Europaweiter Streit ums Urheberrecht
Schwedens Justizminister will wie seine deutsche Kollegin jegliches Verbreiten und Herunterladen von Musik und Filmen ohne explizite Zustimmung des Rechteinhaber illegal machen.
Einen 600 Seiten starken Entwurf zur Verschärfung des Urheberrechtsgesetzes hat der schwedische Justizminister Thomas Bodström angekündigt. Das Gesetz soll laut schwedischen Zeitungsberichten jegliches Verbreiten und Herunterladen von Musik und Filmen ohne explizite Zustimmung des Rechteinhaber illegal machen. Bodström betonte allerdings ähnlich wie die deutsche Justizministerin, man ziele mit der Neuregelung auf diejenigen, die aus dem Kopieren ein Geschäft machten und nicht auf Musik tauschende Teenager. Der Musikindustrie riet Bodström außerdem, attraktive Angebote im Netz zu machen.
Während der schwedische Gesetzgeber die richtige Balance im Urheberrechtsstreit sucht, hat sich Schwedens Anti-Piraterie-Organisation Antipiratbyrå, (APB) viele Feinde gemacht. Die Organisation veranlasste eine Durchsuchung des schwedischen Zugangsproviders Bahnhof, bei der 450.000 Sound-Files, 5500 Spiele und 1800 Filme sichergestellt wurden. Der von der Swedisch Enforcement Administration unterstützte Vorstoß ist nun Gegenstand einer ganzen Reihe von Beschwerden beim schwedischen Datenschutzbeauftragten. Auch die schwedische Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation kündigte an, sie werde überprüfen, ob APB geltendes Recht verletzt habe. Eine Online-Gruppe fährt inzwischen heftige Attacken gegen die APB: Sie postete den E-Mail-Austausch der APB mit einem bezahlten Informanten aus dem Haus Bahnhof. Auch ist APB-Manager Henrik Pontén Ziel von SMS-, Telefon- und E-Mail-Beschimpfungen. Ähnlich unbeliebt hat sich auch die niederländische Brain-Gruppe gemacht, die kürzlich mit fünf niederländischen Providern ein Mailing an deren Kunden vereinbarte, um diese vor Urheberrechtsverletzungen zu warnen. Verdächtige sollen zu Zahlungen für bereits heruntergeladene Musik aufgefordert werden.
Ein französisches Gericht entschied dagegen kürzlich zu Gunsten eines Erstsemesterstudenten der Universität von Rodez, dem Staatsanwalt und Unterhaltungsindustrie illegales Kopieren vorgeworfen hatten. Eine Hausdurchsuchung bei dem Betroffenen hatte 488 CDs zu Tage gefördert, von denen er laut dem Urteil ein Drittel von Seiten im Internet und den Rest von CDs seiner Freunde kopiert habe. Da die CDs lediglich zum privaten Gebrauch kopiert worden seien, sah der Berufungsrichter keine Strafbarkeit gegeben und wies auch die Schadenersatzforderungen zurück.
Zur Auseinandersetzung um das Urheberrecht siehe auch:
- Im Rahmen des Heise Forum '05: Sicherheit und IT-Recht auf der CeBIT fand eine Podiumsdiskussion zur "Zukunft der Privatkopie" statt. Die Aufzeichnung des Live-Streams ist für Windows Media und Real aus dem Archiv abrufbar.
- Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen nimmt zu
- Musik-Downloads bei AllofMP3 legal?
- ETech: Die Politik der Creative-Commons-Lizenzen
- Urheberrechtsportal iRights klärt über Nutzerrechte auf
- Kopierschutz knacken - ganz legal, Ausnahmen im Urheberrecht für die Deutsche Bibliothek, c't 4/2005, S. 48
- Digital Rights Management: Wissenschaftsprivilegien noch umstritten
- Ein Interview mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Ministerialdirektor Elmar Hucko über Softwarepatente, Urheberrecht und geistiges Eigentum: "Das Urheberrecht kennt kein Recht auf Privatkopie", c't 16/2004, S. 158
- "Elektronischer Hausfriedensbruch", Pauschalabgabe, DRM und Privatkopie: Streitpunkte bei der zweiten Urheberrechtsnovellierung, c't 6/2004, S. 58
- "Berliner Erklärung" fordert Musik-Flatrate fürs Internet
- Creative Commons als Geheimwaffe der Künstler im Copyright-Krieg
- An der neuen Copyright-Richtlinie der EU scheiden sich die Geister
- Reform des Urheberrechts tritt in Kraft
- Neues Urheberrecht sorgt für neue Diskussionen
- Gefährliches Pflaster P2P, Auch Downloads aus Tauschbörsen werden illegal, c't 15/2003, S. 88 (verfügbar im heise online-Kiosk)
Zum "zweiten Korb" der Urheberrechtsnovellierung in Deutschland siehe auch:
- Kopien brauchen Originale, Website des Bundesjustizministeriums zur Novellierung des Urheberrechts
- Referenten-Entwurf aus dem Justizministerium für den "2. Korb" der Urheberrechtsnovellierung
- Bundesregierung stellt Eckpunkte des neuen Urheberrechts vor
- Gemischte Reaktionen zum Zweiten Korb der Urheberrechtsrechtsreform
- Neuer Entwurf zum Urheberrecht weiter unter Beschuss
- Streit um Privatkopie und Auskunftsansprüche spitzt sich zu
- Justizministerium: Keine 3 Jahre Haft für Tauschbörsen-Nutzer geplant
- Open-Source-Vertreter kritisiert Entwurf zum Urheberrecht
- Popkomm: Parlamentarier uneins über Verfolgung von Raubkopierern
- Justizministerium startet Aufklärungskampagne zur Urheberrechtsreform
- Zweiklassengesellschaft in der akademischen Ausbildung?
- Filmindustrie: "Raubkopieren ist kein Bagatelldelikt"
- Kompromissvorschlag zur Herausgabe von Nutzerdaten bei Urheberrechtsdelikten
- Phonowirtschaft fordert strengere Regeln für Privatkopien
- Gesittet "Pfui" sagen
- Verbraucherschützer kritisieren Entwurf für neues Urheberrecht
- Bundesforschungsministerium kritisiert Urheberrechtsnovelle
- Urheberrecht soll "digitale Revolution für alle" ermöglichen
- Bundesjustizministerium eröffnet Forum zu Urheberrechtsnovelle
- Bundesregierung will Bagatellklausel bei Urheberrechtsverletzungen ausweiten
- Filmindustrie macht gegen "Raubkopierer-Klausel" mobil
(Monika Ermert) / (jk)