Frequenz-Auktion belebt Debatte über Netzneutralität in den USA
Die für dieses Jahr anstehende Auktion einiger vom Fernsehen nicht mehr benötigter Frequenzen entfacht den Streit über staatliche Auflagen für die Netzbetreiber neu.
In dem politischen Tauziehen um den offenen Zugang zu Telekommunikationsmitteln ist mit der bevorstehenden Versteigerung von bisher für Fernsehübertragungen genutzten Frequenzen in den USA eine weiterer Schauplatz entstanden. Netzaktivisten, Verbraucherschützer und Branchengrößen wie Google oder Yahoo einerseits und die klassischen US-Netzbetreiber – seien es Fernsehkabel-, Festnetz- oder Mobilfunknetze – auf der anderen Seite buhlen in Washington um die Gunst der US-Senatoren. Es geht um die Frage, wer Zugang zu den Frequenzen bekommen soll, die als letzte Möglichkeit gelten, noch in den weitgehend verteilten US-Telekommunikationsmarkt einzusteigen.
Vor dem Wirtschafts-Ausschuss des Senats fand am gestrigen Donnerstag eine Anhörung über die Rahmenbedingungen der für später im Jahr vorgesehenen Frequenzauktion statt. Die direkt von dem Senatsausschuss kontrollierte Federal Communications Commissions (FCC) muss unter anderem entscheiden, welche Bieter sie zu dem Verfahren zulässt und ob sie die Frequenzvergabe an bestimmte Auflagen knüpft. Die Auktion wird im Laufe des Jahres erwartet; bis Ende Januar 2008, so will es der Gesetzgeber, sollen die Frequenzen versteigert sein. Die Auktion könnte – je nach Schätzung – 10 bis 30 Milliarden US-Dollar in die Staatskasse spülen.
Große Aufmerksamkeit widmeten die Senatoren und die Öffentlichkeit einem Antrag des von privaten Investoren finanzierten Projekts Frontline Wireless, einen bestimmten Teil der Frequenzen für ein nationales Notfallsystem offen zu halten. Seit dem 11. September 2001 und dem Hurrikan "Katrina" 2005 steht das sanierungsbedürftige Notruf- und Notfallkommunikationssystem der USA verstärkt im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Doch geht es bei dem politischen Streit auch um die grundsätzliche Frage, ob die Frequenzen der Kontrolle der Netzbetreiber übergeben werden oder die erfolgreichen Bieter verpflichtet werden, den Zugang zu den Frequenzen zumindest teilweise offen zu halten.
Es geht um das Thema Netzneutralität auf dem 700-MHz-Band. Eine breite Allianz aus Verbraucherschützern, Diensteanbietern und Geräteherstellern sowie tausenden Internetnutzern fürchtet, dass die großen Netzbetreiber als Infrastruktur-Oligopol den Datenverkehr über ihre Netze künftig ihren eigenen Interessen entsprechend regeln – zum Schaden des Wettbewerbs und der Innovation. Bei den auch für Breitbandzugänge geeigneten Frequenzen, fordern die Kritiker um Unternehmen wie Google oder Yahoo, den erfolgreich bietenden Netzbetreiber Auflagen zu erteilen. Sie sollen den Zugang zu den Frequenzen dem Wettbewerb zu üblichen Großhandelsbedingungen offen halten.
Weiter noch gehen einige Hersteller von Mobilfunkgeräten, die den langwierigen Test- und Genehmigungsprozess, den neue Geräte bei den Netzbetreibern durchlaufen müssen, vereinfachen wollen. In einer Art "Sandkiste" wollen sie ihre Neuentwicklungen auf den Netzen der großen Anbeieter testen, ohne von deren Regularien behindert zu werden. Freier Zugang zu den Netzen, so das Argument der Befürworter einer gesetzlich geregelten Netzneutralität, sei der Garant für wirtschaftliche Entwicklung, gesunden Wettbewerb und Innovation.
Diesen Bemühungen stehen die großen Netzbetreiber gegenüber, die im vergangenen Jahr Versuche, die Netzneutralität per Gesetz zu verankern, mit erfolgreicher Lobby-Arbeit im US-Kongress verhindert hatten. Sie führen das Argument des freien Markts ins Feld und fordern die FCC auf, jeglichen Eingriff zu unterlassen und den Unternehmen keine Auflagen zu machen. Sie wollen auch eine Einteilung der zur Auktion stehenden Frequenzen in möglichst große regionale Blöcke erreichen – und es damit kleinen oder regionalen Anbieter schwer machen, überhaupt an der Auktion teilzunehmen. Mit ihren Forderungen treffen sie bei einigen – überwiegend republikanischen – Senatoren auf Verständnis. Sie haben die FCC in einem Brief aufgefordert, keine "hinderlichen Regeln" zu entwerfen, die das Interesse der Industrie an der Auktion schmälern könnten; insbesondere keine Zugangsverpflichtungen oder Neutralitätsregeln.
Ob sich die Netzbetreiber-Lobby damit diesmal auch durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Denn nach Ansicht demokratischer Senatsabgeordneter geht es bei der Auktion nicht primär darum, möglichst viel Geld mit den Frequenzen einzunehmen. Vielmehr müsse das Vergabeverfahren sicherstellen, neuen Wettbewerb auf den drahtlosen Zugangsmarkt zu bringen. Der demokratische Ausschussvorsitzende Daniel Inouye (Hawaii) sprach von "nachhaltigen Bedenken", dass die FCC den Netzbetreibern erlaube, das Frequenzspektrum aufzukaufen und damit ihre schon jetzt dominante Rolle im Mobilfunkgeschäft zu stärken. Es sei wichtig, so der Senator, dass die FCC die Gefahren einer weiteren Marktkonzentration erkenne und Regeln für den Zugang neuer Marktteilnehmer schaffe.
Unterstützung finden die Neutralitätsbefürworter auch bei politischen Schwergewichten wie Senator (und Ex-Präsidentschaftskandidat) John Kerry aus Massachussetts oder John Edwards, der sich Hoffnungen auf eine Kandidatur für 2008 macht. Edwards hält die Versteigerung für eine einmalige Chance und appellierte an die FCC, mindestens die Hälfte des Spektrums für Großhändler zu reservieren, die auch kleineren Bewerbern Zugang zu den Frequenzen ermöglichten. "Wir wollen nicht, dass wie in der Vergangenheit die großen Telekom-Unternehmen das gesamte Spektrum aufkaufen." Auch Kerry richtete sich mit einem Brief direkt an die FCC. Die Regulierungsbehörde, mit zwei Demokraten und drei Republikanern besetzt, muss nun über die Rahmenbedingungen der Auktion entscheiden.
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