CO₂-Ziele der Autohersteller: Wer muss nachlegen?

2024 sind fast alle Hersteller auf Kurs. Doch 2025 führen härtere Vorgaben dazu, dass der Anteil der Elektroautos steigen muss. Andernfalls drohen hohe Strafen.

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BMW i4 an Ladesäule

Neue Regeln führen dazu, dass die CO₂-Ziele ab 2025 für einige Hersteller eine Herausforderung werden. Ohne einen höheren E-Auto-Anteil bei den Zulassungen wird es schwierig, Strafzahlungen zu vermeiden.

(Bild: BMW)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wird sich in Brüssel für das Vorziehen der Revision des CO₂-Flottengrenzwerts einsetzen. Statt wie geplant 2026 soll früher mit der Prüfung begonnen werden. Das hat Habeck nach dem Autogipfel mit Vertretern der deutschen Industrie und auf deren Wunsch klargemacht. "Dem will ich gerne folgen." Keine Rede war dagegen von einer Aufweichung oder gar Abschaffung des CO₂-Mechanismus. Es bleibt bei der vorgeschriebenen Reduktion von Minus 15 Prozent ab 2025. So wie es derzeit aussieht, werden sämtliche Hersteller die Vorgabe einhalten. Allerdings nur, wenn sie etwas mehr Elektroautos verkaufen.

Sämtlichen im Europäischen Wirtschaftsraum – also inklusive Island, Liechtenstein und Norwegen – neu zugelassenen Pkw ist ein eigener CO₂-Wert zugeordnet. Der wird im Verfahren WLTP (Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure) ermittelt, das die Emissionen am Auspuff misst. Elektroautos gehen also mit null Gramm in die Bilanz ein. Der durchschnittliche CO₂-Wert aller neu registrierten Autos eines Herstellers in einem Zulassungsjahr ist maßgeblich für den Flottengrenzwert.

In den Jahren 2021 bis 2024 sind 95 Gramm pro Kilometer erlaubt. Achtung, diese Zahl bezieht sich auf den abgeschafften NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus). Umgerechnet in den WLTP-Wert ergeben sich 120 g CO₂/km. Außerdem werden beim Messergebnis sogenannte "Eco Innovations" berücksichtigt. Das sind technische Maßnahmen, die zur CO₂-Abnahme führen, aber im Verfahren WLTP nicht zur Wirkung kommen. Zusätzlich ist jedem Hersteller oder Autokonzern auf Basis des tatsächlichen Leergewichts der Flotte ein individueller Grenzwert zugeordnet. Das führte in der Vergangenheit dazu, dass zum Beispiel BMW 2023 im Durchschnitt auf 128 g CO₂/km als Limit kam, während Hyundai 113 g CO₂/km einhalten musste. Dieser Gewichtsbezug führt ab 2025 zu umgekehrten Verhältnissen – dazu gleich mehr.

Nach einer Auswertung von Dataforce fürs erste Halbjahr 2024 ist die Autoindustrie durchweg auf Kurs, um Vorgaben einzuhalten. Knapp sieht es noch bei Volkswagen aus, wo 121 g CO₂/km erreicht werden müssen und 123 g CO₂/km vorliegen. Der Konzern muss also im zweiten Halbjahr sparsamere Pkw mit Verbrennungsmotor verkaufen oder den Anteil von Elektroautos leicht erhöhen. Auch Ford muss noch ein Gramm finden und von 125 auf 124 g CO₂/km kommen. Andere Hersteller unterbieten die individuellen Ziele deutlich: Toyota etwa lag im ersten Halbjahr 2024 nach der Analyse von Dataforce bei 105 statt der notwendigen 114 g CO₂/km. BMW, wo man weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit viele Elektroautos verkauft, und Mercedes stehen mit 106 und 108 statt der erforderlichen 131 und 138 g CO₂/km für 2024 entspannt da.

Avg. CO2 Jan-Jun 2024 Ziel 2024 Ziel 2025
Volkswagen 123 121 94
Stellantis 113 113 97
Renault-Nissan-Mitsubishi 114 113 97
Toyota 105 114 97
Hyundai 108 117 96
BMW 106 131 91
Daimler 108 138 88
Ford 125 124 93
Geely 56 138 88
Tesla 0 137 89

Für die Realität bedeutet das, dass die Autoindustrie im laufenden Jahr keinen besonderen Ehrgeiz mehr beim Absatz von Elektroautos zeigen muss. Mit Rabattaktionen ist kaum zu rechnen. Stattdessen ist es plausibel, dass Neuzulassungen tendenziell auf 2025 geschoben werden. Hier ändern sich mehrere Parameter. Zuerst muss der Durchschnittswert der jeweiligen Zulassungsjahre 2025 bis 2029 um mindestens 15 Prozent unter dem der Jahre 2021 bis 2024 liegen.

In der Jahresbilanz 2023 haben nach der Analyse des ICCT sämtliche Hersteller die CO₂-Flottengrenzwerte eingehalten. Deutlich erkennbar: Wer Premiumkunden mit viel Kaufkraft hat, kann mehr Elektroautos absetzen und die Emissionen senken. 2024 hat der Ehrgeiz zum Verkauf von Elektroautos bei einigen Konzernen nachgelassen - mutmaßlich auch, weil sie die Neuzulassungen für die Verschärfung im Jahr 2025 brauchen und darum aufschieben. Mit Rabattaktionen ist im laufenden Jahr also nur noch sehr eingeschränkt zu rechnen.

(Bild: ICCT)

Neu berechnet wird auch der Gewichtsbezug: Wegen des steigenden Anteils von Elektroautos ist die Berechnungsgrundlage beim Leergewicht auf 1609,6 kg angestiegen. Bisher waren schwere Fahrzeuge gleichbedeutend mit hohen CO₂-Emissionen. Das ändert sich mit Elektroautos, die viel wiegen, aber im WLTP keine CO₂-Emissionen haben. Das wiederum führt im CO₂-Mechanismus der Europäischen Union dazu, dass die Hersteller mit den schwersten Pkw nicht mehr die laschesten, sondern die strengsten Vorgaben bekommen. Die Steigung der Grenzwertgerade für den Gewichtsbezug ist also ab 2025 negativ.

Elektroautos und die CO2-Ziele (3 Bilder)

Nach Zahlen von Dataforce fürs erste Halbjahr 2024 erreicht Volkswagen einen tatsächlichen CO₂-Flottenwert von 123 statt der erforderlichen 121 Gramm pro Kilometer. Eine Differenz, die sich durch etwas sparsamere Pkw mit Verbrennungsmotor oder ein paar mehr Elektroautos ausgleichen lässt. 2025 sind die Anforderungen größer: Für Volkswagen sind im Durchschnitt nur noch 94 g CO₂/km erlaubt. (Bild:

VW

)

Ein Beispiel dafür ist Mercedes: Statt 138 g CO₂/km im Jahr 2024 dürfen es 2025 nach den derzeitigen Prognosen von Dataforce nicht mehr als 88 g CO₂/km sein. Der Konzern mit den Marken Mercedes und Smart muss also von 108 g CO₂/km im laufenden Jahr deutlich reduzieren. Bei Renault und Stellantis, wo in der Gesamtbetrachtung kleinere und leichtere Pkw auf die Straße gebracht werden, reduziert sich die Vorgabe von 113 g CO₂/km in diesem auf 97 g CO₂/km im kommenden Jahr.

Zu den Verlierern werden bis 2030 die Plug-in-Hybride gehören: Mit dem Modelljahr 2026 wird die Erhebungsmethode für die CO₂-Emissionen strenger, und 2027 folgt eine weitere Verschärfung. Die elektrische Reichweite muss erheblich anwachsen, um die gleichen CO₂-Werte wie bisher zu bekommen. Im Ergebnis wird es für die Autoindustrie immer attraktiver, besser gleich reine Elektroautos auf die Straße zu bringen.

(Bild: ICCT)

Neu ist auch, dass Plug-in-Hybridautos bis 2030 immer strenger bewertet werden. Sie müssen eine erheblich höhere elektrische Reichweite haben, um das bisherige CO₂-Ergebnis zu erreichen. Oder die Hersteller müssen wegen des verschärften Utility Factors (UF) hinnehmen, dass die Plug-in-Hybride im internen Mix weniger wertvoll sind.

Hierzu gibt es ein von-bis-Spektrum der Einschätzungen. So geht Schmidt Automotive Research davon aus, dass ein Anteil der Elektroautos von gut 22 Prozent für 2025 statt rund 16 Prozent im laufenden Jahr ausreichen wird, um die CO₂-Ziele zu erreichen. Beim International Council on Clean Transportation (ICCT) sind die Annahmen weniger günstig. In einer Studie, die in den nächsten Wochen publiziert wird, gehen die Analysten des ICCT von circa 28 Prozent Elektroautos als Mindestmaß aus. Der ICCT hat hierzu eher pessimistische Rahmenbedingungen zu Grunde gelegt. Zum Beispiel sei keine Reduktion mehr bei Pkw mit Verbrennungsmotor zu erwarten, und auch der Anteil von Plug-in-Hybriden wäre konstant oder rückläufig.