Siemens-Prozess: Staatsanwaltschaft fordert Bewährungsstrafe

Insgesamt geht es im größten Schmiergeld-Skandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte um 1,3 Milliarden Euro an zweifelhaften Zahlungen, mit denen sich Siemens Vorteile bei Vergabe von Aufträgen verschafft haben soll.

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  • dpa

Im ersten Prozess wegen des Schmiergeld-Skandals bei Siemens hat die Staatsanwaltschaft für den Angeklagten eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren und eine Geldstrafe von insgesamt 180.000 Euro gefordert. Der frühere Siemens-Manager Reinhard S. habe sich in 49 Fällen der Untreue in Mittäterschaft schuldig gemacht, sagte Staatsanwältin Nora Kaiser am heutigen Donnerstag in ihrem Plädoyer. Die Strafe müsste eigentlich höher ausfallen. Der Angeklagte habe aber voll mit der Staatsanwaltschaft kooperiert und durch sein Verhalten gezeigt, "dass er in ganz erheblichem Maße einsichtig ist". Die Verteidigung verzichtete auf einen konkreten Antrag, bat aber um Milde bei der Strafzumessung.

Dem früheren Manager der Siemens-Festnetzsparte ICN wurde vor der 5. Strafkammer des Landgerichts München I zunächst Untreue in 58 Fällen vorgeworfen. Neun Fälle wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft abgetrennt und vorläufig eingestellt. Der 57-Jährige hatte zu Prozessbeginn gestanden, die schwarzen Kassen aufgebaut und Zahlungen über Tarnfirmen und fingierte Beraterverträge veranlasst zu haben. Zugleich beteuerte er, seine Vorgesetzten seien über seine Tätigkeit im Bilde gewesen. Insgesamt geht es im größten Schmiergeld-Skandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte um 1,3 Milliarden Euro an zweifelhaften Zahlungen, mit denen sich Siemens Vorteile bei Vergabe von Aufträgen verschafft haben soll.

Unter Berücksichtigung aller Fälle, in denen der Angeklagte zum Teil Millionenbeträge für Provisionszahlungen auf dubiose Konten abgezweigt hatte, müsste das Strafmaß eigentlich bei vier Jahren Haft liegen, stellte die Staatsanwältin klar. Neben seiner Zusammenarbeit wirke sich auch der Umstand strafmildernd aus, dass der frühere Siemens-Manager im Auftrag seiner Vorgesetzten und – wie er selbst glaubte – im Interesse der Firma handelte. "Er hat sich nie für die Aufgabe beworben."

Der damalige Vorstand, namentlich der frühere Finanzchef Heinz-Joachim Neubürger, habe nichts gegen die Missstände unternommen, sagte die Staatsanwältin. Das ganze System schwarzer Kassen sei von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, Geldflüsse zu vertuschen. "Das Interesse der Firma bestand darin, verdeckte Zahlungen zu leisten." Indem der Angeklagte mit Mittelsmännern arbeitete, die das Geld weiterleiteten, habe er es einer effektiven Kontrolle durch das Unternehmen entzogen. "In dem von dem Angeklagten geschaffenen System gab es kaum Kontrollmöglichkeiten. Seine Betreuungspflichten als Kaufmann hat er verletzt."

Verteidiger Uwe von Saalfeld bezeichnete den Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine Bewährungsstrafe in seinem Plädoyer als "akzeptabel". Auf einen konkreten Antrag verzichtete er, verwies aber nochmals auf die weitreichende Zusammenarbeit seines Mandanten mit der Staatsanwaltschaft und bat um eine milde Strafe. Der Angeklagte selbst bedauerte sein Verhalten in seinem Schlusswort. "Im Nachhinein hätte ich das Ganze viel früher abbrechen beziehungsweise zur Staatsanwaltschaft gehen müssen." Das Urteil wird am kommenden Montag (28. Juli) erwartet.

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(dpa) / (jk)