Vier Bieter für die LKW-Maut in Tschechien
T-Systems will wieder an dem Vergabeverfahren um die Einrichtung eines Mautsystems im Nachbarland teilnehmen, wenn die angeblich überzogenen Bedingungen der Ausschreibung korrigiert würden.
Nachdem zum Angebots-Abgabeschluss am Freitag bekannt geworden war, dass weder Siemens noch T-Systems im Bieterverfahren um die tschechische LKW-Maut eine Rolle spielen, gab es zur Veröffentlichung der Bieter am Montagnachmittag eine weitere faustdicke Überraschung: Von insgesamt 102 Firmen und Konsortien, die am Interessenbekundungsverfahren des Prager Verkehrsministeriums teilnahmen, gaben nur vier ein konkretes Angebot für die Errichtung eines streckenabhängigen Mautsystems ab.
Das günstigste Angebot stammt von einem Konsortium der Schweizer Firmen Fela, Ascom und der tschechischen Damov. Sie wollen das Mautsystem mit Schweizer Technik für 433 Millionen Euro errichten. Als zweitbester Bieter konnte sich italienische Technik platzieren: Die Autostrada verlangt 506 Millionen, musste allerdings in letzter Minute den Absprung ihres Technologiepartners Siemens verkraften. Auf Platz drei und vier folgt österreichische Technik: Kapsch will für 636 Millionen, Strabag für 963 Millionen Euro das Mautsystem in Tschechien errichten. Eine ungewöhnliche Rolle spielt T-Systems, die das deutsche LKW-Mautsystem ins Rennen schicken wollte, doch in allerletzter Minute absprang. Die Firma reichte einen "Letter of Intent" ein, wieder an dem Verfahren teilnehmen zu wollen, wenn die nach ihrer Meinung überzogenen Bedingungen der tschechischen Ausschreibung korrigiert würden.
Mit knapp 1000 Kilometern ist das tschechische Autobahnnetz eines der kleinsten Netze in Europa. Dafür besitzt Tschechien viele gut ausgebaute Straßen erster und zweiter Ordnung, über die der Fernverkehr rollt. Nach den derzeit existierenden EU-Richtlinien dürfen nur Autobahnen und Strecken erster Ordnung bemautet werden ("streckengeführte Maut", wie in Deutschland von Toll Collect errichtet). In der Diskussion steht allerdings eine Veränderung dieser Richtline, also die Maut auf alle Straßen auszudehnen ("flächenbezogene Maut", wie in der Schweiz realisiert).
Dementsprechend flexibel sind die Details der tschechischen Ausschreibung gefasst, die überdies sehr enge Termine nennt und von Fachleuten darum als "eierlegende Express-Wollmilchbiersau" tituliert wurde. Dennoch erhofft sich die Industrie vom tschechischen Verfahren eine Signalwirkung, die auf ganz Europa ausstrahlt, weil die OBUs (On Board Units) mit anderen Systemen harmonisieren sollen. Als nächstes Land könnte Schweden sein Maut-System ausschreiben. Auch dieses Land verfügt über relativ wenige Autobahnkilometer und ein großes Landstraßennetz.
Zur satellitengestützten LKW-Maut in Deutschland siehe auch:
- Nun doch ein Vorzeigeprojekt -- Das LKW-Mautsystem soll zum Exportschlager werden, c't 2/05, S. 68
- Verursacherbedingt verspätet -- Das "fortschrittlichste Mautsystem der Welt" und die Realität, c't 22/03, S. 92
- Ausgebremste Automatik -- Das Kreuz mit der satellitengestützten Lkw-Maut, c't 21/2002, S. 60
- Vor 10 Jahren: Autobahnmaut mit GSM und GPS
- LKW-Mautsystem kein Exportschlager
- Österreich kauft Mautbetreiber
- SPD lehnt PKW-Maut ab
- Sommer, Sonne, OBU
- Bund fordert vom Konsortium über 5,1 Milliarden Euro
- Verband zweifelt Kontrollsystem für LKW-Maut an
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(Detlef Borchers) / (anw)