgründung Lexus nicht. Auf den Volumenmärkten Nordamerika und Asien sieht das allerdings ganz anders aus.

Die ersten Reaktionen auf den Genesis G80 sind sehr unterschiedlich. Zwei Schuljungen, die auf dem Redaktionsparkplatz zufällig vorbeiradelten, konnte er sofort überzeugen: “Guck mal, ein Bentley, cool!” Tatsächlich kann man in der fließenden Form mit langer Motorhaube und kurzem Heck, das in weitem Bogen ausläuft, ebenso englische Anleihen erkennen, wie in der Form des Emblems, das ziemlich unverhohlen von Bentley und Aston Martin inspiriert ist.

Dieser ästhetische Anglizismus ist kein Zufall und offenbart ein erstaunliches ästhetisches Gespür der interessierten Kinder, denn für das Design des Genesis G80 zeichnet Luc Donckerwolke verantwortlich. Der in Lima, Peru, geborene und in Afrika als Sohn eines Diplomaten aufgewachsene Belgier war im Volkswagenkonzern als polyglotte Design-Mehrzwecklösung für die verschiedensten Konzernmarken tätig. Er hatte für die Niedersachsen unter anderem Lamborghini Italiantà und später Bentley Britishness beizubringen.

Eine Mehrheit der Erstbetrachter mochte den Nobel-Hyundai und attestierte ihm eine gelungene, englisch angehauchte, aber durchaus eigenständige Linie. Kollege Martin hingegen fand den G80 wenig gelungen. “Optisch eine Mischung aus Barock und Wal”, notierte er vernichtend. Allein auf die Front bezogen, wo ein asiatisch-brachialer Scheunentorgrill keinen Platz mehr für Ästhetik lässt, kann ich mich Martin anschließen.

Der Innenraum des Testwagens kontrastierte elfenbeinfarbenes Leder mit grauen Hölzern, was mich an die pseudo-edle Kälte einer koreanischen High-tech-Zahnarztpraxis erinnert. Eine solche Farbkombination hat für den Tester jedoch den Vorteil, mögliche Verarbeitungs- oder Materialschwächen wie mit einem Leuchtstift zu unterstreichen. Beim Genesis wurde das zu einer beeindruckenden Demonstration: Einen so hochwertigen Innenraum findet man heutzutage auch in der Oberklasse sehr selten.

Allein der Dachhimmel mit seiner alcantaraähnlichen Anmutung und perfekter Passung übertrifft das, was man oft serienmäßig in nahezu doppelt so teuren süddeutschen Fahrzeugen findet, deutlich an Qualität. Auch Formen und Ästhetik des Cockpits wirken wie aus einem Guss und vermitteln zurückhaltende Eleganz. Einzig als Störfaktor könnte das Lenkrad empfunden werden, dessen unförmige Protzigkeit mit billig wirkenden Plastiktasten für meine Augen weder optisch noch qualitativ zum Rest des Interieurs passt. Es mutet sehr amerikanisch an und wirkt wie einem Facelift des Lincoln Town Car entnommen.

Auf den klimatisierten Luxussitzen des nahezu maximal ausgestatteten Testwagens fand ich schnell eine sehr angenehme Position. Für manche Staturen stellt sich jedoch die elektrische Lenkradverstellung als zu wenig flexibel heraus. Wer lange Füße und kurze Arme hat, wird im teuren Genesis in eine unergonomische Büßerhaltung gezwungen, die den Komfortanspruch der Marke unschön konterkariert. Eine Sitzprobe ist bei Genesis daher dringlicher als bei der europäischen Konkurrenz.

Ansonsten erwiesen sich die für einige Tausender zusätzlich mit Leder, Kühlung und Memory ausgestatteten Sitze als angenehme Begleiter für lange Strecken. Gewundert hat mich das Fehlen einer Massagefunktion. Die gibt es bei Genesis nämlich nicht, was einen Ausstattungsnachteil nicht nur gegenüber den PSA-Marken zementiert. Das dürfte allerdings die amerikanische All-inclusive-Mentalität für den Stammtisch eher mehr stören als europäischen Alltagsnutzen.

Gut gefallen hat das 12,3-Zoll-Kombiinstrument, das mit seinem 3D-Effekt Infotainment im besten Sinne liefert. Es ist sehr gut abzulesen, erschlägt nicht mit einer Informationsflut und liefert einen spektakulären Hingucker in 3D. In dieser Form ist es allerdings nur als Bestandteil des knapp 5000 Euro teuren Innovationspakets erhältlich, das dann allerdings zusätzlich auch noch Matrixlicht (Voll-LED-Leuchten sind bereits Serie) und ein Head-up-Display mitbringt.

Auch der 14,5-Zoll-Zentralbildschirm mit Touchfunktion überzeugt rein optisch. Er wirkt zurückhaltend und edel und lässt sich gestochen scharf ablesen. Das darunter liegende Bedienpaneel für die Klimaautomatik unterstreicht das Bestreben der Interieurdesigner einen hochwertigen, aber nicht hypermodernen Innenraum zu schaffen, dessen Ambiente auch konservative Kunden anzieht, die nicht einer alltagsfernen Bildschirmgläubigkeit anhängen.

Leider verflüchtigt sich dieser positive Eindruck beim ersten Versuch, das Infotainmentsystem bedienen zu wollen. Wir haben viel über frühere Systeme etwa bei Volvo oder PSA geschimpft. Das Genesis-System ist deutlich schlechter zu bedienen. Am besten funktionierte noch die Sprachbedienung, deren Bediensicherheit etwa auf dem Niveau der oben genannten Europäer rangiert. Die teuren Drei aus Süddeutschland sind freilich auch da ungleich besser.

Genesis G80 außen (10 Bilder)

Mit dem G80 debütiert nicht nur eine neue Oberklasselimousine, sondern eine neue Marke des Hyundai-Konzerns auf dem europäischen Markt. Mit knapp fünf Metern Länge konkurriert der G80 in den Abmessungen mit Mercedes E-Klasse, BMW 5er und Audi A6.
(Bild: alle Florian Pillau )

Was man auch tun will, man hat das Gefühl in Menüstruktur und Bedienlogik des Infotainmentsystems einen ebenso kreativen, wie humorvollen Gegner zu haben, dessen Ziel es ist, die Nerven des Users bis zum Reißen durchzuscheuern. Das fängt bei wirren Details an, die vielleicht mehr wundern als stören. So empfängt einen der G80 nach einer kurzen Fahrtunterbrechung nach Einschalten der Zündung zunächst mit der zuletzt gehörten Musik aus dem Mediaplayer. Nach ein paar Sekunden wird es aber stumm und die Musik muss neu ausgewählt und aktiviert werden.

Schlimmer wird es, wenn ein neuer Radiosender eingestellt werden soll. Man schafft es zwar noch, mit dem Dreh-Drücksteller einen Sender zu suchen. Auch das ist eher umständlicher als woanders, aber immerhin machbar. Wenn der Sender dann gefunden ist und sein Name das Display ausfüllt, kann man ihn aber nicht anwählen. Wer jetzt technikgläubig auf den Dreh-Drücksteller drückt, vermeintlich um die Auswahl zu vollenden, fällt aus der ganzen Suche raus und kann wieder von vorne anfangen.

Zugegeben, die Bedienlogik ist eine etwas akademische Frage, die wohl eher Autotester bewegt, die jede Woche mit unterschiedlichen Automodellen zurechtkommen müssen. Der Neuwagenkäufer erhält aber, wenn alles richtig läuft, eine Einführung durch den Verkäufer und hat sonst viel Zeit, sich in die Bedienung seines Fahrzeugs reinzufuchsen. Spätestens nach ein paar Wochen sollte jeder Fahrer die Funktionen, die er braucht, sicher bedienen können - auch beim Genesis G80.

Zumal bei der relativ konservativen Bedienoberfläche des Genesis zumindest Eingabeunsicherheiten vermieden werden. Wisch-Touch-Flächen wie in den neuesten Volkswagen-Konzernmodellen oder auf Mercedes-Benz-Lenkrädern sind hingegen zu unzuverlässig für eine sichere Fahrzeugbedienung. Bei Genesis kommt der Bedienschritt, den der User vorhat, zumindest zuverlässig im Fahrzeug an. Das Problem ist hier nur, den richtigen herauszufinden.