Test Hyundai Tucson Hybrid: Sparsam ohne externe Aufladung

Der Hyundai Tucson der vierten Generation polarisiert optisch mit seiner klaren Kante. Punktet er auch mit inneren Werten? Im Test der Hybrid ohne Stecker.

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Hyundai Tucson Hybrid

Der Hyundai Tucson Hybrid wird es auf dem Markt nicht leicht haben, denn er profitiert nicht von den aktuellen Förderbedingungen.

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Christian Lorenz
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Irgendwie anders - das fasst das Design des Ende 2020 eingeführten Hyundai Tucson der vierten Generation noch am freundlichsten zusammen. Der Anspruch ist unübersehbar, die sogenannten Premium-Marken in der über alle Maßen beliebten Klasse der Mittelklasse-SUV eigenständig, selbstbewusst und mit hoher Qualität herauszufordern. Auch technisch geht der Tucson interessante Wege. Die beiden Topmodelle mit Allradantrieb sind sowohl als staatlich geförderter Plug-in-Hybrid als auch als Vollhybrid ohne Stecker zu haben. Wir wollten wissen, ob der Hybrid ohne Stecker und mit 169 kW Systemleistung eine echte Alternative ist.

Das Interieur des Tucson polarisiert, Gott sei Dank, bei weitem nicht so wie das Exterieur. Der Testwagen in der Topausstattungslinie "Prime" versprüht Luxus und Flair. Allein die Grafik des Navigationssystems wirkt im Vergleich zu den ebenso hochauflösenden wie teuren Topsystemen der deutschen Premiumhersteller etwas dürftig. Ansonsten fühlt sich der Hyundai im Interieur im Vergleich zur teureren Konkurrenz von VW Tiguan bis Audi Q3 (Fahrbericht) wie ein paar Klassen luxuriöser an. Verarbeitung und Materialien sind auf Volvo-Niveau. Die Mittelkonsole mit haptisch spürbaren Schaltflächen für die Klimabedienung schafft einen ergonomischen Spagat zwischen moderner Optik und intuitiver Bedienung.

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Praktisch sind die Tasten für die Sitzverstellung links an der Beifahrerlehne, mit denen man älteren Mitfahrern den Sitz einstellen oder ein Rücksitzpassagier den Beifahrer ärgern kann. Dieses Feature der Topausstattungslinie zeigt, dass ostasiatische Kunden auch Autoformate für Chauffeurdienste nutzen, bei denen man hierzulande niemals auf diese Idee kommen würde. Kunden überall auf der Welt dürften den vergleichsweise fürstlichen Fond zu schätzen wissen. Sogar im Fond eines BMW X5 sitzt man schlechter, weil mit deutlich weniger Beinauflage. Die Neigung der Rückenlehne lässt sich verstellen. Der Fond eines BMW X3 ist im Vergleich um mehr als eine Klasse unbequemer.

Hyundai Tucson Hybrid AWD - innen (9 Bilder)

Eigenständig, hochwertig und ergonomisch präsentiert sich der Innenraum des Hyundai Tucson. Die 6-Stufen-Automatik wird über Drucktasten bedient. Die Material- und Verarbeitungsqualität erreicht Volvo-Niveau.
(Bild: alle Florian Pillau)

Auch mit seinem Kofferraumvolumen von 616 bis 1795 Litern deklassiert der Tucson Hybrid sogar die Verbrenner-Versionen BMW X3 (550 bis 1600 Liter) und Audi Q5 (520 bis 1520 Litern). Vergleicht man die Plug-in-Hybride, ist der Abstand des Tucson PHEV mit 558 bis 1721 Litern noch deutlicher (BMW X3 30e: 450 bis 1500 Liter, Audi Q5 50 TFSi e Quattro: 455 bis 1365 Liter).

Dabei ist der Tucson eigentlich eine ganze Nummer kleiner als diese Konkurrenten. Mit rund 4,5 m ist er etwa so lang wie Audi Q3 und VW Tiguan. Trotz im Vergleich zum X3 um 20 cm kürzerer Karosserie bietet der Hyundai in jeder Hinsicht deutlich mehr Platz. Eine elektrische Heckklappe ist serienmäßig. Die Gestensteuerung ist aber nicht auf dem Niveau, das die Deutschen gegen Aufpreis bieten. Es passiert Neulingen oft, dass die Heckklappe ungewollt öffnet, wenn man hinter dem Hyundai vorbeiläuft.

Hyundai Tucson Hybrid AWD - Anzeigen, Details im Interieur (8 Bilder)

Der Kombiinstrumentenbildschirm ist übersichtlich aufgebaut und im engen Rahmen individuell konfigurierbar gut ablesbar. Die Batterieladestandsanzeige im unteren Teil des virtuellen rechten Rundinstrumentes ist eine Besonderheit. Sie ist bei 48-Volt-Hybriden selten, die sich nicht extern aufladen lassen.
(Bild: alle Florian Pillau)

Das SUV setzt sich lautlos elektrisch in Bewegung. Das Zusammenspiel des 1,6-Liter-Vierzylindermotors mit 132 kW und dem 44 kW starken Elektromotor funktioniert harmonisch. Der Fahrer bekommt vom ausgeklügelten Antrieb nichts mit. Der Tucson Hybrid ist sehr angenehm motorisiert und prädestiniert für das entspannte Kilometerfressen, zumal der kleine Vierzylinder gut gedämmt ist. Die Zweiliter-Motoren von BMW und Audi werden beide noch nöliger, wenn man sie fordert. Mit dem optionalen Allradantrieb ist man zudem auf fast jedem Geläuf und jeder Witterung souverän gerüstet. Die Fahrleistungen mögen sich vielleicht für manche Zeitgenossen zu unspektakulär lesen.

Tatsächlich fühlt sich der Tucson Hybrid viel besser und souveräner motorisiert an, als die Daten mit gut acht Sekunden für die Beschleunigung auf 100 km/h und 193 km/h Höchstgeschwindigkeit ausdrücken können. Stammtisch-Fabelzeiten standen hier nicht im Lastenheft. Der Tucson ist für Sparsamkeit optimiert. Eine Ladeanzeige signalisiert, dass der 1,49 kWh kleine Akku meist zur Hälfte gefüllt ist. Mit einem Durchschnittsverbrauch von knapp 6 l/100 km ist der Tucson Hybrid vergleichsweise sparsam. In der Stadt, wo der Elektromotor noch öfter eingreift und mehr rekuperieren kann, sind sogar Verbrauchswerte mit einer Fünf vor dem Komma drin. Das ist für ein SUV dieser Größe mit mechanischem Allradantrieb beeindruckend.

Diese Hybridtechnik ist, ähnlich wie der viel gelobte HSD-Antrieb von Toyota, eine interessante, vielleicht sogar bessere Alternative zu den Plug-in-Hybriden. Die Effizienz ist in der Praxis besser als bei vergleichbaren PHEV. Der Gesetzgeber fördert allerdings nur letztere. Das liegt daran, dass deutsche Hersteller so gut wie keine Vollhybrid-Fahrzeuge ohne Stecker anbieten. Es scheint dem Gesetzgeber mehr um die Förderung der deutschen Automobilindustrie zu gehen als um niedrige Schadstoffemissionen.

Hyundai hat beim Tucson den alternativ verfügbaren Plug-in-Hybrid so kalkuliert, dass sein Preis nach Abzug der Förderung etwa 3000 Euro unter dem hier getesteten Fahrzeug liegt. Die Ursache dafür liegt auf der Hand: Dank der absurden Berechnung des Verbrauchs von PHEV-Modellen im WLTP profitiert der Hersteller im Flottenverbauch von jedem verkauften Plug-in-Hybrid. In der Praxis liegen Sprit- und Stromverbrauch allerdings oftmals erheblich über den Laborwerten. Schade ist, dass insbesondere durch die geringere Dienstwagenbesteuerung für PHEV der hier getestete Hybrid ohne Stecker für Geschäftskunden finanziell uninteressant wird.