LKW-Maut: Auf dem Weg zum grenzüberschreitenden Mautdienst
Im Rahmen des RCI-Projektes für eine europaweit funktionierende Universal-OBU mussten alle Mautsystembetreiber, auch Toll Collect, die APIs ihrer On-Board Units veröffentlichen. Der deutsche Mautbetreiber stellte zudem eine neue Einbau-OBU vor.
Nach Angaben von Toll Collect ist eine neue On-Board Unit (OBU) für die automatische Abrechnung der LKW-Maut verfügbar, um den weiter steigenden OBU-Bedarf zu decken. Das neue Einbaugerät für DIN-Schächte wird von Siemens VDO produziert und ist eine Alternative zum Aufbaugerät dieser Firma sowie zum Einbaugerät von Delphi Grundig. Toll Collect musste ein weiteres Gerät in Produktion geben, weil die automatische Mautabrechnung per OBU sich als Standard durchgesetzt hat. Waren im ersten Jahr der Mautabrechnung 72 Prozent der LKW mit einer OBU unterwegs so fahren Toll Collect zufolge über 90 Prozent der LKW mit einer OBU. Insgesamt melden derzeit mehr als 570.000 LKW ihre Nutzung gebührenpflichtiger Autobahnen und Bundesstraßen via SMS über die OBU.
Jede OBU ist Eigentum des Mautbetreibers und wird in der OBU-Factory in Simmern vor dem Einbau auf den Fahrzeugbesitzer personalisiert. Im Wesentlichen wird dabei die eingebaute GSM-SIM-Karte und die Toll Collect-Datenkarte registriert. Wird das Fahrzeug verkauft oder stillgelegt, muss die OBU ausgebaut werden und geht an Toll Collect zurück. In der Regel werden die Geräte aufgearbeitet, neu personalisiert und wieder an eine von 1400 Vertragswerkstätten im In- und Ausland geschickt, die OBUs einbauen dürfen. Nach Angaben von Toll Collect werden jährlich 20 Prozent der OBUs auf diese Weise recyclet.
Die Vorstellung der neuen OBU von Siemens VDO erfolgte im Rahmen eines Treffen der IBTTA (International Bridge, Tunnel & Turnpike Association), des internationalen Verbandes der Mautindustrie, in Berlin. Schwerpunktthema der IBTTA-Tagung waren die Interoperabilität der verschiedenen Mautsysteme sowie die Nutzung der Maut als politisches Instrument. Hintergrund der Interoperabilitätsgespräche ist das auf drei Jahre angelegte EU-Projekt "Road Charging Interoperability" (RCI), in dem zwei Konsortien an der Vereinheitlichung eines grenzüberschreitenden Mautdienstes arbeiten. Die am RCI-Projekt teilnehmenden Länder mit eigenen Mautsystemen sind Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Spanien und die Schweiz. Ein Konsortium zur Entwicklung der Europa-OBU besteht aus Fela (Schweiz), Q-Free (Norwegen) und Elem (Italien). Die Konkurrenz unter Federführung der niederländischen Technolution wird von AGES International (Deutschland), Kapsch Trafficom (Österreich), Thales Transportation (Frankreich) und der Sociedad Ibérica de Construcciones Eléctricas (Spanien) gebildet. Im Rahmen des RCI-Projektes mussten alle Mautsystembetreiber die APIs ihrer OBUs veröffentlichen, darunter auch Toll Collect. Eine europaweit funktionierende Universal-OBU wird von beiden Konsortien voraussichtlich Anfang 2008 vorgestellt.
Die politische Nutzung der Mautdaten soll auf dem IBTTA-Treffen sehr kontrovers diskutiert worden sein. Spanien und Großbritannien wollen die Mautsysteme nutzen, um Terrorattacken mit LKW (Tanklaster o. ä.) zu verhindern. In Deutschland soll die Polizei Zugriff auf die Mautdaten bekommen, wenn schwere Straftaten aufgeklärt werden müssen. Eine entsprechende Gesetzesänderung befindet sich auf dem Weg: Bislang dürfen die Mautdaten nach dem Autobahnmautgesetz nur zur Abrechnung der Maut genutzt werden. Unter den Terrorexperten ist dabei noch strittig, welche Mautdaten zu Fahndungszwecken genutzt werden sollen. Neben den eigentlichen Abrechnungsdaten ist der Zugriff auf die IMSI-Kennung der in den OBUs eingebauten GSM-Karten im Gespräch, damit die Polizeibehörden jederzeit den Standort eines verdächtigen LKWs abfragen können.
Zur satellitengestützten LKW-Maut und weiteren Vorhaben zur elektronischen Verkehrskontrolle siehe auch:
- Nun doch ein Vorzeigeprojekt – Das LKW-Mautsystem soll zum Exportschlager werden, c't 2/05, S. 68
- Verursacherbedingt verspätet – Das "fortschrittlichste Mautsystem der Welt" und die Realität, c't 22/03, S. 92
- Ausgebremste Automatik – Das Kreuz mit der satellitengestützten Lkw-Maut, c't 21/2002, S. 60
- Vor 10 Jahren: Autobahnmaut mit GSM und GPS
- Privater Autobahn-Bau mit LKW-Maut-Unterstützung gestartet
- Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund gegen PKW-Maut
- PKW-Maut soll in zweiter Ausbaustufe elektronisch werden
- Möglicherweise keine Erhöhung der LKW-Maut im Januar
- Von der Maut- zur Fahndungstechnik
- Fahndung kontra informationelle Selbstbestimmung
- Schäuble will Zweckbindung der Mautdaten aufheben
- Debatte um Zugriff auf LKW-Mautdaten für Fahndungen geht weiter
- Erneut Fahndung mit Mautdaten gefordert
- Mehr Einnahmen, mehr Interessenten
- FDP will zertifizierte Maut-Erhebung
- Verträge zur LKW-Maut bleiben geheim
- Einnahmerekord im März
- Ab 2012 Maut für Kleintransporter
- Mehr Geld für Toll Collect
- Mautdaten sind Fahndungsdaten, die Zweite
- Neue Software ohne Probleme
- Acht Bundesstraßen werden teilweise mautpflichtig
- EU-Parlament beschließt EU-Maut
- Polizeigewerkschaft: Fahndung mit Mautdaten ohne Personalabbau
- Datenschützer warnen vor Aufhebung der Mautdaten-Zweckbindung
- Minister will offenbar Fahndung mit Mautdaten erlauben
- LKW-Maut erhöht Belastung der Bundesstraßen
- Umweltexperten wollen kleine LKW vermauten
- Die Maut-Quelle sprudelt
- Wer leer fährt, geht leer aus
- Sommer, Sonne, OBU
- Bund fordert vom Konsortium über 5,1 Milliarden Euro
- Zwei Prozent prellen
- LKW-Maut ab 2006 auf einem Dutzend Bundesstraßen
- Gute Kunst ist teuer
- Vom Prellen und Grämen, von LKW und PKW
- Bilanz nach 100 Tagen
- 10 Prozent des Verkehrsaufkommens werden kontrolliert
- Siemens experimentiert mit Maut in der Fläche
- Härtetest bestanden
- Ohne Guthaben, ohne OBU
- Der Start ist gelungen
- Zur Kasse bitte
- Ein Ticket für Stolpe
- Für PKW-Maut nur bedingt geeignet
- Stolpe kündigt Toll Collect
- LKW-Maut oder Maut für alle
- Mautsystem in Österreich lief ohne Probleme an
- Die europäische Perspektive
(Detlef Borchers) / (jk)