Der Stern aus Turin

Fiat 130: Image essen Auto auf

Der Fiat 130 zählt zu den besten Autos, die sich nie durchgesetzt haben. Weil Besserverdiener keinen Fiat wollten, die Händler überfordert waren und Mercedes schon auf der Überholspur war. Das ist tragisch, war aber vorhersehbar

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Fiat 130 8 Bilder

(Bild: Hersteller)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte vom Autohersteller, der nach dem zweiten Weltkrieg die Massen mobilisiert, erzählen sich die Aficionados in jedem Land. Auch in Italien, wo es selbstverständlich um Fiat geht. Doch diese Mobilitätsmärchen sind meist nur der Prolog zu einem Drama. So auch hier. Wo das Märchen endet und das Drama beginnt seinen Lauf zu nehmen, ist im Falle von Fiat recht eindeutig. 1965. In diesem Jahr baute die Marke sein millionstes Auto und in Österreich (Steyr-Daimler-Puch) und Deutschland (NSU) wurden die Produkte in Lizenz gebaut. Fiat stieg zum größten Hersteller Europas auf.

1966 übernahm Giovanni Agnelli das Ruder, der Enkel des gleichnamigen Firmengründers. Ihm eilte der Ruf eines Playboys voraus, den er sich in den Nachkriegsjahren erarbeitet hatte. Doch seinen Job machte er gut. Ihm zur Seite stand Umberto Agnelli, sein Bruder, der für die internationale Strategie verantwortlich war. Gemeinsam nutzten sie die Marktmacht Fiats, um jede Marke einzugliedern, die sich entweder eine gewisse Präsenz erarbeitet hatte oder in finanzielle Schwierigkeiten geriet – Autobianchi, Lancia, Ferrari.

Modernisierung der Modellpalette

Auch die Probleme ihrer Produkte kannte das Brüderpaar. Die Nachkriegsautos waren technisch nie revolutionär. Einfach, robust und damit auf ihre Weise brillant, aber nie zukunftsweisend. Meist waren es Ideen, die bereits in den 1930ern und 1940ern zu Papier gebracht worden waren und die dank der Massenfertigung günstig zu haben waren. Mehr wollte der Kunde nicht.

Doch in den 1960er-Jahren änderte sich das und Fiat reagierte mit einer gelungenen Modernisierung der Modellpalette. Die neu entwickelten 850, 124 und 125 waren eine Modelloffensive, die den Zeitgeist traf.

Fiat war aber immer mehr als nur ein Autohersteller. Fiat war der Inbegriff von Italien. Die Wirtschaftspolitik (und die Arbeitsgesetze) des Landes waren stark mit dem Konzern abgestimmt. Fiat selbst musste Arbeitskämpfe und Streiks ausfechten und 1969 sogar eine Werksbesetzung über sich ergehen lassen. Damals entstand die Gruppe „Lotta continua“ (deutsch: „Ständiger Kampf“) in der sich Fiat-Arbeiter und Studenten solidarisiert hatten.

Nebenbei: Zu dieser Zeit flirteten die Agnellis kräftig mit Palmiro Togliatti, dem Kommunistenführer in Italien. Der verhalf Fiat zu einem Werk in Stawropol (später: Toljatti, nach dem italienischen Kommunisten). Aus dem Fiat 124 wurde dort der Lada 2101 „Shiguli“. Die Russen bezahlten das Werk mit dem Stahl, der Fiat in den 1970ern in eine veritable Rost-Krise stürzen sollte.

Selbst der Papst fuhr Mercedes

Zurück zum Fiat 130. Es musste den Stolz von Agnelli hart getroffen haben, dass die Oberschicht Italiens keine Fiat fahren wollte, Politiker auch nicht. Herrgott, selbst der Papst fuhr Mercedes!

Die Konkurrenz hatte Fiat etwas Entscheidendes voraus. Sie war breiter aufgestellt. Opel hatte mit Commodore, Kapitän und Admiral eine ganze Sechszylinder-Flotte, was die Produktionskosten niedrig hielt. Mercedes war mit dem 250 und 280 Marktführer, Jaguars MK II war längst etabliert und der XJ6 schickte sich gerade an zur Designikone zu werden. BMW war mit dem 2500 eine echte Sensation geglückt und Citroën zeigte sich mit der DS von seiner innovativen Seite. Kurzum: Für einen Kleinwagenhersteller mit Minderwertigkeitskomplex war auf dem Markt der Oberklasse-Fahrzeuge genau genommen kein Platz mehr.