Autogipfel mit der Kanzlerin: Formulierung von Erwartungen

Die nächste "Konzertierte Aktion Mobilität", auch als "Autogipfel" bekannt, steht an. Wie immer positionieren sich die Akteure vorab.

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Vor allem die Bundesländer, in denen die Autoindustrie stark vertreten ist, fordern eine Unterstützung dieser Branche.

(Bild: Audi)

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Das Spiel wiederholt sich: Vor dem Treffen von Industrie und Politik verraten Berufene, was sie sich von dem Spitzengespräch erwarten – ob sie nun direkt daran beteiligt sind oder eben auch nicht. Überraschungen sind dabei ebenso gut ausgeschlossen wie ein merklicher Einfluss auf eventuelle Ergebnisse. Denn die Positionen sind je nach Richtung, aus der sie wehen, ziemlich zuverlässig vorhersehbar.

Der Streit um eine eventuelle Zukunft des Verbrennungsmotors ist erneut entbrannt. Die IG Metall sieht durch den Strukturwandel in der Autoindustrie erhebliche Risiken für die Beschäftigung. Der Erste Vorsitzende der Gewerkschaft, Jörg Hofmann, warnte vor einem vorzeitigen und verfrühten Ende des Verbrennungsmotors. Als Instrument dafür sieht er die Abgasnorm Euro 7, über die derzeit verhandelt wird. Sie soll ab 2025 für alle erstmals in der EU zugelassenen Autos gelten.

"Wenn sich die Gerüchte bestätigen, würde dies ein vorzeitiges und verfrühtes Ende des Verbrennungsmotors einläuten, ohne dass Alternativen bereitstehen würden", sagte Hofmann der dpa. "Dazu darf es nicht kommen." Die IG Metall sei für eine Abgasnorm Euro 7, wenn der Korridor des Machbaren eingehalten werde. "Künftige Abgasgrenzwerte müssen aber in jedem Fall mit technischen Lösungen, die zum Inkrafttreten der Vorschriften serienreif und verfügbar werden, erreichbar sein."

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte sich kürzlich gegen eine kurzfristige Verschärfung der Abgasvorschriften durch die EU ausgesprochen, die Schadstoffemissionen von Pkw und Lkw wie Stickstoffoxide regeln. "Das Verkehrsministerium wird sich bei der Euro-7-Debatte sehr ablehnend positionieren", sagte er der Welt am Sonntag. Die Grenzwerte müssten technisch erfüllbar bleiben.

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte, beim "Autogipfel" werde besprochen, wie die Klimaschutzziele mit neuen und digitalen Technologien umgesetzt werden könnten und welche Rahmenbedingungen die Bundesregierung und die EU-Kommission schaffen müssten.

Im November 2020 hatte Müller vor einem faktischen Aus für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2025 gewarnt: "Die Kommission will vorschreiben, dass künftig ein Fahrzeug in jeder Fahrsituation quasi emissionsfrei bleiben muss – sei es mit Anhänger am Berg oder im langsamen Stadtverkehr. Das ist technisch unmöglich, und das wissen auch alle", kritisierte Müller. Damit kämen die geplanten Verschärfungen einem Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren gleich. "Statt eines Verbotes brauchen wir Innovationen und Investitionen in E-Fuels und die Brennstoffzelle. Nicht der Verbrenner ist das Problem, sondern der Kraftstoff."

Ein massenhafter Einsatz von synthetischen Kraftstoffe, für den sich auch Scheuer einsetzt, ist aber höchst umstritten. "Statt über synthetische Kraftstoffe zu fabulieren, die zu teuer und nur in sehr begrenztem Umfang zur Verfügung stehen werden, sollte der Autogipfel ein klares Signal für die Elektromobilität setzen", sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer der dpa. Das blendet aus, dass mit diesen Treibstoffen sich auch der Fahrzeugbestand weniger umweltbelastend betreiben ließe.

ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze sagte: "Ein fixes Verbot für den Verbrennungsmotor würgt aus Sicht des ADAC Innovationen bei Benzin- und Dieselmotoren ab, obgleich hier weiterhin Potentiale liegen." Letzteres ist sicher unbestritten, doch es bleibt die Frage, in welcher Höhe? Wie sich diese Potentiale erschließen ließen, um auf das heutige Niveau eines batterieelektrischen Antriebs zu kommen, verriet Schulze nicht.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sagte der dpa: "Wir Grünen wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zulassen, damit alle Beteiligten endlich Planungssicherheit haben." Es müsse nun darum gehen, die Elektromobilität zum Erfolg zu machen für die Wirtschaft, die Beschäftigten und das Klima. Wichtig sei ein klares Bekenntnis des "Autogipfels" zum Plan der EU-Kommission, die Flottengrenzwerte nachzubessern und damit den Spritverbrauch zu senken, so Krischer: "Der Staat gehe gerade bei der Elektromobilität in die Vorleistung, aber die Unterstützung der meisten Autohersteller fehle. "Man jammert über fehlende Ladesäulen, will sich aber nicht auf die E-Mobilität festlegen – so geht es nicht."

Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup sagte, die Absatzmärkte für Autos mit Verbrennungsmotor schrumpften rasant. "Eine Bundesregierung, die beim Klimaschutz im Verkehrssektor bremst, ist nicht nur ökologisch enttäuschend, sondern auch ökonomisch auf dem Holzweg." Ein festes Ausstiegsdatum aus dem Verbrenner helfe nicht nur dem Klima, sondern auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Mehrere Umweltverbände hatten die deutschen Autohersteller aufgefordert, bis spätestens 2030 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zu verkaufen.

Ein solcher Beschluss auf einem "Autogipfel" wäre eine Sensation und widerspräche damit dem, was bisherige Treffen dieser Art erbrachten. Damit ist nicht zu rechnen. Ohne gesetzliche Vorgaben wird die Industrie das weiter produzieren, was sie verkaufen kann. Immerhin hat die Politik inzwischen auf verschiedenen Wegen mit milliardenschweren Förderungen die E-Mobilität angeschoben. Das blieb nicht ohne Folgen: Plug-in-Hybride und Elektroautos waren im vergangenen Jahr gefragt wie nie.

(mfz)