VDSL: EU wirft Bundesregierung Protektionismus vor

Sollten die vom Bundeskabinett vorgeschlagenen Änderungen des Telekommunikationsgesetzes, die die Telekom von einer Regulierung ihres Breitbandnetzes ausnehmen, in Kraft treten, droht Wettbewerbskommissarin Reding mit einem Vertragsverletzungsverfahren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 173 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sven-Olaf Suhl

Mit den vom Kabinett beschlossenen Änderungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) begibt sich die deutsche Bundesregierung auf einen gefährlichen, wettbewerbsfeindlichen Sonderweg, der Rechtsunsicherheit schafft und Investitionen in den deutschen Breitbandmarkt langfristig gefährdet. Dies erklärte der Sprecher der für die Informationsgesellschaft und Medien zuständigen EU-Kommissarin Viviane Reding. Stein des Anstoßes ist der geplante Paragraf 9a TKG, der eine Möglichkeit zur Regulierungsfreistellung für das VDSL-Netz der Deutschen Telekom eröffnen würde, wenn die TKG-Änderungen in Kraft träten. Zwar bedürfen die TKG-Änderungen der Zustimmung des Bundesrats, doch halten es Beobachter für wahrscheinlich, dass der Gesetzentwurf der Großen Koalition auch den Segen der Länderkammer findet.

Die vom Bundeskabinett vorgeschlagene Neufassung des TKG zielt offensichtlich darauf ab, der Deutschen Telekom und ihrem VDSL-Netz im nationalen Alleingang eine vorteilhafte Sonderstellung einzuräumen, obwohl die Europäische Kommission hiergegen mehrfach nachdrücklich ordnungspolitische und wettbewerbsrechtliche Bedenken vorgetragen hatte. Dass die Bundesregierung diese Einwände ignoriere, sei umso bedauerlicher, als Deutschland mit der Regulierungspause für die Telekom einen Präzedenzfall gegen Wettbewerb und für Protektionismus schaffe, der sich auf andere netzgebundene Wirtschaftssektoren – insbesondere die Energiemärkte – auswirken könne.

Die Kommission erinnert daran, dass in den EU-Telecom-Regeln, denen alle 25 EU-Mitgliedstaaten 1990 und 2002 zugestimmt hätten, die "ordnungspolitische Grundentscheidung" getroffen worden sei, dass die nationalen Telekom-Märkte dem Wettbewerb zu öffnen sind und die vormaligen Monopolstellungen der ehemals staatseigenen Telekom-Unternehmen abgebaut werden müssen – und zwar ungeachtet einer eventuell verbleibenden Beteiligung des Staates am Ex-Monopolisten. Diese Grundentscheidung habe in den vergangenen Jahren zu "beispiellosem Wachstum und beeindruckenden Investitionen" in Europas Telecom-Märkten geführt. In ihrem vorgelegten Gesetzentwurf erklärt die Bundesregierung den Paragrafen 9a TKG für konform mit den einschlägigen EU-Vorschriften, doch scheint es sich hierbei um eine sehr eigenwillige Auslegung der Bundesregierung zu handeln, die offenkundig die Deutsche Telekom schützen soll. Der Staatsanteil am früheren Monopolisten beträgt – einschließlich des Anteils der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – noch 37 Prozent.

Sollte die TKG-Neufassung in der jetzigen Form verabschiedet werden, wird die Europäische Kommission hiergegen, wie angekündigt, ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten, da die Formulierung des Gesetzestextes der Kommission zufolge gegen die EU-Telekom-Regeln verstößt. Darüber hinaus drohten dem deutschen Telekom-Markt im zukunftsträchtigen Breitbandbereich jahrelange Rechtsstreitigkeiten zwischen Wettbewerbern vor nationalen Gerichten. Die Verbände der Wettbewerber der Deutschen Telekom, VATM und Breko, hatten bereits gestern das Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung scharf kritisiert und auf Brüsseler Schützenhilfe gesetzt.

Deutschland liegt nach EU-Angaben nach wie vor (Stand: Januar 2006) mit eine Breitbanddurchdringungsrate von 12,8 Prozent gerade einmal im Durchschnitt der 25 Mitgliedstaaten und werde von Mitgliedsstaaten mit "offenen, wettbewerbsintensiven Märkten" (wie Estland, Österreich, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Belgien, Schweden, Finnland, Dänemark und den Niederlanden) deutlich übertroffen. Deutschland sollte aus Sicht der Europäischen Kommission im Breitbandbereich daher auf mehr Wettbewerb und stärkere Marktöffnung setzen. Dies liege im Interesse des Standorts Deutschland. "Wir können es uns in Europa nicht leisten, aus kurzfristiger politischer Opportunität neue Monopole zu fördern und damit Wachstum und Arbeitsplätze in unseren Zukunftsmärkten nachhaltig zu gefährden", betonte EU-Kommissarin Reding.

Zur Auseinandersetzung um die Telekommunikationsregulierung und das geplante VDSL-Netz der Deutschen Telekom siehe auch: