Moskauer Gericht spricht ehemaligen AllofMP3-Chef frei

Ein Moskauer Gericht hat den ehemaligen Chef des inzwischen geschlossenen russischen Online-Musikladens freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte Denis Kvasov Urheberrechtsverletzung vorgeworfen und drei Jahre Haft gefordert.

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Schwere Schlappe für die internationale Musikindustrie: Der frühere Betreiber des inzwischen geschlossenen russischen Download-Shops AllofMP3.com ist in Moskau vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Urheberrecht freigesprochen worden. Das Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass Denis Kvasov mit dem seinerzeit auch im Westen äußerst beliebten Portal die Rechte westlicher Musiklabels verletzt habe. Für Richterin Jekaterina Scharapova hatten die Anklagevertreter keine überzeugenden Beweise für Kvasovs Beteiligung an Urheberrechtsverletzungen vorlegen können.

In dem aufsehenerregenden Prozess hatte die Staatsanwaltschaft zuvor eine dreijährige Haftstrafe für Kvasov und Entschädigung für die Major-Lables EMI, Warner Music und Universal von insgesamt 15 Millionen Rubel (420.000 Euro) gefordert. AllofMP3.com erfreute sich wegen der günstigen Angebote (komplette Alben waren schon für weniger als 2 Euro erhältlich) auch in Westeuropa und den USA großer Beliebtheit. Bei AllofMP3.com sollen weltweit mehrere Millionen Kunden angemeldet gewesen sein; der Jahresumsatz wurde zuletzt auf über 20 Millionen Euro geschätzt.

Die Musik-Majors argumentieren, die Betreiber besäßen die notwendigen Lizenzen nicht und würden sich daher illegal an den Werken der Künstler bereichern. AllofMP3-Betreiber Media Services hatte diese Vorwürfe stets zurückgewiesen und erklärt, Verträge mit einer russischen Verwertungsgesellschaft zu haben – die allerdings von der Musikindustrie nicht anerkannt werden. Die Moskauer Niederlassung des Internationalen Verbands der Phonoindustrie (IFPI) kündigte laut dpa Berufung gegen den Freispruch an. "Wir sind sehr enttäuscht, dass das Gericht es heute unterlassen hat, Denis Kvasov zu verurteilen und erwarten, dass die Anklage in Berufung geht", sagt der IFPI-Vizepräsident für Recht und Regulierung, Jo Oliver. "Media Services verstößt klar gegen russische Gesetze, und wir hoffen, dass diese unglückliche Entscheidung bald revidiert wird."

Der MP3-Laden ist nicht nur der westlichen Musikindustrie ein Dorn im Auge. Er gilt auch als Hürde für die russischen Bemühungen um eine Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO. Die Verhandlungen mit den USA über den Beitritt sollen nach Vorstellungen der Russen bis Ende des Jahres über die Bühne gegangen sein. Die Bemühungen der Moskauer Justiz und der internationalen Verbände der Rechteinhaber sowie zunehmende Schwierigkeiten bei der Zahlungsabwicklung hatten AllofMP3-Betreiber Media Services zuletzt offenbar zur Aufgabe gezwungen.

Doch gibt es inzwischen zahlreiche Klone und weitere Anbieter. So erlaubt eine von Alltunes.com vertriebene Player-Software den Zugriff auf den ehemaligen AllofMP3-Katalog. Alltunes.com nimmt auch wieder internationale Zahlungen an: Der russische Partner des Kreditkartenunternehmens Visa wurde von einem Moskauer Gericht angewiesen, Zahlungen für den Download-Dienst auch weiterhin abzuwickeln. Ein pauschale Sperre, wie von Visa verhängt, sei unzulässig, befand das Gericht. Sperren könnten nur verfügt werden, wenn Rechteinhaber zuvor Urheberrechtsverletzungen gerichtlich geltend gemacht haben.

Zu den Hintergründen der AllofMP3-Schließung und zum umstrittenen russischen Musik-Download-Markt siehe auch den Artikel in c't 16/2007:

Zu den Auseinandersetzungen um AllofMP3, MP3Sparks und Alltunes siehe auch: