LKW-Maut: Die OBU-Welle kann rollen

Auf Seiten der Betroffenen wird das Bild von den nunmehr funktionierenden, massenhaft einzubauenden On Board Units für die LKW-Maut nicht ganz so optimistisch beurteilt wie im Bundesverkehrsministerium und bei Toll Collect.

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Von
  • Detlef Borchers

Nach einer Mitteilung des Bundesverkehrsministerium sollen ab Juni die On Board Units (OBU) für die automatische Abbuchung der LKW-Maut "massenhaft" in die LKWs eingebaut werden. Bis zum Start der Maut am Jahreswechsel sollen 500.000 OBU in die Fahrerhäuser wandern. Ein Sprecher des Ministeriums räumte ein, dass der gesteckte Zeitplan "ehrgeizig" sei, es jedoch keine Zweifel gebe, dass der Plan eingehalten werden kann, wenn die Werkstätten und Spediteure mitziehen.

In der vergangenen Woche endete der so genannte Gutachtertest des Mautsystems. Dabei wurde mit 40 OBUs der Hersteller Grundig und Siemens VDO "nahezu jeder" der 5136 Autobahnabschnitte getestet, die mautpflichtig sind. Nach den vorläufigen Zahlen des Gutachtens wurden dabei 99,2 Prozent der Autobahnabschnitte korrekt erfasst und berechnet. Die Erkennung von Autobahnauf- und Abfahrten kam auf eine Zuverlässigkeitsquote von 98,9 Prozent. Zur Erhöhung dieser Quote sollen weitere "Stützbaken" aufgestellt werden.

Auf Seiten der Betroffenen wird das Bild von den massenhaft einzubauenden OBU etwas anders beurteilt. Bereits am vergangenen Mittwoch hatte Karlheinz Schmidt, Geschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) gegenüber der Berliner Zeitung behauptet, dass der Zeitplan viel zu eng sei. Außerdem würde der Maut-Betreiber Toll Collect die Testergebnisse schönreden. So würden Fahrer nach wie vor von Orientierungs- und Stromproblemen auch der OBUs neuerer Bauart berichten, auch wenn diese nicht mehr "reihenweise sterben" würden.

Auf der heute in Köln gestarteten Fachmesse EuroCargo bezweifelten Besucher den Zeitplan aus anderen Gründen: "Eine halbe Million Geräte können die Werkstätten doch nur stemmen, wenn sie nur OBUs einbauen, das ist doch unrealistisch", meinte der Disponent einer Kölner Spedition aus dem Bereich Automobillogistik gegenüber heise online. Gleichzeitig äußerte er den Wunsch, dass das Thema bald "gegessen" sein müsse: "Wenn ich an den nächsten Huckel, den elektronischen Fahrtenschreiber denke, wird mir wieder schlecht."

Während die ersten LKWs mit den digitalen Fahrtenschreibern (EFS) vor der Auslieferung stehen, ist noch nicht geklärt, wie die Verkehrsämter die Ausgabe der Fahrerkarten bewerkstelligen. Auf der EuroCargo schaut man indes positiv gestimmt in die Zukunft der digitalen Frachtbegleitung, die viel weitreichender als die Mautabwicklung gehen soll: Auf der Messe findet morgen das "OSGi-Forum" statt, das sich mit dem Datenfernzugriff im Rahmen des digitalen Flottenmanagements beschäftigt. Die OSGi-Allianz arbeitet daran, das Flottenmanagement und die Frachtsteuerung sowie das Infotainment für die Fahrer über einheitliche, offene Schnittstellen abzuwickeln.

Zu den Verwicklungen um die Mauteinführung in Deutschland, zu RFID und zu möglichen Datenschutzproblemen siehe auch:

  • Mitteilsame Etiketten -- Smart Labels wecken Verkäufer-Wunschträume und Verbraucher-Albträume, c't 9/2004, S. 122
  • Verursacherbedingt verspätet -- Das "fortschrittlichste Mautsystem der Welt" und die Realität, c't 22/2003, S. 92, verfügbar im heise online-Kiosk
  • Ausgebremste Automatik -- Das Kreuz mit der satellitengestützten Lkw-Maut, c't 21/2002, S. 60

(Detlef Borchers) / (jk)