Test Nissan Qashqai Hybrid: Bemüht um Unauffälligkeit

Der Qashqai gewinnt seine Kunden weniger mit ausgeprägten Stärken als mit fehlenden Schwächen. Passt das Topmodell zu diesem pragmatischen Ansatz? Ein Test.

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Nissan Qashqai

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Der Qashqai von Nissan ist eine Art Crossover-Golf für die SUV-affine, automobile Masse. Der Name, der auf das iranische Hirtenvolk der Kaschkai anspielen soll, ist wohl als arg verkopfte Reaktion auf den "Touareg" von VW entstanden. Das ist aber auch das wirklich einzige, was am Qashqai exotisch anmutet. Angesichts dessen sind knapp 49.500 Euro für unseren Testwagen mit 158-PS-Benziner, Automatik, Allradantrieb und Vollausstattung ein stolzer Preis. Ist der Qashqai so viel Geld wert?

Der erste Eindruck vom Fahrerplatz ist sehr gut. Eine solch angenehme Vertrautheit ist angesichts der pseudomodernen Bling-Bling-Cockpits, mit denen sich Autofahrer heutzutage oft herumärgern müssen, eine Wohltat. Alles bedient sich tatsächlich so intuitiv, dass sich Nissan eine Bedienungsanleitung fast sparen könnte. Hinzu kommt eine tadellose Verarbeitung und in der teuersten Ausstattungslinie "Tekna+" auch ein ansprechender Materialmix. Da muss man bei der Fehlersuche schon kreativ werden. Bei den eigenwillig modellierten Glanzplastikeinlegern mit einer distant an Holz erinnernden Musterung hat Nissan der gute Geschmack etwas verlassen. Kollege Martin störte zudem das zu glatte Leder am Lenkrad. Beides ist fraglos mäkeln auf hohem Niveau.

Nissan Qashqai - außen (8 Bilder)

Der Nissan Qashqai ist ein praktischer Kompakt-SUV.  Er ist fast 8 cm kürzer als ein VW Tiguan. (Bild: Florian Pillau )

Die Abmessungen stellen den Nissan zu den Kompakt-SUV. Er ist zwei bis drei Fingerbreit länger als ein Mercedes GLA oder ein BMW 2er Active Tourer, bietet aber auch deutlich mehr Platz als diese beiden selbsternannten Premium-Einsteiger. Unser Testwagen repräsentiert die maximale Qashqai-Ausbaustufe mit einem 116 kW starken mildhybridisierten Turbobenziner, stufenlosem Automatikgetriebe und verbessertem Hang-on-Allradantrieb.

Durch eine neue "Direktkupplung" verspricht Nissan ein um den Faktor fünf schnelleres Zuschalten der Hinterachse bei Schlupf an der im Normalfall allein angetriebenen Vorderachse. Als Alternative gibt es ein "e-Power" genanntes Hybrid-Modell ohne Stecker mit einem 1,5-Liter-Dreizylinder-Benziner mit 116 kW und einem zusätzlichen 140-kW-Elektromotor. Bei diesem interessanten Modell wird der Ottomotor nur als Generator zum Laden der Traktionsbatterie verwendet. Den "e-Power" wird es aber bis auf Weiteres nur mit Frontantrieb geben. Es ist ohnehin fraglich, ob seine Technik überhaupt mit Allradantrieb kombiniert werden kann.

Nissan Qashqai - innen (6 Bilder)

Hier findet sich jeder auf Anhieb zurecht: Auch unser voll ausgestatteter Testwagen ließ sich intuitiv bedienen. Ebenso positiv fielen Materialien und Verarbeitungsqualität auf. (Bild: Florian Pillau)

Schon nach wenigen Kilometern im Stadtverkehr im Test-Benziner bekommt man Lust, auf den Vollhybrid zu warten. Das Zusammenspiel der Start-Stopp-Automatik mit der stufenlosen Automatik läuft erstaunlich ruckelig. Schon beim ganz entspannten Anrollen an eine rote Ampel verstört die Start-Stopp-Automatik des Qashqai durch ein maximal unbeholfenes Absterben, das so wirkt, als wäre man mit eingelegtem Gang von der Kupplung gegangen. Sollte man sich in diesem Moment auch noch entschließen, wieder anfahren zu wollen, etwa weil die Ampel gerade auf Grün umschaltet, kann man mit dem Qashqai "bonanza" schreien und herumhüpfen wie mit einem jungen Stier beim Rodeo. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.

Man kann sich zwar an alles gewöhnen, aber das ist schon ein ärgerlicher Mangel. Zumal sich der Qashqai ansonsten um maximale Unauffälligkeit bemüht. Man kann das auch "Farblosigkeit" nennen. Die unaufgeregte Art des Qashqai erinnert an den Toyota RAV4, ohne aber ganz dessen Niveau zu erreichen. Der Qashqai ist solide Hausmannskost, aber keine Gaumenfreude. Auch ein Hyundai Tucson Hybrid macht mehr Spaß, vorausgesetzt man schaltet seine unerfreulichen Assistenzsysteme ab. Nissans Helfer sind dagegen eine Wohltat und funktionieren passend zum Qashqai unauffällig und zuverlässig.

Nissan Qashqai - Details (7 Bilder)

Bis auf die an “Playmobilholz” erinnernde Plastikeinleger präsentiert sich das Cockpit der höchsten Ausstattungslinie Tekna+ hochwertig und gut verarbeitet. (Bild: Florian Pillau)

Keine Spitzenwerte liefert der Qashqai beim Verbrauch. Knapp 7 Liter auf 100 km genehmigte er sich im Test. Das ist in seiner Klasse eher viel, zumal der Antrieb ja auch nicht mit dynamischen Qualitäten entschädigt. Wer gerne Rückmeldungen von der Fahrbahn und Spaß an dynamischer Fortbewegung hat, kann den Nissan Qashqai nach wie vor aus seinen Überlegungen streichen. Die Zielgruppe ist und war auch immer eine andere. Dementsprechend ist man auch mit einem inkl. Metalliclackierung unverhandelt 29.500 Euro teuren Grundmodell mit Frontantrieb, Schaltgetriebe, 140 PS sowie manueller Klimaanlage und adaptiven Tempomat am vernünftigsten bedient. Auch dieser Qashqai macht schon dienstfertig und unauffällig, was er soll.

Wer ein Automatikgetriebe will, muss mindestens 36.480 Euro anlegen und erhält eine recht umfangreiche Ausstattung dazu. Für knapp 41.000 Euro steht dann der getestete Antrieb mit 158 PS, Allrad und Automatik in der Preisliste. Für dieses Geld muss sich der Qashqai aber dann mit Fahrzeugen messen, die mehr Fahrspaß bieten. Der e-Power kostet noch einmal knapp 500 Euro mehr. Mit Frontantrieb und seriellem Hybridantrieb ist er der teuerste und technisch interessanteste Qashqai. Wir werden dieser Version einen eigenen Test widmen.