LKW-Maut: Auf dem Weg zum grenzüberschreitenden Mautdienst

Im Rahmen des RCI-Projektes für eine europaweit funktionierende Universal-OBU mussten alle Mautsystembetreiber, auch Toll Collect, die APIs ihrer On-Board Units veröffentlichen. Der deutsche Mautbetreiber stellte zudem eine neue Einbau-OBU vor.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 43 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Nach Angaben von Toll Collect ist eine neue On-Board Unit (OBU) für die automatische Abrechnung der LKW-Maut verfügbar, um den weiter steigenden OBU-Bedarf zu decken. Das neue Einbaugerät für DIN-Schächte wird von Siemens VDO produziert und ist eine Alternative zum Aufbaugerät dieser Firma sowie zum Einbaugerät von Delphi Grundig. Toll Collect musste ein weiteres Gerät in Produktion geben, weil die automatische Mautabrechnung per OBU sich als Standard durchgesetzt hat. Waren im ersten Jahr der Mautabrechnung 72 Prozent der LKW mit einer OBU unterwegs so fahren Toll Collect zufolge über 90 Prozent der LKW mit einer OBU. Insgesamt melden derzeit mehr als 570.000 LKW ihre Nutzung gebührenpflichtiger Autobahnen und Bundesstraßen via SMS über die OBU.

Jede OBU ist Eigentum des Mautbetreibers und wird in der OBU-Factory in Simmern vor dem Einbau auf den Fahrzeugbesitzer personalisiert. Im Wesentlichen wird dabei die eingebaute GSM-SIM-Karte und die Toll Collect-Datenkarte registriert. Wird das Fahrzeug verkauft oder stillgelegt, muss die OBU ausgebaut werden und geht an Toll Collect zurück. In der Regel werden die Geräte aufgearbeitet, neu personalisiert und wieder an eine von 1400 Vertragswerkstätten im In- und Ausland geschickt, die OBUs einbauen dürfen. Nach Angaben von Toll Collect werden jährlich 20 Prozent der OBUs auf diese Weise recyclet.

Die Vorstellung der neuen OBU von Siemens VDO erfolgte im Rahmen eines Treffen der IBTTA (International Bridge, Tunnel & Turnpike Association), des internationalen Verbandes der Mautindustrie, in Berlin. Schwerpunktthema der IBTTA-Tagung waren die Interoperabilität der verschiedenen Mautsysteme sowie die Nutzung der Maut als politisches Instrument. Hintergrund der Interoperabilitätsgespräche ist das auf drei Jahre angelegte EU-Projekt "Road Charging Interoperability" (RCI), in dem zwei Konsortien an der Vereinheitlichung eines grenzüberschreitenden Mautdienstes arbeiten. Die am RCI-Projekt teilnehmenden Länder mit eigenen Mautsystemen sind Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Spanien und die Schweiz. Ein Konsortium zur Entwicklung der Europa-OBU besteht aus Fela (Schweiz), Q-Free (Norwegen) und Elem (Italien). Die Konkurrenz unter Federführung der niederländischen Technolution wird von AGES International (Deutschland), Kapsch Trafficom (Österreich), Thales Transportation (Frankreich) und der Sociedad Ibérica de Construcciones Eléctricas (Spanien) gebildet. Im Rahmen des RCI-Projektes mussten alle Mautsystembetreiber die APIs ihrer OBUs veröffentlichen, darunter auch Toll Collect. Eine europaweit funktionierende Universal-OBU wird von beiden Konsortien voraussichtlich Anfang 2008 vorgestellt.

Die politische Nutzung der Mautdaten soll auf dem IBTTA-Treffen sehr kontrovers diskutiert worden sein. Spanien und Großbritannien wollen die Mautsysteme nutzen, um Terrorattacken mit LKW (Tanklaster o. ä.) zu verhindern. In Deutschland soll die Polizei Zugriff auf die Mautdaten bekommen, wenn schwere Straftaten aufgeklärt werden müssen. Eine entsprechende Gesetzesänderung befindet sich auf dem Weg: Bislang dürfen die Mautdaten nach dem Autobahnmautgesetz nur zur Abrechnung der Maut genutzt werden. Unter den Terrorexperten ist dabei noch strittig, welche Mautdaten zu Fahndungszwecken genutzt werden sollen. Neben den eigentlichen Abrechnungsdaten ist der Zugriff auf die IMSI-Kennung der in den OBUs eingebauten GSM-Karten im Gespräch, damit die Polizeibehörden jederzeit den Standort eines verdächtigen LKWs abfragen können.

Zur satellitengestützten LKW-Maut und weiteren Vorhaben zur elektronischen Verkehrskontrolle siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)