Fußball-WM: Lückenlose Kontrolle gescheitert
Das umstrittene Konzept des Organisationskomitees (OK) der Fußball-WM, durch personalisierte Tickets und einem den Einlass begleitenden Datenbankabgleich für erhöhte Sicherheit zu sorgen, lässt sich offensichtlich in der Praxis nicht durchsetzen.
Mit ihrem umstrittenen Konzept, durch personalisierte Tickets und einem den Einlass begleitenden Datenbankabgleich für erhöhte Sicherheit zu sorgen, ist das Organisationskomitee (OK) der Fußball-WM gescheitert. Vielmehr startete man am ersten WM-Wochenende wie die deutsche Fußballmannschaft: Glänzend im Angriff, mit großen Schwächen in der Verteidigung. Ob in Frankfurt, Dortmund oder Gelsenkirchen: Solange an den Einlässen ein grünes Licht signalisierte, dass das Ticket selbst in Ordnung war, wurden die Besucher ins Stadion gelassen. Der Datenabgleich mit dem Ausweis wurde im Schnitt nur bei einem von 100 Besuchern stichprobenartig durchgeführt. Zuvor hatten OK-Sprecher immer wieder betont, wie wichtig die datenbankgestützte Methode und lückenlose Kontrolle sei, weil nur so ein Besucher festgenommen werden könne, der eine Rakete abfeuert oder ähnliche gefährliche Störungen verursacht.
Daneben blühte das Schwarzmarktgeschäft sowie der Verkauf von Last-Minute-Tickets durch Spezialagenturen über Telefon und Internet. Sie sorgten dafür, dass schwedische, polnische und englische Fans zu Tausenden noch überteuerte Tickets bekamen und beim WM-Start ihrer Mannschaften für ein Heimspiel sorgten. Die offizielle Quote von 8 Prozent des jeweiligen Stadionkontingentes war jedenfalls weit überschritten, wie Beobachter des WM-OK "mit Verblüffung" registrierten. Die nicht personalisierten Tickets, die zu Preisen zwischen 550 und 1450 Euro angeboten werden, stammen offenbar aus FIFA-Kontingenten, die spezialisierte Broker wie die norwegische Firma Euroteam zu Tausenden aufgekauft hat. Das wird auf Seiten des OK etwas anders gesehen, das die 20.000 Engländer in Frankfurt und die 40.000 Polen in Gelsenkirchen mit dem Glück beim Internet-Verkauf erklärte.
Nicht in allen WM-Städten konnte sich das inoffizielle Motto "Friede, Freude, Fußballgucken" durchsetzen. Bei der Ausgabe der VIP-Tickets zum Eröffnungsspiel in München sollen sich nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung tumultartigen Szenen abgespielt haben, bei denen am Ende die Tickets einfach in die Menge geworfen wurden. Die Mehrzahl der VIPs sollen am Betreten der Schlemmerzone interessiert gewesen sein, weniger an dem Eröffnungsspiel.
Zur Sicherheit, Technik und zum Datenschutz bei der Fußball-WM 2006 siehe auch:
- Nachkontrolle gegen Ticketmissbrauch
- Internationale Informationsverdichter nehmen Arbeit auf
- Täglich Lagebilder nach Berlin
- "Germany is on the Ball"
- "Clearing Points" für VIPs geplant
- Ärger mit VIP-Tickets für Fußball-WM
- Zwickmühle Sicherheit
- Ex-Regierungssprecher Heye warnt schwarze WM-Gäste vor Reisen nach Brandenburg, Interview im Deutschlandradio Kultur
- Nationales WM-Sicherheitszentrum eröffnet
- Holzhütte sei wachsam
- Rudern im Bermuda-Dreieck
- Ein Ticket unter Freunden
- 400 weniger vor dem Anpfiff
- Deutschland koppelt sich vorübergehend aus Schengen aus
- FIFA will bei der WM 2010 wieder weniger Daten speichern
- Sponsorengelder aufgeschlüsselt
- Ein Netz, sie alle zu binden …
- Von Hooligans und "asymmetrischem Terror"
- Speicherung der Ausweisnummer beim WM-Ticket-Kauf zulässig
- Datenschutz: Sicherheitschecks zur Fußball-WM in der Kritik
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(Detlef Borchers) / (jk)