Urheberrecht soll "digitale Revolution für alle" ermöglichen

Privatkopie.net, FIfF und das Netzwerk Neue Medien fordern eine Stärkung der Nutzerrechte in den Bereichen Privatkopie, Zitate und Filesharing.

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Die zweite Stufe der Urheberrechtsnovelle erhitzt weiter die Gemüter. So fordern die Initiative privatkopie.net, Netzwerk Neue Medien sowie das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) jetzt in einer gemeinsamen Stellungnahme (PDF) die "digitale Revolution für alle" ein. Die Organisationen geben zu bedenken, dass das federführende Bundesjustizministerium den für das Urheberrecht typischen "öffentlich ausgehandelten Interessensausgleich" in seinem Referentenentwurf zum so genannten 2. Korb der Reform nicht gefunden habe und der "Internet-basierten digitalen Wissensordnung" nicht gerecht werde.

"Gesetzliche Allgemeinwohlbestimmungen bleiben zwar nominell bestehen, ihre Wahrnehmbarkeit wird jedoch ins Belieben unternehmerischer Entscheidungen gestellt", beklagen die Verbände. Ein besonderes Ungleichgewicht bestehe darin, dass die Rechteindustrie alle Möglichkeiten der digitalen Technologien für sich nutzen könne, während "die Interessen der Allgemeinheit auf die Möglichkeiten der analogen Vergangenheit beschränkt werden" sollen. Gefordert sei eine Stärkung der Rechte der Nutzer, vor allem in den Bereichen Privatkopie, Zitiermöglichkeiten und Filesharing.

In ihrem Plädoyer für einen Anspruch auf die Privatkopie stützen sie sich hauptsächlich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Der habe festgestellt, dass "eine moderne, technisch hoch entwickelte Industrienation wie die Bundesrepublik Deutschland, die auf Wissenschaft und Forschung angewiesen ist, ein gut ausgebautes, schnell funktionierendes und wirtschaftlich arbeitendes Informationswesen braucht". Dies hat auch das Justizministerium in seinem Referentenentwurf so ausgeführt -- dann aber laut den Nutzervertretungen die falschen Konsequenzen gezogen. Das Argument, dass sich diese Einschätzung nur auf "ernsthafte" Informationen beziehe, halten die Organisationen nicht für stichhaltig: "Musik und Filme sind heute genauso selbstverständlich wie Texte Mittel und Gegenstand der politischen Auseinandersetzung, der Forschung und damit auch des Unterrichts." Die Privatkopie sei auch hier wesentliche Voraussetzung für die Informiertheit der Bürger.

Die vom Justizministerium vorgesehene "Bagatellklausel" für Tauschbörsen halten die Autoren der Stellungnahme für einen der vielen "faulen Kompromisse" des Entwurfs. Sie würde nur zu Diskussionen über die tolerierte "Schulhofmenge" führen, die bereits in der Drogenpolitik berüchtigt seien: "Wird bei 50 oder 500 Downloads noch ein Auge zugedrückt?", fragen die Verfasser. Es gehe letztlich um die Zahl der Menschen, die "dank der neuen gesetzlichen Mittel in den Ruin oder gar ins Gefängnis gebracht werden, bevor die Toleranzgrenze der Gesellschaft überschritten ist".

Ein Dorn im Auge ist den drei Gruppierungen ferner, dass das Justizministerium weiter auf eine rechtliche Deckung für Kopierschutztechnologien und Systeme zum Digital Rights Management (DRM) setzt. Ein "hinreichendes Instrumentarium", mit dem die Verbraucher ihre eigenen, der Kontrolltechnik oft entgegenstehenden Nutzerrechte einklagen könnten, gebe ihnen die Regierung nicht an die Hand. Vielmehr solle die Durchsetzbarkeit der Privatkopie gegen die Wächtersysteme vertagt werden, "bis DRM flächendeckend eingesetzt wird." Die "äußerst kostenintensive Infrastruktur" DRM ist nach Meinung der Verfasser der Stellungnahme aber eine "Chimäre". Sie hat ihnen zufolge "keinerlei Wirkung gegen die kommerzielle Verbreitung nicht genehmigter Kopien und ebenso wenig gegen nicht genehmigte Verbreitung in Tauschbörsen."

Da Filesharing nicht zu stoppen sei, bleibe nur die Einführung einer Vergütungspauschale für die Nutzung von Tauschbörsen, führen die Organisationen aus. Andernfalls würden die Autoren weiterhin leer ausgehen. Die bereits ins Feld geführte "Kultur-Flatrate" sei nicht nur "philosophisch ideal", wie es im Bundesjustizministerium heißt. Die damit einhergehende "kollektive Verwaltung von Urheberrechten" sei vielmehr allein dem "Massenindividualmedium Internet" angemessen. Da das gesteigerte "öffentliche Interesse an einer vergütungsfreien Nutzung" von P2P offensichtlich sei, könne das Hauptargument des Justizministeriums gegen eine Kultur-Flatrate -- eine dafür erforderliche Änderung der EU-Urheberrechtsrichtlinie -- nicht ausschlaggebend sein. Die Bundesregierung habe sich vielmehr in Brüssel für eine Reform der "dringend reparaturbedürftigen" EU-weiten Gesetzgebung einzusetzen. Das Konzept "sollte nicht leichtfertig verworfen, sondern in einer breiten Anstrengung auf seine Machbarkeit überprüft werden", lautet der Appell der Organisationen.

Zu dem Entwurf des Bundesjustizministeriums für die weitere Novellierung des Urheberrechts siehe auch:

Zur Auseinandersetzung um das Urheberrecht siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)