Elektronische Gesundheitskarte: MKT+ soll es richten
Die elektronische Gesundheitskarte ist einerseits mit ihren eingebauten Sperrmöglichkeiten für die Bürger das fortschrittlichste Medizin-Projekt der Welt. Andererseits ist sie ein Spielball der Politik.
Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ist einerseits mit ihren eingebauten Sperrmöglichkeiten für die Bürger das fortschrittlichste Medizin-Projekt der Welt. Andererseits ist sie ein Spielball der Politik. Am zweiten Tag des Fachkongresses IT-Trends in der Medizin stellte Dirk Drees, Geschäftsführer der für die Einführung der Karte zuständigen Projektgesellschaft Gematik das "MKT+-Szenario" vor. MKT+ steht für multifunktionelle Kartenterminals, die die heutige Krankenversichertenkarte (KVK) wie die künftige eGK bearbeiten können. Ein Beispiel ist das bereits erwähnte Universalterminal 6620 von Celectronic. Diese Terminals sollen von der Industrie zügig in 4 bis 6 Wochen geliefert und schnell vom TÜV IT zertifiziert werden, damit noch in diesem Jahr ein richtiger Kartentest starten kann.
Diese durch politischen Druck entstandene Vorgabe hat Konsequenzen. Die meisten Terminals dieser Art verfügen derzeit über keinen LAN-Anschluss, mit dem sie direkt an den Konnektor angeschlossen werden können, der die sichere Verbindung über das Internet herstellt. Sie müssen an PCc angeschlossen werden, die in unsicheren Netzen installiert sind. "Die MKT+ Terminals werden in einem angepassten Primärsystem eingesetzt, bei dem die Versichertenstammdaten (VSD) nach Abstimmung mit den Krankenkassen in einen ungeschützten Bereich verschoben werden", erklärte Drees dem Publikum. Mit MKT+-Terminals soll zumindest der "Funktionsabschnitt 1" in den Modellregionen getestet werden, bei dem es um das Lesen der Daten von der eGK und das Anlegen sowie Einlösen der Rezepte geht. Was die Hersteller der Lesegeräte freut, bringt die Techniker in Verlegenheit. Die Argumente von einem besonders sicheren Daten-Handling, bei dem nur SICCT-Terminals die Daten der Gesundheitskarte auslesen, sind mit dem Aushilfszenario entkräftet.
Ein weiteres Kürzel, das die Diskussion um die eGK in den nächsten Monaten bereichern dürfte, ist NBR, das "Nationale Berufsregister" für die Ausgabe von Heilberufsausweisen. Rund 40 Berufe im Gesundheitswesen sind nicht verkammert – Ärzte, Zahnärzte und Apotheker etwa sind dagegen in Kammern zusammengeschlossen, die die Zulassung regeln. Dazu kommen Berufe wie Hörgeräteakustiker oder Augenoptiker, die über Handwerkskammern geregelt sind. Ein nationales Berufsregister soll die Ausgabe von Heilberufsausweisen für diese Berufe übernehmen, in denen rund 1,7 Millionen Personen arbeiten. Das NBR soll nach den Vorstellungen von Jürgen Faltin von der Projektgruppe Health Professional Card im Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz eine umfassende Behörde werden, die auch als Zertifikatsdiensteanbieter tätig wird. Die Rolle des Berufsregisters als digitales Zunftsystem soll dabei ziemlich weit gesteckt werden, um auch die Freizügigkeitsrichtlinien der EU erfüllen zu können. Arbeitssuchende aus anderen EU-Ländern, die im Gesundheitswesen arbeiten wollen, müssten sich bei diesem Berufsregister melden, das die Prüfungen der Qualifikationen in der Kommunikation mit ausländischen Behörden übernimmt. Ob solch eine neue Mammutbehörde gewünscht ist, wurde auf der Tagung kontrovers diskutiert.
Während die Diskussion um die erweiterten Heilberufe und ihre Ausweise gerade anfängt, konnten zumindest bei den Arzt- und den funktional ähnlichen Apothekerausweisen Fortschritte gemeldet werden. Sie werden nicht nur produziert und ausgegeben, für sie gibt es bereits Use Cases, mit denen die Software-Programmierer die Ausweise in die jeweiligen Praxis- und Krankenhaussysteme einbinden können. Philipp Stachwitz vom Ausweis-Projektbüro der Bundesärztekammer teilte dem Kongress mit, dass auch die Frage der Stapelsignatur für rezeptausstellende Ärzte gelöst sei. Bei diesem Verfahren gibt der Arzt am Anfang seines Arbeitstages seine PIN ein und fordert einen Stapel von Signaturen an, mit denen das elektronische Rezept unterschrieben werden muss. Wird eine Unterschrift unter ein Rezept fällig, soll der Arzt den Signiervorgang ohne PIN-Eingabe durch seinen Fingerabdruck am Terminal oder durch ein RFID-Armband auslösen können. Hier experimentiert man noch mit möglichst sicheren Verfahren.
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(Detlef Borchers) / (jk)