LKW-Maut: Probleme im Promillebereich

Während Toll Collect mit Hochdruck an der ersten Stufe der lastabhängigen LKW-Maut arbeitet, gibt es Widersprüche bei den Zahlen über die Zuverlässigkeit der On Board Units.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit Hochdruck arbeitet Toll Collect an der ersten Stufe der LKW-Maut. In der OBU-Zentrale in Simmern sind ein Dutzend Mitarbeiter damit beschäftigt, das neue Betriebssystem auf die On Board Unit (OBU) zu spielen und zu personalisieren, während 550 Mitarbeiter der DHL die Geräte in einem Drei-Schichten-Betrieb versandfertig machen. 10.000 OBU sollen täglich an die 1850 Werkstätten ausgeliefert werden, die zum Einbau der OBU autorisiert sind. Die neu zentralisierte Distribution ist notwendig, weil die OBU anders als in der ersten Version nicht dezentralisiert in den Werkstätten vor Ort mit einem Update bespielt werden können. 186 Tage sind es noch bis zum Start der ersten Phase der LKW-Maut. Nach Angaben von Toll Collect sind von den Frächtern 182.000 vorbestellt worden; sie werden bevorzugt ausgeliefert.

Unterdessen gibt es Widersprüche in den Zahlen, die Toll Collect in der vergangenen Woche über seine Testreihen mit 41 OBU veröffentlicht hatte. Mit 99,6% habe man einen Wert erreicht, der den Vorgaben des Verkehrsministeriums entspreche, hieß es in einer Mitteilung von Toll Collect. Worauf sich dieser Wert gründet, ist allerdings unklar. Auf Nachfrage erklärte Toll Collect-Pressesprecher Harald Lindlar gegenüber heise online: "Vielmehr handelt es sich um die Erfassungsquote, die wir gemeinsam mit den Teilnehmern unserer Fahrten im Mai gemessen haben. Hier sind also nicht die kritischen Augen eines Sachverständigen zitiert, sondern die nicht minder kritischen Augen des Transport- und Logistikgewerbes selbst." Die am ersten Test beteiligten Verbände des Transport- und Logistikgewerbes wollen die Aussage in dieser Form nicht bestätigen. Wohl haben sich die Unternehmen der 41 beteiligten Fahrzeuge Notizen gemacht, doch seien die Zahlen nicht ausgewertet worden. "Die Zahl als solche ist von Toll Collect ermittelt worden. Wir haben nicht die Testergebnisse gehabt", weiß Barabara Rauch vom Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) zu berichten. Auch Pressesprecher Dirk Hochgesand vom Bundesverband Möbelspeditionen (AMÖ) kann keine Zahlen nennen, auf denen die Zuverlässigkeitsrechnung beruht. Er betonte jedoch, dass die beteiligten Spediteure seines Verbandes mit dem Test sehr zufrieden gewesen seien.

Die Frage, welcher Promillewert hinter den 99% Prozent auftaucht, ist nicht nur für die Zulassung des Mautsystems von Bedeutung, sondern entscheidet auch über die Maßnahmen beim Ausfall einer OBU. Sollte diese eine Fehlfunktion haben, muss es einen einfachen Weg geben, die Maut abzurechnen. "Der Fahrer muss einen Knopf an der OBU oder am Telefon drücken können, woraufhin ihn Toll Collect über das Internet einbucht", fordert Adolf Zobel vom Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik (BGL). Auch in Österreich ging das einfachere Mautsystem mit einer Zuverlässigkeit von mehr als 99% an den Start. Bei diesem System ist eine so genannte Go-Box installiert, die bei Unterfahrung einer Mautkontrollbrücke piepsen muss. Unterbleibt das akustische Signal der korrekten Mautberechnung, war der Fahrer bisher verpflichtet, die Autobahn zu verlassen und sich über ein Terminal manuell einzubuchen. Diese gesetzlich festgelegte "Mitwirkungspflicht" wird nun vom österreichischen Mautbetreiber Asfinag aufgehoben, da sich das System bei den nicht seltenen Ausfällen der Go-Box oder dem Fall einer defekten Mautbrücke als nicht praktikabel erwiesen hat.

Nach Darstellung eines SPÖ-Sprechers soll die österreichische Maut eine Fehlerquote von 1,8 % aufweisen und damit weit über den 0,4% liegen, die Toll Collect für sein System ermittelt hat. Auf welche Zuverlässigkeit das deutsche Maut-System indes genau kommt, soll ein gemeinsam von Toll Collect und dem Bundesamt für Güterverkehr (BAG) ausgesuchtes Team von Sachverständigen ermitteln. Wer die Sachverständigen sind, wird geheim gehalten. "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir die Namen des Sachverständigen-Teams erst nach Abschluss aller Gutachtertests veröffentlichen können", erklärte Presseprecher Lindlar gegenüber heise online. So ist vorerst nicht überprüfbar, ob die Gutachter des TÜV Rheinland beteiligt sind, die schon die Ausschreibung der LKW-Maut mit konzipierten.

Zu den Verwicklungen um die Mauteinführung in Deutschland, zu RFID und zu möglichen Datenschutzproblemen siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)