VWs Elektro-Auto ID.3 im Test: Beerbt es den Golf?

Seite 3: Antrieb

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Bei Richtgeschwindigkeit (Tachoanzeige: 132 km/h) verbrauchte der ID.3 im Mittel aus vier Erhebungen genau 22 kWh / 100 km. Das spricht für eine ziemlich gute Aerodynamik und macht den ID.3 in Verbindung mit der Ladekurve durchaus streckentauglich. Wer viel auf der Autobahn unterwegs ist, sollte trotzdem zur größten Batteriekapazität mit 77 kWh, 542 km Normreichweichte sowie von 100 auf 125 kW erhöhter DC-Ladeleistung greifen.

Die Überland- und Stadtwerte liegen auf dem erwartbaren Niveau; so wurden nach einer Bundesstraßentour 11,8 kWh/100 km als Minimalwert angezeigt. So weit, so gut. Der ID.3 ist sparsam, aber nicht sehr sparsam – einige Hyundais sind effizienter, besonders der Ioniq. Außerdem zeigt der ID.3 eine gewisse Kälteempfindlichkeit: Während die AC-Ladeleistung konstant bei elf kW lag, reduzierte sich die DC-Ladeleistung bei fünf Grad Außentemperatur bei einer Stichprobe mit 38 Prozent SOC (Abkürzung für State of Charge oder Ladestand) von normalerweise über 70 auf 45 kW.

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Zuvor war der ID.3 rund 37 km bewegt worden – offenbar zu wenig, um die Batterie im frischen Herbst auf Wohlfühltemperatur zu bringen. Zugleich verbraucht er in der Warmlaufphase spürbar mehr Strom, obwohl der 1st Max eine Wärmepumpe hat. Auf einer anderen morgendlichen einstündigen Fahrt aus einem Dorf über Bundesstraßen zur Autobahnauffahrt waren es fast 19 kWh, wo normalerweise rund 15 kWh üblich wären. Volkswagen teilt auf Anfrage mit, dass der ID.3 eine aktive Batterieheizung hat. Ob der merkliche und für Elektroautos typische Mehrverbrauch von dieser Heizung oder vom erhöhten Innenwiderstand der Zellen bei Kälte verursacht wird, ist unklar – eine Temperaturanzeige wie im Porsche Taycan wäre schön.

Volkswagen hat aus den sechsjährigen Erfahrungen mit dem e-Golf gelernt und mit dem ID.3 ein konsequentes Elektroauto aus einem Guss gebaut. Das ist wenig erstaunlich. Verwunderlich ist vielmehr, dass der ID.3 relativ preisgünstig ist. Ein Beispiel: So sind für einen mit 150 kW (204 PS) leistungsgleichen Hyundai Kona EV mindestens 40.794,96 Euro fällig. Der Hyundai geht etwas sparsamer mit dem Strom um, hat aber geringeres Platzangebot. Er ist eine halbe Schuhnummer kleiner.

VW ID.3 Laden (8 Bilder)

Die AC-Ladeleistung von elf kW war jederzeit verlässlich abrufbar.
(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Beim ID.3 gibt es mit dem mager ausgestatteten Pro (ab 35.574,95 Euro) sowie dem mit sinnvollen Extras versehenen Life (ab 37.787,72 Euro) gleich zwei Versionen, die weniger kosten. Und der mit dem 1st Max ungefähr vergleichbare Kona EV Premium liegt mit 47.228,57 in einer ähnlichen Preisregion. Hyundai wird darum dem Marktdruck gerecht und erhöht die "Innovationsprämie" (Staatssubvention plus verpflichtender Herstellerrabatt) von 9480 auf 11.000 Euro. Volkswagen verspricht außerdem eine 45 kWh-Version, die mit einem Einstiegspreis von unter 30.000 Euro in der Klasse der elektrischen Kleinwagen wie dem Opel e-Corsa und dem Renault Zoe wildern wird. Konkurrenz belebt das Geschäft, und die Käufer haben den Nutzen.

Es lassen sich etliche dieser Vergleichsrechnungen anstellen, und ist es gut, dass jeder Interessent seine ureigenen Kriterien hat. Dem einen ist der kleine Wendekreis des ID.3 wichtig, weil er in der Großstadt leichter einparken kann. Für den anderen kommt der Wolfsburger nicht infrage, weil bei null Kilogramm Dachlast kein Basisträger fürs Windsurfboard oder die Skibox montiert werden kann. Für den nächsten ist ohnehin nur ein Tesla von Relevanz, selbst wenn es keinen Cent Nachlass bei der Leasingrate gibt.

Volkswagen muss die Mängel bei der Software und der Materialauswahl beheben. Wenn das passiert, ist der ID.3 nicht weniger als der neue Maßstab unter den Elektroautos. Er ist in Einzelkriterien wie dem Stromverbrauch oder der Beschleunigung keineswegs der Klassenbeste. Aber das Paket macht ihn attraktiv: Das Konzept mit Heckantrieb und Heckmotor bietet viel Platz, führt zu guter Traktion und Wendigkeit.

Dazu kommen erstklassige Assistenzsysteme und eine solide Verarbeitung – zumindest bei unserem Testwagen waren diesbezüglich keine groben Mängel zu erkennen. Irritierend ist der Preis: Eigentlich sind es die Käufer gewohnt, bei Volkswagen etwas mehr zu bezahlen. Dass der ID.3 besonders viel Auto fürs Geld bietet, werden nicht nur die elektrischen Konkurrenten merken, sondern auch der Golf. Ihm erwächst ein interner Gegner, der seine Käufer finden wird.

Der Hersteller hat den Testwagen kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Autor hat die Fahrenergiekosten getragen.

(mfz)