Intel vor dem x86-Umschwung

Morgen beginnt in San Francisco Intels Entwicklerkonferenz IDF, von der man weitere Detail-Informationen zur kommenden x86-Prozessor-Architektur erwartet.

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Vom morgigen Dienstag bis zum Donnerstag informiert der Chip-Weltmarktführer auf dem Intel Developer Forum (IDF) wieder mehrere tausend Hard- und Software-Entwickler und die internationale Presse über seine aktuellen technischen Entwicklungen und Planungen. Mit besonderer Spannung werden Detail-Informationen über Intels neue x86-Architektur erwartet, die nach den bisherigen Ankündigungen in etwa einem Jahr auf den Markt kommen soll. Bisher ist nur bekannt, dass Intels neue Prozessoren für Desktop-Rechner (Pentium-4/D-Nachfolger), Laptops (Pentium M) und kleine Server (Xeon DP) mit mehreren 65-Nanometer-Kernen arbeiten sollen, die die T-Techniken wie Hyper-Threading, EM64T, Vanderpool Technology (Virtualisierung, VT), LaGrande Technology (kryptografischer Zugriffs-/Kopierschutz, DRM, LT) und diverse Stromspar-Verfahren (Enhanced Intel SpeedStep Technology/EIST) unterstützen. Sie sollen außerdem wesentlich effizienter arbeiten als die aktuellen NetBurst-Kerne der Pentium-4-, Pentium-D- und Xeon-Prozessoren.

Nachdem die Pläne scheiterten, die vor rund 5 Jahren mit dem 180-Nanometer-"Willamette" eingeführte Architektur auf enorme Taktfrequenzen von bis zu 10 GHz zu steigern, soll nun die Parallelverarbeitung von Daten in zahlreichen sparsamen Kernen die Rechenleistungen hochtreiben -- Ziel ist eine Verzehnfachung innerhalb von 4 Jahren. Schon Ende 2006 sollen 85 Prozent aller ausgelieferten Intel-Prozessoren für Server mehr als einen Kern enthalten. Nach eigenen Angaben arbeitet Intel zurzeit an 17 konkreten Mehrkern-CPUs.

Bemerkenswert ist, dass Intel die neue Architektur bereits angekündigt hat, bevor überhaupt die nächste, noch NetBurst-basierte CPU-Generation zu haben ist. Diese 65-Nanometer-Nachfolger für Pentium D, Pentium 4, Celeron D und Xeon DP/MP mit den Codenamen Presler (Doppelkern mit jeweils 2 MByte Cache, also Pentium D), Cedar Mill (eine "Presler-Hälfte" für Pentium 4 und Celeron D) und Dempsey (Presler-Variante in den Xeon-DP-Prozessoren) sollen früh im kommenden Jahr herauskommen. Zuvor will Intel schon den 90-Nanometer-Xeon-MP-Doppelkern Paxville herausbringen, der in Mustermengen schon zu haben sein soll. Für Entwickler und Tests ist dessen Xeon-DP-Spezialvariante (Paxville DP) gedacht, die allerdings in Zwei-Sockel-Systemen keine Leistungs-Bäume ausreißen dürfte: Die vier Kerne mit (dank Hyper-Threading) jeweils zwei logischen Prozessoren müssen sich einen einzigen FSB800-Bus teilen. Deshalb hat Intel für die MP-Xeons bereits einen Chipsatz mit zwei FSB-Schnittstellen herausgebracht und will auch die kommenden DP-Server- und -Workstation-Chipsätze (Blackford, Greencreek) so ausstatten.

Eine erste Einschätzung des Potenzials der kommenden Mehrkern-Prozessoren dürfte die Mobil-Plattform Napa erlauben: Dieses Centrino-Paket der dritten Generation soll ab Anfang 2006 aus Intels erstem 65-nm-Prozessor Yonah sowie dem Chipsatz Calistoga und dem Golan-WLAN bestehen. Yonah soll zwar noch ein reiner 32-Bitter sein, aber bereits einen "Shared Cache" mit 2 MByte Kapazität mitbringen und die neuen Virtualisierungs- und Verschlüsselungstechniken (VT/LT) unterstützen. Ein "halber Yonah", wahrscheinlich auch mit langsamerem Frontsidebus (Yonah wird wohl über FSB667 auf DDR2-Speicher zugreifen), dürfte unter dem bekannten Namen Celeron M billiger zu haben sein.

Yonah/Napa spielt nun auch eine offizielle Rolle in Intels Desktop-Strategie -- bisher war dort außer IDF-Modellen (wie dem Florence) noch wenig zu sehen. Nun hat Intel für das nächste Jahr eine stromsparende und leise Digital-Home-Plattform auf Napa-Basis fürs Wohnzimmer vorgesehen, allerdings in "kundenspezifischen Formfaktoren" -- ob es sich dabei um den Mac-Mini-Klon handelt und welches Betriebssystem darauf läuft (Windows CE, Windows MCE oder gar Mac OS X?), bleibt spannend -- potenzielle Hersteller haben sich aber schon vorgestellt.

Die Notebook-Firmen wiederum könnten sich über Intels Vorhaben ärgern, Yonah schon im gleichen Jahr durch seinen Nachfolger Merom abzulösen -- schließlich kam der Banias-Nachfolger Dothan nach Verzögerungen erst in diesem Jahr, und die teuren Notebook-Designs sind traditionell langlebiger ausgelegt als modulare und standardisierte Desktop-PC-Systeme. In Merom steckt allerdings wahrscheinlich das Grundgerüst der neuen Intel-Architektur, über die zurzeit nur Gerüchte kursieren -- handelt es sich nun um stark vereinfachte und optimierte x86-Kerne oder etwa um VLIW-Prozessoren (Very Long Instruction Word), die x86-Code erst nach einem Umwandlungsschritt verarbeiten? Das kürzlich erneut aufgeflammte Interesse an Transmeta (Crusoe und Efficeon sind VLIW-Designs), Intels Einstieg bei Elbrus und die VLIW-verwandte EPIC-Technik der Itaniums befeuern solche Spekulationen.

Klar ist jedenfalls schon, dass Intel Desktop-Versionen (Pentium-4/D-Nachfolger Conroe, Billig-Version Allendale), Server-Modelle (Woodcrest für Xeon DP und Whitefield für Xeon MP) und anscheinend sogar Multichip-Module plant. Beim Xeon MP kommt der NetBurst-Ausstieg allerdings erst später, weil noch ein 65-nm-Doppelkern (namens Tulsa) mit dieser Architektur für 2006 eingeplant ist. Für Embedded-Systeme und sparsame Blade-Server soll es unter dem Codenamen Sossaman einen Serverprozessor mit Yonah-Innenleben geben.

Als IDF-Teilnehmer muss man sich aber nicht nur von der Fülle der Prozessor-Codenamen verwirren lassen, denn Intel wird im Moscone Center in San Francisco auch noch über Dutzende anderer Themen sprechen. So geht es etwa um aktuelle PC- und Server-Komponenten ebenso wie um den PCI-Express-Nachfolger mit 5 GBit/s, WiMAX, die BIOS-Alternative EFI, DDR3- und FB-DIMM-Hauptspeicher, die Entwicklung guter Software für Mehrkern-Prozessoren (auch unter Mac OS X), Wireless USB/UWB, Digital-Home-Produkte oder 10-GBit-LAN. Auffallend weniger Raum als früher nimmt das Thema Trusted Computing ein: Gerade einmal vier Veranstaltungen (zu den Themen Secure Startup, Phoenix TrustedCore, Trusted Virtualization und PCIe TCS sind zu finden, eine weitere dreht sich um den Audio- und Video-Kopierschutz ohne Bezug auf TCG/TPM.

Als wichtigste Keynote-Sprecher treten unter anderem Intels neuer Chef Paul Otellini, Sean Maloney (Chef der Mobilsparte), IDF-"Erfinder" Pat Gelsinger (Digital Enterprise Group), Digital-Home-Leiter Donald MacDonald und Justin Rattner auf. Letzterer wird am Donnerstag einen Ausblick auf Intels Mehrkern-Strategie geben, möglicherweise ist auch Neues zu Intels aggressiver Strukturverkleinerungs-Roadmap zu hören. (ciw)