LKW-Maut: Wer leer fährt, geht leer aus

Der auf der Basis von Expertengesprächen und Toll-Collect-Daten erstellte erste Sonderbericht der Reihe "Marktbeobachtung Güterverkehr" des BAG korrigiert einige Argumente in der Debatte um die LKW-Maut, wirft aber gleichzeitig neue Fragen auf.

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Von
  • Detlef Borchers

Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) hat in seiner Reihe "Marktbeobachtung Güterverkehr" den ersten Sonderbericht (PDF-Datei) veröffentlicht, der sich mit den Auswirkungen der deutschen LKW-Maut beschäftigt. Der auf der Basis von 340 Expertengesprächen und vielen von Toll Collect eingegangenen Informationen erstellte Bericht korrigiert einige Argumente in der Debatte um die LKW-Maut, wirft aber gleichzeitig neue Fragen auf.

So hatte die Lobbyorganisation "Allianz pro Schiene" vor wenigen Tagen unter Hinweis auf die stark angestiegene Zahl mautfrei fahrender LKW (bis 12 Tonnen Gesamtgewicht) die Ausweitung der Maut auf alle Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen gefordert. Diese Forderung war vom Spediteursverband als Täuschung der Öffentlichkeit kritisiert worden, weil keine Substitution von großen Brummis durch kleine Transporter erfolgt sei. Der Sonderbericht der BAG klärt den Sachverhalt auf: Tatsächlich sei die Anmeldung von kleinen LKW gestiegen, doch nicht im Fernverkehr. Vielmehr habe dies mit der besonderen Situation des Nahverkehrs zu tun, in dem sich die Kunden schlicht weigern, anfallende Mautkosten zu bezahlen. Vielfach werde Spediteuren empfohlen, bestimmte Ausweichstrecken zur Anlieferung zu benutzen. Entsprechend heißt es im Sonderbericht: "Die im Rahmen der Marktbeobachtung befragten Unternehmen, die LKW mit einem zGG bis zu 12 t einsetzen, tun dies vor allem im Nahbereich. In diesem Marktsegment fiel es vielen befragten Unternehmen mit mautpflichtigen Lastkraftwagen besonders schwer, die Mautkosten an ihre Auftraggeber weiterzugeben. Es ist davon auszugehen, dass diese Situation durch vermehrten Einsatz von LKW bis zu 12 t zGG entschärft werden soll."

Auch in der Dauerdiskussion um die Ausweichstrecken, die LKW abseits der Autobahnen verstärkt nutzen, zeichnet der Bericht ein etwas anderes Bild. Nach Auskunft der vom BAG befragten Speditionen lohnt sich die Umgehung von Autobahnfahrten nicht, da die Zeitfenster der Kunden zu eng seien. Ist man jedoch im Zeitplan oder noch nicht auf die Autobahn aufgefahren, so wird gespart, unterstützt von guter Navigationssoftware: "Das Ausweichen von der Autobahn erfolgt meist auf dem ersten oder letzten Teilstück einer Fernverkehrsbeförderung sowie im Regional- und Nahverkehr."

Unter ökologischen Gesichtspunkten zeichnet der Bericht eine triste Perspektive: die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene oder auf Schiffe hat dem BAG zufolge nicht stattgefunden. Allenfalls die Leerfahrten seien weiter rückläufig: Mit Ausnahme von Tankzügen und Fleischfahrzeugen etc., bei denen die Leerfahrt zur nächsten Reinigungsmöglichkeit bezahlt wird, zahlt niemand die Mautkosten der Leerfahrten. Dies hat zur Folge, dass randseitig gelegene Betriebe über einen Umzug nachdenken. Zum Leerfahrteneffekt heißt es im Bericht: "Dieser Effekt wird verstärkt, wenn die periphere Region des Betriebes so strukturschwach ist, dass die Transportunternehmen regelmäßig keine Rückladungen in die/aus der Region erhalten und so große Leerfahrtenanteile entstehen, die zusätzliche Mautkosten erzeugen. Die verschlechterte Wettbewerbslage kann zu Betriebsverlagerungen in zentrale Regionen oder zu Betriebsschließungen führen." Besonders in der Lebensmittelbranche sollen Werke in Nord- oder Ostdeutschland die Produktionsverlagerung in die mittleren Regionen Deutschlands anstreben.

Auch im internationalen Maßstab finden sich im Bericht interessante Details. Sie beginnen bei der vielfach diskutierten Entschädigung deutscher Spediteure, die teuren deutschen Diesel tanken müssen, dem so genannten Mautermäßigungsverfahren. Das ist für die auf Langstrecken fahrenden Speditionen kein Thema: "Unternehmen, die vor allem im Bereich des grenzüberschreitenden Verkehrs tätig sind, nehmen den größtenTeil der Fahrzeugbetankung in Verbindung mit Auslandsfahrten in den kostengünstigeren Nachbarstaaten vor. Sie erreichen so eine weit höhere Kostenentlastung als durch das angestrebte Verfahren."

Der BAG-Bericht, der den reibungslosen Start der deutschen LKW-Maut lobt, zeigt drastische Unterschiede bei den "Gebietsfremden". Während Niederländer, Polen und Tschechen die größten OBU-Kontigente zur automatischen Abbuchung der Maut installiert haben, fallen die ebenso häufig auf den Autobahnen fahrenden Franzosen und Spanier aus der Rolle. Sie haben zwar die LKW bei Toll Collect registriert, doch selten eine OBU an Bord. Bevorzugt wird das Internet genutzt, das ansonsten keine große Rolle spielt.

Auch die eigentlichen Gewinner der LKW-Maut sind im Bericht erwähnt: Die Anbieter von Tankkarten spielen bei der Zahlungsabwicklung eine dominierende Rolle, weil sie die Rechnungen von Toll Collect mit einem Verzug von 14 Tagen oder einem Monat weiterreichen.

Zur satellitengestützten LKW-Maut in Deutschland siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)