Cebit

Provider fürchten Inhaltekontrolle durch Breitbandmaut

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco will die Debatte um die Netzneutralität auf dem alten Kontinent forcieren. Sollte das Prinzip der offenen Durchleitung aufgegeben werden, drohe eine Zweiklassengesellschaft.

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Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco will die Debatte um die so genannte Netzneutralität auf dem alten Kontinent forcieren. Sollte das Prinzip des offenen, allen unter gleichen Bedingungen zur Verfügung stehenden Netzwerks aufgegeben werden, drohe die Zweiklassengesellschaft im Internet, sorgt sich die Providerlobby. "Es besteht die Gefahr, dass in Zukunft durch Erschwerung der Durchleitung verschiedener Anbieter die Inhaltskontrolle im Internet Einzug hält", erklärt eco-Geschäftsführer Harald Summa. Der Verband will die Problematik daher auf der CeBIT am Freitag in einer Woche unter dem dramatischen Aufhänger "Ist das Internet noch zu retten?" ausführlich bei einem Pressegespräch erörtern.

Konkret stößt sich der eco an den Bestrebungen einiger europäischer Carrier wie der Deutschen Telekom, ähnlich wie große US-Breitbandanbieter für den Aufbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten. Unter den Mauthäuschen auf der schnellen Datenautobahn würden hauptsächlich kleinere und innovative Unternehmen und die Verbraucher zu leiden haben, beklagt die Providervereinigung insbesondere im Hinblick auf den Aufbau komplett auf dem Internetprotokoll basierender Next Generation Networks (NGN). Auf dem Spiel steht laut Summa mit der Offenheit der Netze letztlich "die ureigenste Eigenschaft des Internet" in Form der "Freiheit für jeden Einzelnen, sich Zugang zu Inhalten zu verschaffen, für die er sich interessiert". Darin läge zugleich der demokratische Mediencharakter des Internet begründet. Müsse sich der Surfer dagegen mit der Einführung einer Breitbandmaut "dem Diktat einiger weniger Anbieter unterwerfen", habe das "Surfen ohne Grenzen" für den Verbraucher bald ein Ende. Sinn und Zweck des Internet würden ad absurdum geführt.

Die Debatte um die Netzneutralität wird in den USA seit über einem Jahr hitzig geführt. Netzgrößen wie Amazon.com, eBay, Google, Microsoft oder Yahoo fürchten dort, dass neue Geschäftsmodelle durch ein Mehr-Klassennetz behindert und innovativen jungen Netzfirmen Steine in den Weg gelegt werden sollen. Sie pochen daher auf strenge gesetzliche Netzneutralitätsregeln. Führende Demokraten schoben die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes aber jüngst auf die lange Bank und erteilten Vorschlägen mit "ungewollten Konsequenzen" eine Absage. Allein im US-Senat brachten der Demokrat Byron Dorgan und die Republikanerin Olympia Snowe ihren Entwurf für einen Internet Freedom Preservation Act im Januar neu ein. Hierzulande wird dagegen weiter zurückhaltend über die Notwendigkeit einer gesetzlichen Neutralitätsregelung diskutiert.

Der eco kritisiert in diesem Zusammenhang die Haltung der EU-Kommission und von Marktgrößen wie der Telekom. Diese würden "allzu sorglos" darauf verweisen, dass der zwischen den Netzwerkbetreibern tobende Wettbewerb schon allein alle Kräfte auf die notwendige Neutralität festlege. Das Argument, dass kein Netzwerkbetreiber es sich leisten könne, den Zugang zu Google, Amazon, eBay oder ähnlich großen Mitspielern zu verweigern, ziehe ebenfalls nicht. "Die Webgrößen können es sich leisten, das von den Netzwerkbetreibern verlangte Geld letzten Endes doch auf den Tisch zu legen oder beispielsweise ein eigenes Netzwerk aufzubauen", glaubt Summa. "Diese Möglichkeit haben kleinere Inhalte-Anbieter und Anwendungsentwickler nicht – und sind bei einem Fortschreiten der derzeitigen Entwicklung vom Aussterben bedroht." Dabei hätten gerade Startups mit frischen Ideen für den Internetboom gesorgt und müssten daher besonders geschützt werden.

Zum Thema Netzneutralität siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)